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Tikuna in Manaus Tikuna in Manaus 

Amazonien: Nichts bleibt wie es ist - indigene Kultur im Wandel

Indigene Kultur bewahren - diese Absicht steht ganz oben auf der Liste der Vorbereitung auf die Synode im Oktober in Rom. Nur ist auch diese Kultur nicht statisch, auch sie wandelt sich, vor allem in Kontakt mit anderen Kulturen. Um zu sehen wie das die Indigenen verändert, dazu war P. Bernd Hagenkord bei seiner Amazonasreise zu Besuch bei den Tikuna.

P. Bernd Hagenkord - Manaus/Vatikanstadt

Sie sind Indigene, und der Mittelpunkt ihres Volkes liegt im Regenwald dort, wo Brasilien, Peru und Kolumbien aneinandergrenzen. Sie sind Tikuna. Sie sind aber auch Städter, und zwar in Manaus in Nordbrasilien, fünf Tage im Boot entfernt von ihren Dörfern. In der Stadt lebt eine Gruppe von ihnen, und dort besuche ich sie auch. Sie sind nicht etwa hier, weil sie weg wollen aus dem Wald, sondern weil sie einerseits in Manaus Bildung bekommen, Schule und Arbeit finden sich hier. Und hier können sie auch auf ihre Anliegen aufmerksam machen.

Zum Nachhören

„Wir fühlen uns nach wie vor der ländlichen Kultur verbunden, der traditionellen Kultur der Tikuna, und wir wollen hier in der Stadt auch sehr selbstbewusst unsere Kultur artikulieren, unsere Gesänge, unsere Lebensweise, und nicht hier irgendwie verschämt als irgendwelche Indios herkommen. Das ist unser Ziel, deswegen sind wir hier." Domingo Ricardo Florentino ist Tikuna und bezeichnet sich als Pastor, wenn auch seine konfessionelle Zugehörigkeit etwas im Unklaren bleibt. Das sei nicht wichtig, sagt er.

Sich in der Stadt bemerkbar machen

Wichtig sei die Kultur, die sie hier pflegen. Die Tänze, die Kleidung, das Wissen. Und er hält viel davon, dass die Vertreter der Indigenen, die Kaziken, sich hier in der Stadt bemerkbar machen.

„Es braucht die Kaziken hier, in den Städten, um die Regierung darauf aufmerksam zu machen, dass sich in den Dörfern etwas verändert, dass es Schulen gibt und so weiter. Das können wir von hier ausmachen, hier kann man verhandeln, hier können wir vorstellig werden. Es hat sich auch bei denen, die in den Dörfern zurückgeblieben sind, viel verbessert, es wird mehr für das Schulwesen getan, man hat die Möglichkeit zu einer mittleren Schulreife."

Überzeugt klingt er, der Tikuna in der Stadt. Aber immer und immer wieder hört man, dass indigene Kultur untrennbar mit dem Regenwald verbunden sei. Uns selbst wenn sie nur für einige Jahre in der Stadt leben, verändert sich so nicht ihre Kultur? Eine ganz normale kulturelle Transformation?

Omaida Pereira Vasquez ist Lehrerin für die Sprache der Tikuna hier in Manaus. Sie kommt aus den Dörfern im Regenwald, ist seit ihrem Studium aber in der Stadt. „Ich bin Tikuna, und ich bin Brasilianerin", sagt sie. „Im Augenblick habe ich noch einen Arbeitsvertrag bis Ende des Jahres, ich habe auch ein Haus hier, aber dann will ich mit unseren drei Kindern wieder zu meinem Mann ins Dorf ziehen. Im Dorf lebt es sich einfach besser, hier in der Stadt ist man ohne Geld aufgeschmissen, dann funktioniert das Leben nicht mehr. Im Dorf aber gibt es immer etwas, was man tun kann, was man pflanzen kann. Da kann man einfach besser leben."

Tikuna in Manaus
Tikuna in Manaus

Die Tikuna wollen ihren Gästen etwas von ihrer Kultur zeigen, sie singen, gekleidet in ihrer traditionellen Weise. Ist das noch Kultur? Oder ist das schon Folklore? Selbst ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, liegt diese Frage nahe. Die Musik ist traditionell, aber Gitarre, Mikrofon und andere Technik will nicht so recht dazu passen.

Hier findet eine kulturelle Transformation statt, die sich auch gar nicht vermeiden lässt. Der Kontakt verändert die Kultur, das kann auch gar nicht anders sein. Wie aber pflegt und unterstützt man diesen Prozess, ohne Folklore, ohne Verlust, ohne zu viele Kompromisse?

Kirche begleitet indigene Völker in der Transformation 

Clemens Pfaffhausen arbeitet für das Hilfswerk Adveniat, das viele der Projekte mit Indigenen unterstützt. „Die Katholische Kirche versucht, diesen Prozess zu begleiten. Das Problem ist bekannt, man kann nicht einfach einen Zaun um die indigenen Völker machen und sie sich selber überlassen. Der Prozess, den die Kirche – zumindest die katholische – begonnen hat ist der, die Völker darin zu begleiten und in erster Linie darin zu bestärken, sich auf ihre eigenen Wurzeln zu besinnen. Dass ihre eigene Sprache und ihre eigene Mythologie schon ein Wert an sich ist, den man nicht einfach negieren kann. Auf diesem Feld agieren besonders die Evangelikalen nicht besonders gut, aus meiner Sicht haben sie eine ziemlich rückwärtsgewandte Strategie. Transformation wird sein müssen, alles andere ist eine Illusion für alle Seiten.“

Indigene Kultur, wie sie in der Vorbereitung auf die Synode vor Ort und auch vom Papst immer wieder gewürdigt wird, durchlebt eine Transformation. Aber diese Transformation zu gestalten, die Indigenen unterstützend, das wird die nächste große Herausforderung der Kirche in Amazonien sein. „Man muss den Mut und die Freiheit haben, Entwicklungen hinzunehmen, die nicht ganz der eigenen Vorstellung entsprechen", sagt Clemens Pfaffhausen. „Das gilt vor allem, wenn ich einem Volk Eigenständigkeit und Verantwortung zuerkennen möchte.“

Die Tikuna in Manaus sind diesen Weg gegangen. Andere stehen noch vor der kulturellen Transformation. Und an der Kirche ist es auch durch die Synode diesen Wandel zu begleiten.

(vatican news)

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Tikuna in Manaus
19. August 2019, 11:36