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Ukraine: „Müde vom fünfjährigen Krieg“

Drei Monate nach der Präsidentschaftswahl in der Ukraine, mit dem überwältigenden Sieg des TV-Komikers Wolodymyr Zelensky, haben die Ukrainer am Wochenende ein neues Parlament gewählt. Und auch diesmal siegte Zelensky. Der ukrainisch orthodoxe Forschungsdirektor am Pariser „Collège des Bernardins“, Antoine Arjakovsky, geht auf die Gründe des Sieges ein.

Mario Galgano und Marie Duhamel – Vatikanstadt

Arjakovsky war lange Zeit Direktor des Ökumenischen Instituts an der Lemberger katholischen Universität. Mittlerweile ist er Forschungsleiter am prestigeträchtigen „Collège des Bernardins“. Im Gespräch mit Vatican News meint er:

„Zwar hegt die neue Ukraine unter der Führung von Wolodymyr Zelenski weiterhin eine langfristige Perspektive auf den Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO, doch ist die Haltung des Präsidenten gegenüber Moskau weniger entschieden als die seines Vorgängers.“

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Präsident Zelensky gehöre zu denen, die nicht verstünden, „warum auf irgendeine russische Aktion reagiert“ werden sollte, und die eine „sanftere“ Haltung gegenüber dem Kreml-Chef Putin als „vorteilhafter“ betrachteten, sagt Antoine Arjakovsky. Doch offenbar lasse sich Putin davon nicht beeindrucken, so der ukrainische Wissenschaftler. Die russische Regierung verteile weiterhin „auf vereinfachte Weise“ russische Pässe im ukrainischen Donbass.

„Alles ist offen“

Von den etwa zwanzig politischen Parteien, die am Sonntag Kandidaten aufgestellt hätten, hätten nur wenige die 5-Prozent-Hürde überschritten. Neben den Parteien des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko und der ehemaligen Anführerin der „Orangenen Revolution“ Julia Timoschenko konnte die brandneue Formation des beliebten Rocksängers Sviatoslav Vakarchuk, „Golos“ (die Stimme), einen Überraschungserfolg verbuchen. Es handele sich um eine „homogene, demokratische und proeuropäische“ Liste, die sich für die politische Erneuerung des Landes und die Beseitigung der Korruption einsetze, erläutert Arjakovsky.

Ob diese Partei, die gemeinsame Ziele mit der von Präsident Zelensky teilt, für die Bildung einer Koalition ausgewählt werde? „Alles ist offen“, so Arjakovsky. Die Debatten könnten den ganzen Sommer über dauern. Ein Bündnis mit der Partei seines Vorgängers scheint ausgeschlossen zu sein, gleichzeitig scheint der Forscher am „Collège des Bernardins“ auch an einem Bündnis mit der ehemaligen Premierministerin Julia Timoschenko zu zweifeln.

„Es darf nicht vergessen werden, dass die Ukraine ein Land ist, das müde von fünf Jahren Krieg ist“

„Es darf nicht vergessen werden, dass die Ukraine ein Land ist, das müde von fünf Jahren Krieg ist.“ Antoine Arjakovsky glaubt, dass ein Bündnis mit der pro-russischen Partei „Für das Leben“ eine Option für Zelenskys Partei sein könnte. Auch der russische Präsident Wladimir Putin könnte in diesem Sommer eine Kampagne starten, warnt der Forscher, der stattdessen auf einen Gefangenenaustausch hofft. Aber ein Bündnis mit einer Partei, die „auch weitläufig mit dem Kreml verbunden“ sei, wäre seiner Meinung nach langfristig nicht friedensfördernd. „Der Kreml hat andere Ziele, um die Ukraine zu destabilisieren“, glaubt Arjakovsky. Um die Rückkehr des Friedens in den Osten zu gewährleisten, sei es heute notwendig, dass „freie und transparente Wahlen im Donbass“ stattfinden und internationale Beobachter die Kontrolle über die Grenze zu Russland übernähmen, so seine Analyse. Das bedeute jedoch, dass Zelensky „eine feste Haltung gegenüber Moskau einnehmen soll“.

Die religiöse Frage, also das Streitthema um die Orthodoxie in der Ukraine, spielte seiner Auffassung nach offenbar keine große Rolle bei den Wahlen.

(vatican news)

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22. Juli 2019, 12:04