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Beerdigung eines dreijährigen Mädchens, das dem Anti-Drogen-Krieg zum Opfer gefallen ist, am 9. Juli in der Provinz Rizal Beerdigung eines dreijährigen Mädchens, das dem Anti-Drogen-Krieg zum Opfer gefallen ist, am 9. Juli in der Provinz Rizal 

Philippinen: Eine staatliche Mordkampagne

„Krieg gegen die Drogen“, so nennt es Präsident Rodrigo Duterte. Eine systematische Kette von Morden, der seit 2016 wenigstens teilweise auch Unschuldige zum Opfer fallen, so nennen es Hilfswerke.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Amnesty International nimmt in einer neuen Studie das Treiben auf den Philippinen unter die Lupe. Die Studie spricht von Straflosigkeit, von außergerichtlichen Hinrichtungen, von sehr viel höheren Opferzahlen als den vom Staat angegebenen.

Der Missionar Bernard Holzer arbeitet seit 13 Jahren auf den Philippinen. Er sagt in unserem Interview:

„Was die meisten der Beobachter so schlimm finden an diesem sogenannten Krieg gegen die Drogen, ist, dass man gegen die Kleinen vorgeht, während die großen Fische weitermachen können wie bisher. Die Regierung will zeigen, dass sie wirklich gegen Drogen vorgeht, aber dabei richtet sie sich gegen die Kleinen, denen man leicht etwas am Zeug flicken kann, ohne aber die großen Interessen anzurühren.“

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Die Familien leben in Angst

Wer stirbt und wer überlebt in diesem blutigen Spiel, ist oft dem Zufall geschuldet. Amnesty schreibt, dass die Angst „tief ins soziale Gewebe eingedrungen“ sei.

„Die Familien leben alle in großer Angst. Sie fragen sich: Stehen wir etwa auch auf der Liste von Drogenhändlern oder -konsumenten? Oder wird uns vielleicht etwas passieren, während wir bei einem dieser Morde gerade zufällig in der Nähe sind? Es gibt keine Gerechtigkeit – das ist, glaube ich, der Schrei der Menschen. Man weiß gar nicht, wer die Liste erstellt hat, und das alles geht an der Justiz komplett vorbei. Es gibt nicht die geringste Kontrolle!“

Immer dieselbe Waffe

Es sind vor allem Arme, die der Anti-Drogen-Kampagne zum Opfer fallen. Polizei und Sicherheitskräfte behaupten gerne, sie hätten in Notwehr geschossen, und produzieren Fotos, auf denen der Getötete mit einer Waffe abgebildet ist. Dazu sagt Pater Holzer:

„Das ist etwas, worauf zum Beispiel der Bischof von Bulacan schon seit langem immer wieder hinweist: Auf den Fotos ist immer dieselbe Waffe zu sehen, ohne eine Seriennummer. Die meisten der Ermordeten waren doch wohl nicht bewaffnet. Man macht das, um hinterher den Mord zu rechtfertigen. Es gibt Beweise dafür, dass da manipuliert wurde!“

Zu dem verstörenden Bild gehört allerdings, dass der populistische Staatschef Duterte weiterhin sehr beliebt ist. Und dass ein großer Teil der Bevölkerung hinter ihm zu stehen scheint.

Protest der Kirche dringt kaum durch

„Also, aufs Ganze gesehen ist die Bevölkerung natürlich gegen Drogen. Und darauf stützt sich die Regierung auch immer wieder, sie verweist auf die Umfragen, die eine klare Mehrheit der Bevölkerung als Gegner der Drogen aufweisen. Das stimmt auch; die Drogen zerstören die Gesellschaft, die Familien. Aber es ist die Methode, gegen die Einspruch erhoben wird: eine völlig willkürliche Methode, die von der Justiz nicht kontrolliert wird. Und gleichzeitig kümmert man sich – wie der Amnesty-Bericht auch ausführt – überhaupt nicht darum, dass Drogensüchtige irgendwelche Hilfe erhalten oder clean werden können.“

Was tut eigentlich die Kirche gegen den Anti-Drogen-Krieg? Holzer: „Wenn man so allgemein von Kirche spricht, dann meint man die Orden, eine Reihe von Bischöfen, Laienverbände und NGOs. Sie versuchen, Rehabilitationszentren zu eröffnen, sich um Drogenabhängige zu kümmern – aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Davon abgesehen aber dringt der kirchliche Protest gegen das, was da vorgeht, in der Öffentlichkeit kaum durch.“

6.500 Tötungen - und nur ein einziger Prozess

Mit wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen hat Duterte auch viele Kirchenleute eingeschüchtert. Der Rückhalt, den der Präsident im Volk genießt, lässt den Kirchenleuten eine gewisse Vorsicht angeraten erscheinen. Wer zu laut gegen den Präsidenten protestiert, zieht dessen Blitze auf sein Haupt.

„Die Polizei räumt ein, 6.500 Personen getötet zu haben. Bis jetzt ist davon nur ein einziger Fall vor den Richter gekommen. Unsere Aufgabe besteht darin, mit den Leuten in unseren Gemeinden über das Problem zu reden – und das ist nicht einfach. Wir sind hier in einem Land, in dem die Religiosität zwar sehr groß, aber das soziale und politische Engagement sehr schwach ausgeprägt ist.“

(vatican news)
 

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09. Juli 2019, 11:23