UN-Blauhelme patroullieren in Port-au-Pronce (Haiti) UN-Blauhelme patroullieren in Port-au-Pronce (Haiti) 

Haiti: Ein Glaubenszeugnis inmitten der Verzweiflung

In Haiti ist die Situation fast zehn Jahre nach dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar 2010 schlimmer als zuvor. Politische Instabilität sowie eine wirtschaftliche und soziale Krise machen es auch den jungen Menschen schwer, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Die Kamillianer versuchen, in dieser Situation bestmögliche Hilfe zu leisten.

Christine Seuss und Amedeo Lomonaco - Vatikanstadt

Seit vielen Jahren sind die Missionare mit ihren Hilfsprogrammen auf der Karibik-Insel präsent. Bei ihrer Arbeit erleben sie die dramatischen Lebensumstände, aber auch den unerschütterlichen Glauben der Menschen. Der Kamillianer Antonio Menegon arbeitet mit seinen Mitstreitern dafür, die Not der Bevölkerung wenigstens etwas zu lindern.

„Wir sind seit 1995 mit einem Gesundheitszentrum in Haiti. Wir haben es Foyer Saint Camille genannt. Es besteht aus einer ambulanten Behandlungseinrichtung mit Notaufnahme, Pädiatrie und Gynäkologie, außerdem Allgemeinmedizin, eine Abteilung für Notfallmedizin, eine Geburtsstation und eine Apotheke. Es gibt auch ein Zentrum für Choleratherapie und ein Krankenhaus mit 120 Betten. In einem eigenen Zentrum kümmern wir uns um unterernährte Kinder.“

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Das Herz der Mission, so berichtet der Kamillianer weiter, ist das Foyer „Bethlehem“, in dem 100 schwerstbehinderte Kinder leben, deren Familien nicht für ihre Pflege aufkommen können. Auch eine Primar- und Sekundarschule für 500 Kinder betreiben die Missionare, neben einer Berufsschule für 40 Schüler. Hilfe auf vielen Feldern also. 

„In dieser Zeit, vor allem nach dem Erdbeben von 2010 und mehreren Hurrikans, haben wir in der Hauptstadt Port-au-Prince sechs Dörfer aufgebaut, viele Häuser für die Familien, die alles verloren haben. Auch in Jérémie haben wir das Dorf Saint Camille für 30 Familien gebaut, mit einer weiteren Grundschule für 120 Kinder. Wir helfen auch vielen Familien mit Lebensmittelpaketen und Arzneimitteln.“

Keine Perspektiven und Hoffnungslosigkeit

Es ist nicht nur die materielle Not, die den Familien in Haiti zu schaffen macht. Der amtierende Präsident Jovenel Moïse steht im Verdacht, schwer korrupt zu sein, was immer weniger Menschen auf Haiti hinnehmen wollen. Sie gehen auf die Straße, wo es nicht selten zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften kommt. „Die Situation ist schlimmer geworden, denn es herrscht eine große politische Instabilität“, bestätigt der Missionar: „Von November 2018 bis heute gab drei oder vier größere Aufstände, richtiggehende Bürgerwehren wollten den Rücktritt des Präsidenten erreichen. Er wurde vor zwei Jahren gewählt, und seit einem Jahr gibt es jetzt schon Unruhen. Mit dieser politischen Unsicherheit ist das Land wirklich am Abgrund. Besonders dramatisch ist es, dass 70 Prozent der Bevölkerung unter 18 Jahre alt ist und nicht weiß, was sie mit dem eigenen Leben anstellen soll, denn die jungen Menschen haben keine Perspektiven oder Arbeitsmöglichkeiten.“

Nicht Armut, sondern chronische Not

Kein Wunder also, dass die meisten jungen Menschen mit dem Gedanken spielen, das Land in Richtung USA zu verlassen: „Das ist das schlimme Problem dieser armen Menschen: Sie leiden sprichwörtlich Hunger und sind immer verzweifelt. Denn das ist kein Problem, das mit Armut zusammenhängt, sondern mit chronischer Not. Wenn sie wieder aufstehen wollen, passiert etwas, was sie wieder zu Boden wirft, und deshalb gelingt es ihnen nie, etwas für ihre Gegenwart und noch weniger für die Zukunft zu planen.“

Ein beeindruckendes Glaubenszeugnis

Die große Hoffnungslosigkeit wird durch die enorme Abwertung der lokalen Währung noch verschärft, erzählt Menegon. Denn auch die grundlegendsten Güter des täglichen Bedarfs werden unerschwinglich, so dass die Menschen kaum wissen, wie sie sich und ihre Familie versorgen sollen. Ein wenig Halt gibt in dieser Situation der Glaube, betont der Missionar:

„Sie nennen Gott ,Papa, mein guter Papa‘. Und je mehr sie in Not sind und je verständlicher es wäre, dass sie Gott verfluchten, desto mehr lobpreisen sie ihn, lieben ihn und fühlen ihn sich selbst nahe. Das ist purer Glaube, ohne Schnickschnack, ein wirklich verinnerlichter und existentieller Glaube.“ Und dies inmitten der „totalen Verzweiflung“, die die Menschen täglich erleben, zeigt sich der Missionar tief beeindruck: „Das ist das größte und schönste – wundervollste – Zeugnis, das dieses Volk jedem von uns gibt.“

(vatican news)

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26. Juli 2019, 11:59