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Vatikan/Österreich: Nuntius erhofft sich mehr Präsenz von Katholiken in der Gesellschaft

Die österreichischen Katholiken müssen in der Gesellschaft präsenter sein. Das hat der neue Nuntius Erzbischof Pedro Lopez Quintana im Interview für die „Presse am Sonntag“ (online Samstag) angemahnt. Dies sei eine noch wichtigere Aufgabe als Aktivitäten der Laien in der Kirche, betonte er.

Der Nuntius zeigte sich zudem zuversichtlich, dass Rom sehr bald Konsequenzen aus der Apostolischen Visitation in der Diözese Gurk ziehen wird. Das die römisch-katholische Kirche weltweit vom Zölibat für Priester abrücken wird, glaubt er hingegen nicht.

Erzbischof Lopez wörtlich: „Die Mitwirkung der Laien im Leben der Kirche ist sehr wichtig. Aber die Laien haben eine noch wichtigere Aufgabe.“ Der Nuntius verwies auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65), das u.a. auch die notwendigen Aktivitäten der Laien in der Welt benennt. „Hier sehe ich das Risiko, dass die Laien ihre Aktivitäten auf die Kirche konzentrieren, die Aufgabe der Kleriker übernehmen und vergessen, dass ihre wirkliche Mission ist, in der Welt zu wirken, in der Gesellschaft, der Politik, nicht ausschließlich in der Kirche“, so Erzbischof Lopez wörtlich: „In der Gesellschaft fehlt diese Präsenz.“ Vielleicht sei das ein Grund für den Rückgang des Glaubens in der Gesellschaft.

In Österreich sei die katholische Kirche, was den Enthusiasmus der Menschen betrifft, „ein wenig arm geworden“, so Lopez: „Manchmal sind Pfarreien wie Zentren von Sozialarbeitern. Dann sind wir nicht wirklich eine Gemeinschaft von Christen.“

Priestermangel nicht dramatisch

Den Priestermangel in Österreich sieht der Vatikan-Diplomat als nicht dramatisch: „Andere Länder haben verglichen mit Österreich weniger Priester. Auch beim Priestermangel ist der Verlust des Glaubens entscheidend. Heute muss das Wachsen von Berufung gegen sehr viel ankämpfen.“

Den Grund dafür sieht der Nuntius in der Säkularisierung: „Aus meiner Sicht ist die Säkularisierung Folge davon, dass die Präsenz der Laien, gläubiger Menschen in der Gesellschaft, nicht groß genug ist.“ Es stimme, „dass es weniger Priesterberufungen gibt. Aber, wie der Heilige Vater sagt, das heißt nicht, dass Gott nicht mehr ruft. Aber die Kommunikation ist gekappt.“
Manche Priester zu sehr „Funktionäre“

Teil des Problems sei auch, dass es Priester gibt, „die weniger Hirten und mehr Funktionäre sind“. Manchmal seien Priester „mit allerlei beschäftigt, aber sie vergessen, Christus zu bezeugen. Vielleicht klingt das ein wenig altmodisch, aber die Menschen müssen Jesus kennenlernen“. Erzbischof Lopez: „Wir als Priester haben zu bezeugen, dass Gott Liebe ist. Liebe heißt, das Beste für jemanden zu wollen, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.“ Der Papst sage stets zu den Priestern: „Geht hinaus aus dem Büro, besucht die Menschen.“

Die Krise der Kirche sei keine Krise der Struktur, sondern eine Krise des Glaubens. Erzbischof Lopez: „Wir müssen nicht die Struktur der Kirche retten, sondern den Glauben in der Kirche retten. Es ist sehr einfach und gleichzeitig sehr schwierig: würdige Söhne Gottes zu sein und Freude zu zeigen, Jünger Jesu zu sein.“

Zur Frage, für wie groß er die Krise der katholischen Kirche in Österreich halte, meinte der Nuntius wörtlich: „Mein erster Eindruck ist, dass es eine echte Krise gibt und in Österreich durch die vielfältigen Verbindungen zu Deutschland viele in gewisser Weise den Weg der Lutheraner gehen wollen.“

Amazonas-Synode und Politiker-Gebet

Auf die anstehende Amazonas-Synode im Herbst angesprochen meinte der Erzbischof, dass es in allererster Linie um Ökologie und die Menschen geht, die dort leben und leiden. Dass es auch eine Diskussion über die Priesterweihe für verheiratete Männer geben wird, sei ein Nebenaspekt. Lopez wörtlich: „Man kann es nicht oft genug wiederholen: Es ist ein Vorschlag, es ist nicht klar, ob diese Möglichkeit eingeräumt wird. Und es würde für alte, verheiratete Männer nur ein begrenztes Priestertum gehen, nicht ein volles Priestertum.“

Unter „begrenztem Priestertum“ verstehe er die Beschränkung darauf, „dass die Menschen die Möglichkeit haben, die Sakramente zu empfangen“. Eine derartige Lösung wäre nur auf das Amazonas-Gebiet beschränkt, so der Nuntius: „Der Heilige Vater hat sich gegen Fehlinterpretationen gewehrt und wiederholt, dass der Zölibat bestehen bleiben wird.“ Für die Gesamtkirche wäre es keine gute Lösung, auf den Zölibat zu verzichten, „weil er frei macht, frei für den Dienst und die Verpflichtung des Evangeliums“.

Zur Frage eines möglichen Österreich-Besuchs von Papst Franziskus sagte der Nuntius, ein solcher sei „nicht ausgeschlossen, aber für den Moment gibt es keine Pläne“.

Zum jüngsten öffentlichen Gebet für Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Rahmen des freikirchlichen „Awakenig“-Events in der Wiener Stadthalle sagte der Erzbischof, dass daran nichts Falsches sei: „Wir haben für jeden zu beten. Für Protestanten sind derartige öffentliche Gebete ganz normal, für die katholische Kirche in Österreich sind sie ungewöhnlich.“

Gegen Schließung des KAICIID

Dass sich die österreichische Politik für eine Schließung des in Wien ansässigen „König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ (KAICIID) ausspricht, bedauerte der Nuntius. „Das tut uns leid. Wir sind sehr an dieser Institution interessiert, weil sie für den interreligiösen Dialog gegründet wurde“, so der Erzbischof. Man sollte versuchen, „sie auf eine breitere Basis zu stellen und zu einem wirklichen internationalen Forum des Dialogs zu machen, wo viele Länder Mitglieder werden“, so der Vatikan-Diplomat: „Wir müssen alle Bemühungen unterstützen, die verhindern, dass Religion wie in der Vergangenheit als Instrument des Kriegs missbraucht wird.“

Bischof Schwarz wurde „befördert“

Zur Frage, wann Rom die Konsequenzen aus der apostolischen Visitation in der Diözese Gurk ziehen wird, sagte der Nuntius, dass dies wohl sehr bald sein werde, gar noch vor dem Sommer. Er glaube auch, dass Ergebnisse öffentlich gemacht würden, „genauso wie öffentlich gemacht wurde, dass die apostolische Visitation stattfindet“.

Nach seiner Einschätzung befragt, ob es eine Art Urteil über das Wirken von Bischof Alois Schwarz in Gurk-Klagenfurt geben wird, sagte der Nuntius wörtlich: „Bischof Schwarz wurde vor einem Jahr nach St. Pölten versetzt. Das war keine Bestrafung, das war eine Beförderung. Die Diözese ist bedeutender.“ Offenbar habe er sich in Kärnten nichts zuschulden kommen lassen, „sonst wäre er nicht nach St. Pölten versetzt worden“.

Darauf angesprochen, dass das Gurker Domkapitel einen extrem großen Einfluss einer Frau auf die Amtsführung des Bischofs beklagt hatte, meinte Erzbischof Lopez: „Das ist witzig. Oft wird die Rolle der Frau in der Kirche beklagt, aber wenn sie einmal Macht hat, wird das kritisiert. Ich denke, in der Beziehung zwischen dem Bischof und der Frau war nichts Unmoralisches. Rom befasst sich nicht mit Gerüchten, wir können eine Person nicht danach beurteilen.“

(kap - cs)

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22. Juni 2019, 10:57