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Jemen - Ein Junge mit Verletzungen durch einen Luftangriff Jemen - Ein Junge mit Verletzungen durch einen Luftangriff 

Jemen: „Im eigenen Land gefangen“

Vier Jahre lang wütet nun schon der Jemen-Krieg: seit 26. März 2015. Bald werden die Einwohner des Landes ihre Reserven verbraucht haben und dem Hungertod ausgeliefert sein. Langfristig davor bewahren kann sie nur ein Ende des Krieges. Dazu muss auch Deutschland beitragen, wie Karl-Otto Zentel von CARE Deutschland e.V. im Interview mit Vatican Vews betont.

Vatican News: Nach vier Jahren Krieg im Jemen ist die Lage höchst besorgniserregend. Zwar war das im Dezember geschlossene Waffenstillstands-Abkommen für Hodeida und andere Gebiete ein erster positiver Schritt, doch immer wieder flammen Kämpfe auf. Ein Zusammenschluss von NGOs, dem auch CARE angehört, weist auf das anhaltende humanitäre Leid im Land hin. Wie hat sich dieses seit dem Beginn des Jemen-Krieges entwickelt?

Zentel: Das Abkommen im Dezember in Stockholm war ein großer Fortschritt. Wir müssen aber feststellen – und es ist jetzt schon fast Ende März – dass sich die Situation dadurch noch in keiner Weise verändert hat. Es sind keine zusätzlichen Lieferungen ins Land gekommen, es gibt immer noch Kämpfe im Land. Nach wie vor sind 24 Millionen Menschen – das sind 80 Prozent der Bevölkerung – auf humanitäre Hilfe angewiesen. 14 Millionen von Ihnen sind in einer sehr, sehr schlechten Ernährungslage, knapp vor der Hungersnot. Das heißt, all die Dinge, die wir über Monate und Jahre betont haben, existieren noch, sind immer noch die Realität in diesem Land. An der Lage hat sich nichts verändert.

Hier zum Hören:

Vatican News: Inwieweit ist Deutschland mitverantwortlich für dieses Leid der Menschen im Jemen?

Zentel: Deutschland ist der zweitgrößte Geber und Finanzierer humanitärer Hilfe im Jemen. Dafür sind wir sehr dankbar. Das ermöglicht unter anderem CARE, jeden Monat circa eine Millionen Menschen mit lebensnotwendiger Hilfe zu erreichen. Gleichzeitig hat Deutschland nach dem Mord an Herrn Khashoggi In Istanbul die Waffenexporte nach Saudi-Arabien ausgesetzt. Das ist auch ein Teil des Koalitionsvertrages, also festgeschrieben. Diese Aussetzung, dieses Embargo, gilt allerdings nur bis Ende dieses Monats, bis Ende März. Unsere Forderung ist: Das muss ausgedehnt und aufrechterhalten werden, damit sichergestellt wird, dass keine deutschen Waffen im Jemen zum Einsatz kommen und gleichzeitig der Druck von internationaler Seite auf die Konfliktparteien nicht verringert wird.

Vatican News: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass dieser Forderung stattgegeben wird?

Zentel: Da es Bestandteil des Koalitionsvertrages ist, sind wir der Meinung, dass das eigentlich gesetzt sein muss. Wir fordern auch, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dass auch andere Länder diesen Schritt tun. Ideal wäre eine europaweite einheitliche Klärung und Lösung und ein Waffenembargo für die Konfliktparteien im Jemenkrieg.

„Für die Bevölkerung im Jemen ist jeder Tag, den dieser Konflikt länger dauert, ein Tag zu viel“

Vatican News: Wenn das Exportverbot aufrechterhalten wird, besteht dann tatsächlich Hoffnung auf Frieden und eine Verbesserung der Lebensumstände im Jemen?

Zentel: Die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensumstände im Jemen ist ein Ende des Konfliktes. Wir haben nach der Ermordung von Herrn Khashoggi in Istanbul gesehen, dass internationaler Druck etwas bewirken kann. Plötzlich war es möglich, zusammenzukommen, sich in Stockholm zu treffen, um erste Schritte aufeinander zuzugehen. Das zeigt: Es gibt hier ein Instrument, das wirken kann, wenn es intensiv genug eingesetzt wird. Unsere Forderung ist, dass sich niemand zurücknimmt. Für die Bevölkerung im Jemen, die letztendlich Geiseln der Konfliktparteien sind, ist jeder Tag, den dieser Konflikt länger dauert, ein Tag zu viel.

Vatican News: Und wenn er anhält, wird die Situation sich sogar noch weiter verschlimmern?

Zentel: Jemen muss 90 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren. Die Hilfen sind die Nadelöhre, durch die diese Importe gehen müssen. Wir haben gesehen, dass die Kampfhandlungen dazu führen, dass die Importe nachlassen. Das heißt: Wenn sich dieser Konflikt nicht lösen lässt, sondern weiter fortzieht, wird die Situation für die Menschen noch schlimmer werden. Je länger dieser Krieg dauert, desto mehr sind auch noch eventuell vorhandene Reserven aufgezehrt, die im Moment noch das Überleben sichern. Dann ist zu befürchten, dass wir vor einer sehr, sehr großen Hungersnot stehen werden.

Vatican News: Und vielen Menschen, die verhungern?

Zentel: Das wird dann die Konsequenz sein. Die Bevölkerung hat keine Möglichkeit zu fliehen. Bis auf Aden sind die internationalen Flughäfen geschlossen. Es gibt also auch keine Möglichkeit, jemanden beispielsweise zu einer medizinischen Behandlung zu fliegen. Die Jemeniten sind in ihrem eigenen Land gefangen und die Konfliktparteien nehmen keine Rücksicht auf die Situation der Zivilbevölkerung.

Das Gespräch führte Angela Prämassing.

(vatican news)

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22. März 2019, 16:53