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Zentralafrikanische Republik: „Wir fühlen uns geplündert“

Armut in Afrika ist nichts Neues, aber die Gründe hierfür werden kaum aufgedeckt. Eine italienische Ordensfrau, die in Zentralafrika Straßenkindern ein würdiges Leben ermöglicht, sieht das Erbe des Kolonialismus als Anlass für die verbreitete Krise in dem Kontinent.

Mario Galgano und Antonella Palermo – Vatikanstadt

Krieg, Korruption und Krankheiten prägen den Alltag in vielen afrikanischen Ländern. Einen Ausweg scheint es sowohl in den betroffenen Ländern als auch im fernen Europa nicht zu geben. Die 69jährige italienische Ordensfrau Elvira Tutolo leitet seit fünf Jahren mit einer weiteren Missionarin in Berberati in der Zentralafrikanischen Republik ein Heim für Straßenkinder. Das Land gilt als eines der ärmsten der Welt. Im Gespräch mit Vatican News sagt Tutolo, dass sie trotzdem froh und glücklich sei, dort zu leben und zu helfen.

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„In dem von uns betriebenen Landwirtschaftszentrum gibt es 25 junge Menschen, die von der Straße oder aus dem Gefängnis geholt wurden. Sie sind zu uns gekommen, denn sie wollen leben, sie schreien nach Hoffnung. Unsere Unterstützung besteht darin, ihnen beizustehen, denn viele leiden an Depression, an mangelnder Sichtbarkeit. Wir vermitteln ihnen, an den gemeinsamen Schritt zu glauben und an den Wert der kleinen Fortschritte.“

„Wie ist es möglich, dass es in 60 Jahren noch nie eine echte Entwicklungspolitik für das Land gegeben hat?“

Die tiefen Wurzeln des Elends sei das Erbe des Kolonialismus, glaubt die Missionarin.

„Ich muss ehrlich sagen: Wir sind eine ehemalige französische Kolonie. Wie ist es möglich, dass es in 60 Jahren noch nie eine echte Entwicklungspolitik für das Land gegeben hat? Wir fühlen uns geplündert, nackt ausgezogen. Einmal wurde ich angegriffen und auf der Straße meiner Kleider beraubt: Nun, ich empfinde das gleiche Gefühl von Nacktheit für das ganze Land. Ich bin ein wenig wütend, entschuldigen Sie, wenn das ich jetzt so ausspreche...“

Täglich kämpft die Ordensschwester, damit die jungen Menschen in ihrer Umgebung eine bessere Zukunft haben können. Dies könne nur durch konkrete Handlungen geschehen, so Schwester Elvira. 

„Das sind Wunden, die nicht vollständig zu heilen sind und wir versuchen, die Herzen und Köpfe der Kinder anzusprechen, ihnen zu vermitteln, dass sie willkommen sind und sie so wiederaufzubauen.“

„In den vergangenen zwei Jahren wurden Kinder in unserer Region von bewaffneten Gruppen befreit. Einmal riefen sie mich Leute vom UNO-Kinderhilfswerk Unicef an und fragten mich, ob ich darüber glücklich sei und ob diese jungen Menschen in ihre Häuser zurückkehren könnten. Ich sagte, das sind Kinder ohne Zuhause, weil sie unter extremen Bedingungen von der Straße genommen wurden... Wir kümmern uns dann um diese Jungen und Mädchen, etliche von ihnen wurden leider auch getötet, um ihre Familien zu rächen. Das sind Wunden, die nicht vollständig zu heilen sind. Wir versuchen, die Herzen und Köpfe der Kinder anzusprechen, ihnen zu vermitteln, dass sie willkommen sind und sie so wiederaufzubauen.“

Sie habe einen Psychologen gefunden, der den traumatisierten Minderjährigen professionell und vernünftig zuhöre, erläutert Tutolo weiter. Auch hätten sie ein Bildungszentrum für die Mädchen aufbauen können.

„Viele sind Analphabeten, und deshalb schicken wir sie zur Bildung und helfen ihnen, ihre Vergangenheit neu zu lesen. Sie lernen Nähen und Sticken. Wenn wir eine solche kleine Arbeit in Auftrag geben, bezahlen wir dafür. Inzwischen gibt es etwa 20 Mädchen, die sich auf diese Weise nicht der Prostitution hingeben. Für Männer haben wir in größerer Zahl ein landwirtschaftliches Zentrum mit dem Namen ,Hilf mir zu wachsen´: Da ist die Tischlerei, man lernt die Mechanik. Am Ende der Ausbildung wird jeder von ihnen über zwei Hektar Land verfügen und sich so weiterhin selbstständig machen können. Aber das größte Werk bleibt die Überwindung der Traumata: Ich erinnere mich, dass viele in den ersten Nächten bei uns aus dem Bett sprangen, weil sie sich an die ungeheure Gewalt erinnerten und was sie erlebt hatten. Langsam sieht man wieder ein Lächeln in ihren Gesichtern.“

(vatican news)

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04. Januar 2019, 12:55