Flüchtlinge aus Venezuela demonstrieren am Donnerstag in Lima gegen Maduros zweite Amtszeit Flüchtlinge aus Venezuela demonstrieren am Donnerstag in Lima gegen Maduros zweite Amtszeit 

Venezuela: Der Karren steckt immer tiefer im Dreck

Er macht weiter, als ob nichts wäre: Präsident Nicolás Maduro hat in Venezuela seine zweite Amtszeit angetreten. Am Donnerstag leistete er seinen Amtseid vor dem Obersten Gericht – weil das Parlament, das von der Opposition dominiert wird, seine Autorität nicht anerkennt.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Das Parlament ist mit seinen Zweifeln am Ausgang der Wahlen vom letzten Mai nicht allein: Auch die USA, die EU und 14 Länder Lateinamerikas wollen das Ergebnis nicht anerkennen. Kaum verhüllt nennen auch die katholischen Bischöfe von Venezuela Maduros Regime „illegitim“.

In den letzten Tagen sind sie in Caracas zu ihrer Vollversammlung zusammengetreten. In einem Aufruf ans Volk fordern sie angesichts der schweren humanitären, wirtschaftlichen und sozialen Krise im Land eine Rückkehr zum demokratischen Prozess.

Bischöfe zweifeln an Maduros Legitimität

„Die Politik muss zurückfinden zur politischen Rationalität und zur Legitimität“, sagt Erzbischof José Luis Azuaje Ayala. Der Erzbischof von Maracaibo ist Vorsitzender der Bischofskonferenz. Und er macht in unserem Interview klar, dass Venezuela Wahlen braucht.

„Solche Wahlen hätten zum Ziel, neue Führungspersönlichkeiten zu wählen. Wie wir in unserem Aufruf sagen, erscheint uns dieser ganze Weg, den die Regierung eingeschlagen hat, illegitim, weil er sich nicht auf die Verfassung stützt. Und das betrifft vor allem die Wahlen, die es im Mai letzten Jahres gegeben hat.“

Das ölreiche Land ist heruntergewirtschaftet

Die Bischöfe geben damit zu erkennen, dass sie auf der Linie der sogenannten Lima-Gruppe liegen. Die darin zusammengeschlossenen Länder Lateinamerikas fordern (mit Ausnahme Mexikos) den Rücktritt Maduros, die Anerkennung des Parlaments, eine Übergangsregierung und demokratische Neuwahlen.

Erzbischof Azuaje Ayala beklagt allerdings vor allem die schwere Wirtschaftskrise in Venezuela. Sie hängt nicht nur mit den US-Wirtschaftssanktionen gegen das Regime Maduro zusammen, sondern auch mit dem System des „bolivarischen Sozialismus“, mit dem die Regierung – nicht erst Maduro, sondern auch sein Vorgänger Hugo Chávez – das ölreiche Land heruntergewirtschaftet hat.

„Es braucht einen Wandel des Wirtschaftsmodells!“

„Es braucht einen Wandel des Wirtschaftsmodells! Dieses Wirtschaftsmodell hat zu Armut, Geldentwertung, Hyperinflation geführt, und das hat Folgen: Millionen von Venezolanern haben angesichts dieses Drucks das Land verlassen. Darum müsste man dringend zu einer offeneren Wirtschaft übergehen, weg von der jetzigen, kontrollierten, zentralisierten Wirtschaft.“

Mehr als ein Zehntel der Bevölkerung ist geflohen

Der Erzbischof betont, dass es ihm bei diesen Forderungen vor allem um die Menschen in Venezuela geht. „Jeden Tag sehen wir doch in unseren Bistümern, wie sehr es den Menschen mittlerweile an Nahrungsmitteln, an Medikamenten, an öffentlichen Transportmitteln fehlt. Alles befindet sich im Niedergang. Wir hätten große Feldflächen, die man bestellen könnte, aber sie liegen brach, weil man nicht an Samen oder Dünger herankommt, und darum geht es unseren Bauern schlecht.“

Seit 2013 hat sich die Wirtschaftsleistung von Venezuela – obwohl es über die größten Ölreserven der Welt verfügt – halbiert. Mit rund drei Millionen Flüchtlingen hat mehr als ein Zehntel der Bevölkerung das Land verlassen. International stehen allerdings China und Russland an der Seite des venezolanischen Regimes.

„Wenn wir auf diese Regierung blicken, wissen wir: Das werden die nicht tun“

„Wir fordern eine Trennung zwischen den staatlichen Gewalten. Was diese Regierung getan hat, war, alle Gewalten unter dem Schirm der Exekutive zusammenzuballen, und das hat den Rechtsstaat aus dem Gleichgewicht gebracht,“ schlägt denn auch Erzbischof Azuaje Ayala wieder den Bogen zu einer politischen Analyse der Zustände.

Die Bischöfe rufen die Bürger auf, sich zu organisieren und zu versuchen, den Staat von unten wieder aufzubauen. „Außerdem fordern wir, dass die Verfassung beachtet und dass der Weg zur Wahl neuer Führungspersönlichkeiten freigemacht wird! Wenn wir auf diese Regierung blicken, wissen wir: Das werden die nicht tun. Darum wenden wir uns mit unserem Aufruf ans venezolanische Volk. Es muss aktiv werden, es muss die Institutionen, die Parteien, die Opposition, die Gremien, die Unis – alles – in Bewegung bringen, wenn auch auf friedliche Weise. Unsere Verfassung sagt doch sehr deutlich, welche Rechte die Bürger haben!“

Demonstrationen hatten keinen Erfolg

Die Venezolaner sollen, so sagt Azuaje Ayala, von unten „Druck“ aufbauen – allerdings nicht über Straßendemonstrationen, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass diese blutig niedergeschlagen werden und dem demokratischen Prozess nicht wirklich wieder auf die Beine helfen.

„Außerdem verlangen wir ein Ende der Repression und der Drohungen, mit denen die Regierung Furcht und Lähmung hervorzurufen versucht! Dazu haben wir die Regierung, aber auch die Militärs, immer schon aufgerufen: Sie sollen die Menschenrechte der Bürger und der Völker respektieren.“ Das Wort des Erzbischofs in Gottes Ohr – bislang steht das Militär, das wirtschaftlichen Einfluss und Vorteile genießt, unverbrüchlich zum Regime.

Drei Wellen von Auswanderern

„Wir sind den Regierungen dankbar, die Solidarität mit den Migranten aus Venezuela zeigen. Wir sehen hier, dass in unserer globalisierten Welt das, was Venezuela betrifft, schnell auch den internationalen Kontext berührt. Die Millionen von Venezolanern, die in andere lateinamerikanische Länder, aber auch nach Europa und in die USA, gegangen sind, kommen dort mit fast nichts an.“

Der Erzbischof spricht in unserem Interview von drei Wellen von Auswanderern. Die erste Welle habe aus den Nachfahren von Einwanderern bestanden, die angesichts der Krise ins Land der Väter heimgekehrt seien, nach Spanien, Italien oder auch Deutschland. Die zweite bestehe aus gut ausgebildeten Menschen, zum Beispiel Handwerkern, Ärzten, Unternehmern, Lehrern, die aus finanziellen Gründen ihr Geschäft hätten aufgeben müssen.

„Aber die dritte Welle ist die, die uns am meisten Sorgen macht. Das sind unsere Armen – die, die am meisten leiden. Um ihrer willen ist es so wichtig, dass wir Demokratie und eine funktionierende Wirtschaft im Land wiederaufbauen, damit sie zurückkehren können. Dazu brauchen wir allerdings Druck aus der internationalen Gemeinschaft…“

(vatican news)

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11. Januar 2019, 10:36