Suche

Präsident Joko Widodo ist Islamisten ein Dorn im Auge - im April stellt er sich wieder zur Wahl Präsident Joko Widodo ist Islamisten ein Dorn im Auge - im April stellt er sich wieder zur Wahl 

Indonesien: „Religion nicht für Politik instrumentalisieren”

In Indonesien wirft die Präsidentenwahl im kommenden April ihre Schatten voraus. Islamistische Hardliner bringen sich in dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt in Stellung, um einem Gegenkandidaten zum amtierenden Präsidenten Joko Widodo zum Sieg zu verhelfen.

Christine Seuss und Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Das Klima wird in diesem Zusammenhang auch für religiöse Minderheiten zunehmend rauher. Wie stark der religiöse Diskurs für politisches Kalkül genutzt werden kann, hat emblematisch der Fall des ehemaligen Gouverneurs von Jakarta, Basuki „Ahok” Tjahaja Purnama, gezeigt. Der Christ war aufgrund von Blasphemievorwürfen 2017 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden; in diesem Monat ist seine vorzeitige Freilassung zu erwarten. 

Vertreter verschiedener Religionen und spiritueller Bewegungen in Indonesien sehen den Aufschwung islamistischer Hardliner im Land mit Sorge. Deshalb haben sie kürzlich gemeinsam eine Abhandlung verfasst, in der sie sich mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden April gegen religiösen Extremismus und dessen Instrumentalisierung durch die Politik wenden.

Zum Nachhören

Der Jesuitenpater Franz Magnis-Suseno lebt seit vielen Jahren im Land, er war von katholischer Seite aus mitverantwortlich für das „Jakarta-Abhandlung“ genannte Dokument. Wir haben ihn telefonisch in Jakarta erreicht.

„Er hat ganz bestimmt keine Blasphemie begangen, aber Ahok wurde eine Figur, die zum ersten Mal überhaupt einen islamischen Populismus in Indonesien möglich gemacht hat“

„Ahok war in gewisser Hinsicht eine unglückliche Gestalt. Er wurde Gouverneur in Jakarta nicht weil er gewählt wurde, sondern weil er der Vize-Gouverneur war. Gouverneur war Joko Widodo, der dann ja Präsident wurde. Ahok war ein hervorragender Gouverneur, wenn auch nicht ohne Fehler und Härten. Aber er war eben ein Christ, und er war außerdem chinesischer Abstammung. Er war sozusagen ein typischer Chinese, er kam nicht von Java und hatte nicht die Fähigkeit, sich der indonesischen Verhaltenskultur anzupassen. Es haben ihm viele Freunde geraten, er solle nicht so viel reden, aber er hat natürlich immer viel geredet und einmal hat er sich eben verredet - und das konnte von seinen Feinden, die schon immer auf ihn geschossen haben, genutzt werden, um ihn der Blasphemie anzuklagen. Er hat ganz bestimmt keine Blasphemie begangen, aber Ahok wurde eine Figur, die zum ersten Mal überhaupt einen islamischen Populismus in Indonesien möglich gemacht hat.“

„Die Demonstrationen haben viele Menschen erschreckt“

Über eine halbe Millionen Menschen waren damals bei zwei großen Demonstrationen in Jakarta auf die Straße gegangen, „um den Islam zu verteidigen.“ „Was das bedeuten soll bei einer Religion, der über 87 Prozent der Bevölkerung anhängt, ist sowieso nicht klar“, so die trockene Analyse des Kirchenmannes. Obwohl die Demonstrationen damals relativ friedlich vonstattengegangen seien, hätten diese viele Menschen erschreckt und den „Mainstream-Islam“ an den Rand gedrängt, lässt der Jesuit die Situation nochmals Revue passieren. „Nachdem schließlich Ahok im Gefängnis landete, aus dem er diesen Monat entlassen wird, hat sich dieser Populismus etwas abgeschwächt. Das eigentliche Ziel der politischen Drahtzieher dahinter war gar nicht Ahok, sondern das war unserer jetziger Präsident Joko Widodo, den Islamisten hassen, weil sie meinen, dass er sich nicht genügend für den Islam einsetzt.“

Die große Sorge der gemäßigten Kräfte sei es nun, dass die Hardliner im Vorfeld der Präsidentenwahlen im April versuchen könnten, den gelungenen Coup zu wiederholen, „was ihnen bislang nicht gelungen ist“.

„Es wird ständig hier gesagt, dass Religion keine Rolle im Wahlkampf spielen kann, aber natürlich spielt sie eine Rolle“

„Es wird ständig hier gesagt, dass Religion keine Rolle im Wahlkampf spielen kann, aber natürlich spielt sie eine Rolle. Der Gegenkandidat von Präsident Joko Widodo, der ehemalige Spezialtruppen-General Prabowo Subianto, ist von den Hardliner-Muslimen sozusagen als ihr Kandidat gewählt und aufgestellt worden und die hoffen, wenn er die Wahl gewinnt, in Indonesien starken Einfluss zu gewinnen und das Land zu einem Scharia-Staat zu machen.“

Um muslimische Hardliner zu besänftigen, hatte Joko Widodo den ehemaligen Ankläger von Ahok, Ma'ruf Amin, zu seinem Vizepräsidentschaftskandidat gemacht. Der durch Islamisten unterstützte Prabowo Subianto selbst sei zwar kein intensiv praktizierender Muslim, bemerkt der Indonesien-Kenner Magnis-Suseno, doch man müsse befürchten, dass er sich bei einem Wahlsieg bei seinen Unterstützern aus dem extremen muslimischen Lager erkenntlich zeigen müsse.

„Eine Stellungnahme gegen diese extremistische Politisierung im Vorfeld der Wahlen“

„Also Religion spielt durchaus eine Rolle. In diesem Zusammenhang ist unser Statement, dass Religion eben nicht politisiert werden sollte, und für Toleranz auch als eine Stellungnahme gegen diese extremistische Politisierung im Vorfeld der Wahlen zu sehen.“

Insgesamt habe man in den vergangenen beiden Jahren eine besorgniserregende Zunahme des islamistischen Extremismus in Indonesien beobachten können, berichtet uns Pater Magnis-Suseno. „Unsere Veranstaltung sollte zeigen, dass wir unter uns indonesischen Religionen in grundsätzlichen Werten, aber auch in der Unterstützung des indonesischen Staates, im Sinn seiner Gründung als Staat aller Menschen, einig sind, und dass wir eben nicht bei diesem Populismus mitmachen.“ Nicht nur Katholiken, Muslime, Hindus und Protestanten, sondern auch Vertreter der javaistischen Spiritualität hätten bei der Erstellung des Dokumentes mitgewirkt, betont der Jesuit. Großes Aufsehen habe das gemeinsame Dokument im Land nicht erregt, relativiert der Pater, doch es reihe sich ein in zahlreiche Aktivitäten, die „Anti-Fundamentalisten“ und „ganz normale Indonesier“ immer wieder durchführten, um den Hardlinern im Land die Stirn zu bieten.

Verstärkt internationale islamistische Einflüsse 

„Wir hatten natürlich in Indonesien immer wieder muslimische Radikale. Unter anderem hatten wir in West-Java einen Aufstand, den der Staat erst nach zwölf Jahren unterdrücken konnte und der sich eigentlich gegen den religionsoffenen indonesischen Staat gewandt hatte.“ Später seien dann internationale Einflüsse nach Indonesien gekommen, pakistanische und ägyptische muslimische Hardliner brachten ihr Gedankengut ab den 1970er Jahren verstärkt ins Land, auch durch von Osama bin Laden beeinflusste Rückkehrer aus Afghanistan, berichtet Pater Magnis-Suseno. „Von Saudi-Arabien kommt nicht nur Geld, sondern eben auch ein wahabistischer Einfluss. Der wahabistische Islam ist ein verschlossener, unsympathischer, nicht dialogischer Islam, der hier von vielen Muslimen abgelehnt wird.“

„Eine unterschwellige Koalition gegen den Extremismus“

Seit den 90er Jahren wiederum sei auch die internationale muslimische Organisation Hizb ut-Tahrir aktiv geworden. Die Anhänger der ursprünglich aus dem Heiligen Land kommenden Organisation streben ein weltweites islamisches Kalifat mit den Gesetzen der Scharia an und lehnen den Nationalstaat ab. „Vor eineinhalb Jahren ist sie in Indonesien verboten worden. Sie haben viele Anhänger an Universitäten und oberen Mittelschulen. Seitdem gibt es in Indonesien sozusagen einen ideologischen Kampf zwischen zwei Gruppen. Das sind einerseits die indonesischen Extremisten und andererseits die Mehrheit der Anhänger des ,Mainstream-Islam‘, die in zwei großen Organisationen mit jeweils etwa 30 bis 40 Millionen Anhängern verbunden sind. Und die fühlen sich nun unter Attacke von den islamischen Hardlinern. Die attackieren ja mehr ihre eigenen Leute als etwa Christen. Sie erklären, dass Muslime, die nicht so beten wie sie, Heiden sind, Kafir nennt sich das, und das hat auch dazu geführt, dass es eine unterschwellige Koalition gibt von Vertretern des Mainstream-Islam, Christen und anderen Religionen, die Indonesien freihalten wollen von diesen Extremisten“, erläutert der Pater die Entwicklungen, die ihn und seine Ansprechpartner nicht nur zu einem gemeinsamen Dialog, sondern auch zu der Abfassung des Jakarta-Treaty bewegt hatten.

„De facto kommt es natürlich immer wieder zu irgendwelchen intoleranten Vorfällen“

Besonders hatte das etwa 50-köpfige Team, das sich die Abfassung des Dokumentes zum Ziel gesetzt hatte, um den Begriff der Toleranz gerungen, erläutert der Pater. Denn zwar seien sich alle einig, dass Toleranz gegenüber den anderen Religionen unerlässlich sei – auch der Islam selbst sei, so die Auffassung der muslimischen Vertreter, sei an sich eine tolerante Religion. „De facto kommt es aber natürlich immer wieder zu irgendwelchen intoleranten Vorfällen. Dazu gehört, dass es schwierig ist, eine Kirche zu bauen oder manchmal werden auch Kirchen, die bereits genutzt werden, von lokalen Hardliner-Gruppen wieder geschlossen und dann fragen wir Christen uns natürlich, warum die Polizei da nichts tut. Das sind Fragen, die dann auch besprochen werden und bei denen unsere muslimischen Freunde natürlich auch sagen, dass das so nicht sein sollte. Aber letztlich wissen sie auch nicht genau, was sie dazu sagen sollen…“

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

08. Januar 2019, 09:27