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Bolsonaro bei der Amtseinführung seines neuen Verteidigungsministers am 2. Januar 2019 Bolsonaro bei der Amtseinführung seines neuen Verteidigungsministers am 2. Januar 2019 

Brasilien: Was macht der neue Präsident von seinen Drohungen wahr?

Brasiliens neuer Präsident hat am Dienstag seinen Amtseid abgelegt. Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro hat bereits einschneidende Veränderungen für das Land angekündigt. Indigenenvertreter, Umweltschützer und Menschenrechtler sind besorgt. Was in Brasilien jetzt zu erwarten steht, darüber hat Christine Seuss mit dem Adveniat-Brasilienreferenten Klemens Paffhausen gesprochen.
Hier das Gespräch zum Nachhören

Vatican News: Am Dienstag hat Brasiliens neuer, rechtskonservativer Präsident Jair Bolsonaro sein Amt angetreten. Wie ist die Stimmung in dem Land nach dem Politikwechsel?

Klemens Paffhausen: Ich kenne Brasilien nun schon einige Jahrzehnte und ich muss sagen, dass ich noch nie eine solche aggressive Stimmung kennengelernt habe, wie sie sich vor, während und auch jetzt nach dem Wahlkampf zwigt. Es stehen sich quasi zwei unversöhnliche Lager gegenüber, die sich wirklich sehr bekämpfen und man wird gespannt sein müssen, was so die ersten Schritte des Präsidenten sind und was er von seinen Drohungen wahrmachen will.

Vatican News: Ja, er hat ja auch während und nach dem Wahlkampf sehr markige Ankündigungen gemacht. Was sagen uns denn die ersten konkreten Entscheidungen, die Bolsonaro als Präsident getroffen hat?

„Er will eher Partei für die Agrarlobby ergreifen“

Klemens Paffhausen: Sicherlich mit eine der weitreichendsten Entscheidungen ist die Tatsache, dass er die staatliche Indigenenbehörde FUNAI quasi dem Familienministerium zugeordnet und damit aus dem Justizministerium herausgelöst hat. Das ist als erste Umsetzung seiner Ankündigungen zu verstehen, dass er den Indigenen keinen Quadratmeter Land mehr zugestehen und eher die Partei für die Agrarlobby ergreifen will.

Vatican News: Indigenenvertreter und darunter der Indigenenrat CIMI sind sehr alarmiert über die ersten Ankündigungen und Taten des neuen Präsidenten. Unter anderem fürchten sie mehr Gewalt gegen Indigene. Inwieweit sind diese Sorgen denn gerechtfertigt?

„Keine positiven Aussichten für Indigene zu erwarten“

Klemens Paffhausen: Wenn man sich das politische Umfeld von Bolsonaro ansieht – er hat sich mit Generälen und Militärs umgeben – wird man befürchten müssen, dass gerade im Amazonasgebiet, in dem die meisten Indigenen ihren Lebensraum haben, noch Infrastrukturen aus der Militärzeit umgesetzt werden sollen. In den Augen der Militärs war gerade das Amazonasgebiet zunächst einmal für die Grenzsicherung vordringliches Operationsgebiet, aber man wollte diesen Raum auch mit Wasserkraftwerken, Straßen und großen landwirtschaftlichen Projekten erschließen. Also insofern sind für die Indigenen keine positiven Aussichten zu erwarten und natürlich, wenn es darum geht, dass um die Territorien gekämpft werden muss, dann ist es auch zu erwarten, dass es auch zu gewalttätigen Übergriffen kommt.

Vatican News: In der Tat wird ja auch darauf aufmerksam gemacht, dass es bereits zu einem Anstieg der gewalttätigen Übergriffe auf Indigene gekommen ist und auch vermehrt Todesopfer unter den Indigenen zu beklagen sind. Was ist denn daran an diesen konkreten Anschuldigungen und Befürchtungen?

Klemens Paffhausen: Ja, man muss schon sagen, das ist letzten Endes der Kampf um das Land und um Rechte, die sich die Indigene unter anderem mit der Unterstützung des eben genannten CIMI, also mit Unterstützung der Kirche, erkämpft haben, nämlich dass sie als traditionelle Ureinwohner Brasiliens auch rechtlich anerkannt werden. Da gibt es immer wieder, auch schon zu Zeiten der vorherigen Regierung, Übergriffe von Großgrundbesitzern. Im Kern geht es darum, dass viele den Indigenen die Rechte wieder wegnehmen wollen, die sie sich über Jahrzehnte erkämpft haben.

„Auch Bolsonaro steht vor dem Problem, Mehrheiten im Parlament zusammen zu bekommen“

Vatican News: Eine andere Ankündigung, die Bolsonaro immer wieder gemacht hat, ist ja, dass er die Korruption in der Politik bekämpfen will. Was müssen wir uns denn in dieser Hinsicht für die kommenden Monate erwarten?

Klemens Paffhausen: Ich denke, da müssen wir einmal sehen, ob es nur bei Ankündigungen bleibt. Letztlich steht die jetzige Regierung vor genau dem gleichen Problem, vor dem schon Lula gestanden hat, es geht um eine Mehrheitsbeschaffung im Parlament. Seine eigene Partei hat gerade mal um die zehn Prozent, und da wird man sehen müssen, wie man sich bei Abstimmungen Mehrheiten verschaffen kann. Ich befürchte mal, dass das nicht ohne Korruption oder Vetternwirtschaft abgehen wird. Und wir müssen dann insgesamt ein wenig mit Abstand auch bewerten, was in den letzten Jahren auch noch zu Zeiten unter Dilma und danach geschehen ist. Da gab es ja durchaus positive Anzeichen, was Aufdeckung und Verfolgung von Korruption angeht. Nicht zuletzt sind im Fall Odebrecht doch erhebliche Anklagen erhoben worden, es sind Gouverneure in Untersuchungshaft gekommen… So dass man nun sehen muss, ob das fortgeführt wird oder, was zu befürchten ist, zu einem neuen Klientelismus führen wird.

„Gewalt in Großstädten wohl ganz oben auf der Agenda“

Vatican News: Was sind denn die Hauptschwerpunkte, die wir uns von einem Regierungsprogramm für die kommenden Monate erwarten können?

Klemens Paffhausen: Im Moment gibt es vor allem großspurige Ankündigungen und man kommt nicht umhin, dahinter das Vorbild Donald Trumps zu sehen. Man wird also annehmen können, dass er zunächst versucht, so wuchtig und unorthodox zu agieren, wie er das aus den Vereinigten Staaten von Amerika jetzt gewohnt ist. Auf dieser Welle ist er auch letzten Ende gewählt worden. Wir als Hilfswerk mit guten Kontakten zu Partnerorganisationen in Brasilien gehen einmal davon aus, dass das Thema Gewalt in Großstädten, insbesondere wenn es um die Favelas geht, eine große Rolle spielen wird. Hier gab es ja beispielsweise schon in Rio Maßnahmen, dass das Militär zur Unterstützung der Polizei gerufen worden ist, und es ist davon auszugehen, dass Bolsonaro als Freund des Militärs hier auch weitere Akzente setzt. Nicht zuletzt geht es tatsächlich darum, der Gewalt in den Großstädten, in den Elendsvierteln, in denen sich Gangs um die Vorherrschaft bekämpfen, etwas entgegenzusetzen. Und es ist zu befürchten, dass Bolsonaro das mit aller Wucht und Brutalität angehen will, um sich so vielleicht Vorteile in der Gunst seiner Wähler erhofft.

(vatican news)

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03. Januar 2019, 16:03