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Pakistan: „Es wird sicher keinen schnellen Freispruch geben“

Erneut sind in Pakistan zwei Christen aufgrund des Blasphemiegesetzes zum Tode verurteilt worden. Wir haben mit Michaela Koller darüber gesprochen. Sie ist Referentin für Religionsfreiheit der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.

Christine Seuss und Mario Galgano – Vatikanstadt

Vatican News: Frau Koller, was genau ist der Hintergrund dieser jüngsten Verurteilung in Pakistan?

Koller: Bei diesem Fall, bei dem internationale Medien jetzt berichten, handelt es sich um die Brüder Ajub aus der Gegend um Lahore im Bundesstaat Punjab. Der eine Bruder ist 44 Jahre alt, arbeitete als Lehrer für Computerwissenschaft bis zu seiner Festnahme. Er gehört der Mittelschicht an. Die Gebrüder betrieben eine gemeinsame Internetseite, auf der der islamische Prophet Mohammed beleidigt worden sein soll.

Im Juni 2011 wurde gegen diese Internetseite Anzeige erstattet. Drei Jahre später – im November 2014 – wurden beide Brüder verhaftet, nachdem der eine Bruder einige Zeit untergetaucht war. Sie gehören zu einer Handvoll Christen, denen in Pakistan aufgrund des Paragrafen 295c die Todesstrafe droht. Diesem Paragrafen nach wird die Beleidigung des islamischen Propheten geahndet. Vieles spricht dafür, dass sie Opfer einer Intrige geworden sind. Der eine Bruder erhielt schon vor der Anzeige Morddrohungen nach einem Streit. Der Verteidigung zufolge haben sie die strittige Internetseite bereits seit 2009 nicht mehr geführt.

Zum Nachhören

Vatican News: Im Fall der Christin Asia Bibi hat sich der Rechtsstreit um ihre Freilassung um Jahre hingezogen, obwohl sie starke internationale Unterstützung hatte. Was müssen wir uns in diesem Fall erwarten?

Koller: Wenn die beiden christlichen Brüder erhängt würden, wäre das die erste Hinrichtung auf der Grundlage des Blasphemiegesetzes in Pakistan. Da Politiker aus aller Welt im Zusammenhang mit dem Fall Asia Bibi sehr deutliche Warnungen hinsichtlich der Investitionen aus dem Ausland in Pakistan sowie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ausgesprochen haben, gehen wir davon aus, dass die höchsten pakistanischen Richter sehr vorsichtig sein werden. Die Blasphemiegesetze sind – das muss man schlussfolgern – so politisch, dass sie auch das Prinzip der Unabhängigkeit der Gerichte ad absurdum führen. In diesem Fall ist wieder eine jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung zu erwarten. Es wird sicher keinen schnellen Freispruch geben.

Vatican News: Eine Hilfsorganisation, die den verurteilten Brüdern beisteht, hat ihre Sorge ausgedrückt, dass niedere Gerichte aus Angst vor Repressalien schwierige Entscheidungen an die höherrangigen Instanzen „weiterreichen“. Das scheint auch in diesem Fall passiert zu sein. Gibt es hier so etwas wie ein Muster?

Koller: Da schon hochrangige Politiker, mutige Anwälte, von rachsüchtigen Fanatikern ermordet und Richter bedroht wurden, wird jeder Blasphemiefall vor Gericht unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen verhandelt. Nicht jeder Richter ist mutig.

Vatican News: Was kann die internationale Gemeinschaft tun, damit derartige Fälle nicht mehr passieren?

Koller: Der einzige Ausweg besteht in einzelnen Fällen darin, die Angeklagten möglichst schnell auf Kaution frei zu bekommen und sie an einem sicheren Ort abtauchen zu lassen. Das soll geschehen, bevor ihre Geschichte um die Welt die Runde macht. Es gibt Rechtshilfeorganisationen in Pakistan, die sich solcher Fälle annehmen und Spenden sammeln für die Verteidigung sowie Unterbringung der Opfer dieser drakonischen Gesetze. Solche Organisationen unterstützt die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte und andere Organisationen von Europa aus.

(vatican news)

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16. Dezember 2018, 14:43