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Heiliges Land: Christen brauchen Vertrauen und Anerkennung

Die Zahl der Christen im Nahen Osten nimmt weiterhin ständig ab. Das stellt der für Syrien, Libanon und Jordanien zuständige Franziskanerpater Rachid Mistrih von der Kustodie des Heiligen Landes fest. Auch die ehemalige irakische Ministerin und Christin Pascale Warda pflichtet ihm bei. Beide trafen sich in Rom bei einer hochkarätig besetzten Konferenz zum Thema.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Man solle bitteschön nicht mehr von Christen als Minderheit sprechen, sondern sie als Syrer, Libanesen oder Jordanien bezeichnen. Ansonsten würde die einzige Betonung auf ihre Zahl den Blick auf den falschen Punkt lenken. Das betonte Franziskanerpater Mistrih beim Forum „Die Zukunft der religiösen Minderheiten im Nahen Osten“. Bei dem Treffen am Dienstagnachmittag, das die italienische Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom ausgerichtet hatte, sprach Mistrih über die gegenwärtigen Herausforderungen der Christen.

Zum Nachhören

„Heute leben im gesamten Nahen Osten, inklusive Türkei und Zypern, rund 14,5 Millionen Christen. Wenn Sie es genau wissen wollen: es sind 14.525.880 Christen. Nun muss man aber bedenken, dass es insgesamt in allen Ländern des Heiligen Landes 258 Millionen Bewohner gibt. Wenn man also von diesen Zahlen ausgeht, dann muss man sagen, dass der Exodus der Christen aus dem Nahen Osten viele Gründe hat.“

Man müsse also aufpassen, wenn man über die Auswanderung der Christen aus dem Heiligen Land spreche, so der Franziskaner von der Kustodie des Heiligen Landes. Der islamistische Terrorismus und die daraus folgende Christenverfolgung allein seien nicht die einzigen Gründe.

„Da sind nicht nur Kriege, sondern auch die Tatsache, dass Christen immer weniger Kinder haben. Jede christliches Ehepaar hat vielleicht ein oder maximal zwei Kinder. Hinzu kommt noch die schwierige politische und vor allem wirtschaftliche Lage in jenen Ländern. Aber sicherlich sind die Kriege im Nahen Osten der ausschlaggebende Grund für die Auswanderung und in einigen Gebieten auch die gezielte Verfolgung. Alles in allem sieht es fast so aus, als ob jemand bewusst wolle, dass die Christen dieses gesamte Gebiet verlassen sollten.“

Schon immer Teil dieser Region gewesen

Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Christen historisch betrachtet schon immer ein Teil dieser Region waren, so Pater Mistrih. Ohne Christen gäbe es viele kulturelle Errungenschaften oder Bildungseinrichtungen im Nahen Osten nicht.

„Ich glaube, es die Zeit gekommen, dass wir den Christen im Nahen Osten ihre richtige Bezeichnung geben sollten: Sie sind nicht einfach eine Minderheit, nein, sie sind Syrer, Libanesen oder Iraker. Wir müssen daran arbeiten, dass ihre Identität als Teil des jeweiligen Landes klar hervorgehoben wird. Ihre Herkunftsländer sollten wir nicht einfach als ,Transitländer´ betrachten, in denen Christen nur toleriert werden. Wir müssen also konkrete Resultate suchen und mit jenen Menschen zusammenarbeiten, die guten Willens sind.“

Die frühere irakische Ministerin Pascale Warda, die 2005 für Flüchtlinge und Einwanderung zuständig war, betonte, dass die Christen im Irak vor allem eins wünschten: Vertrauen in die staatlichen Einrichtungen und insbesondere in die Sicherheitsbehörden.

„Die Frage ist, wie können wir den Menschen helfen, deren Familien schon seit Generationen in jener Region leben. Nichtregierungsorganisationen gehen in Ordnung, aber sie alleine reichen nicht. Als ich Ministerin war, haben wir versucht, diesen Menschen so gut wie möglich beizustehen. Zusammen mit anderen uns freundlich gesinnten Staaten haben wir ihnen materiell geholfen, damit sie im Irak bleiben.“

Europa und auch Nordamerika hätten in den vergangenen Jahren sehr viel im Irak unternommen und geholfen, würdigt Warda. Man dürfe diese Unterstützung nicht vergessen und solle diese auch entsprechend anerkennen.

„Die Rückkehr der Christen in den Irak ist aber noch im Werdegang. Das geht zwar voran, aber sehr langsam, vor allem in der Ninive-Ebene und in der Region von Mossul. Die Menschen haben immer noch Angst und wenig Vertrauen in die staatlichen Institutionen, die sie ja zuvor im Stich gelassen haben.“

Vertrauensbildung durch Infrastrukturbauten

Die staatlichen Behörden würden zwar daran arbeiten, indem beispielsweise Infrastrukturen wie Straßen gebaut würden. Doch dies allein reiche nicht aus.

„Sie brauchen Vertrauen, dass sie sicher leben können. Das ist ein großes Dilemma im Irak, denn wir haben so viele verschiedene Sicherheitsbehörden. Da gibt es einerseits die Polizei, dann die Armee und andere Sicherheitsgruppen. Man weiß nicht, wer bewaffnet ist. Wir müssen also unser Sicherheitskonzept neu überdenken. Als ich vor Kurzem in der Ninive-Ebene war, hatten die Christen dort nur auf die kurdische Peshmerga-Soldaten vertrauen, aber das sind ja nicht irakische staatliche Sicherheitskräfte.“

Fakt sei, dass Christen im Irak einen hohen Preis gezahlt hätten und immer noch zahlten, obwohl sie weder etwas verbrochen hätten noch sich gegen andere Religionsgemeinschaften oder den Staat gewandt hätten. Man müsse also Vertrauen in die Christen haben, so Warda, die selber eine irakische Christin ist.

(vatican news)

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12. Dezember 2018, 11:14