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Jerusalem: „Anerkennung als Hauptstadt Israels hatte positive Folgen"

Die offizielle Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA und in der Folge durch weitere Staaten hat inzwischen positive Folgen für die Friedensgespräche zwischen Israel und Palästina. Das sagte im Gespräch mit Vatican News der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Markus Bugnyar.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Der Eisenstädter Diözesanpriester, ein aufmerksamer Beobachter der Entwicklungen im Heiligen Land, hält sich derzeit in Rom zu einer Tagung über interreligiösen Dialog auf. In unserem Interview betonte er, durch die schon seit vielen Jahren geplante Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels seien nun neue, innovative Lösungen für den Nahostkonflikt und insbesondere für den Status Palästinas aufgekommen. Im Gespräch sei etwa ein Palästina ohne fix definierte Grenzen, aber als Völkerrechtssubjekt nach dem Vorbild des Malteserordens.

„Vor Ort bedeutet das, dass man an einem ohnehin schon amerikanischen Gebäude, einer Konsularabteilung in Jerusalem, ein neues Türschild angebracht hat“

„Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt des Staates Israel ist ein symbolischer Akt. Vor Ort bedeutet das de facto nichts anderes, als dass man an einem ohnehin schon amerikanischen Gebäude, einer Konsularabteilung in Jerusalem, ein neues Türschild angebracht hat und das jetzt Botschaft nennt. Viele Israelis sind Präsident Trump dankbar dafür gewesen, diesen Schritt gesetzt zu haben, den seine Vorgänger ja sehr regelmäßig hinausgeschoben haben.“

Hier zum Hören:

Auf palästinensischer Seite gebe es unterschiedliche Reaktionen auf die symbolische Botschaftsverlegung, so Bugnyar. Einerseits wütende Proteste und gewalttätige Aktionen, „und eine andere Gruppe, die auf diese Entscheidung Trumps einen gewissen Vorteil sieht, denn durch einen solchen massiven symbolträchtigen Schritt ist wieder Bewegung in die bilateralen Friedensgespräche gekommen, während viele vorher den Eindruck hatten, wir sind in einer Sackgasse gelandet. Die Reaktionen sind auf beiden Seiten schnell abgeebbt und waren in meiner Wahrnehmung ritualisiert: Es passiert etwas, man reagiert, man macht eine Demonstration. Das waren Reaktionsmuster, die wir in Jerusalem öfter erleben, die wiederspiegeln, was andere außerhalb des Landes wahrnehmen, dass das jetzt eine große Katastrophe wäre. Als große Katastrophe hat das niemand bei uns vor Ort in Jerusalem wahrgenommen.“

„Aber Trumps Rede hat neuen Wind in die Gespräche gebracht. Der gefällt nicht jedem, weil es heikel ist, das Pferd von hinten aufzuzäumen“

Überraschend ist aber doch von außen betrachtet, dass dieser Schritt dem Friedensprozess wieder Auftrieb gibt?

„Das ist eine Beobachtung, die mich am Anfang selber überrascht hat, ich habe sie aus Gesprächen mit Palästinensern in Jerusalem und in der Westbank. Das ist etwas, das einen neuen Impuls setzen kann. Die Rede, mit der Präsident Trump diese Entscheidung angekündigt hat, war wesentlich differenzierter, als sie für gewöhnlich wahrgenommen wird. Präsident Trump hat Jerusalem anerkannt, aber zweimal betont, dass er damit noch nichts über die Grenzen dieses Jerusalems aussagen möchte, das dann als Hauptstadt Israels in Zukunft auch vorhanden sein soll. Er hat Freiräume gelassen, die es immer noch ermöglichen, dass auch Palästinenser ihre Hauptstadt Jerusalem haben – da wird man Grenzen setzen müsse, Ost und West, wie wir es klassisch schon kennen, man wird definieren müssen, wie das aussehen kann. Aber diese Rede hat neuen Wind in die Gespräche gebracht. Der gefällt nicht jedem, weil es heikel ist, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Auch das hat [Trump] gesagt: greifen wir Themen auf, die bisher auf die lange Bank geschoben worden sind, vielleicht kommen wir so schneller voran. Das ist ein Aspekt, den Menschen auf beiden Seiten vor Ort durchaus wahrgenommen haben, auch wenn er nicht jedem behagt, weil manche das Gefühl haben, hier werden bereits Vorentscheidungen getroffen. Ich bin der Meinung: Was an Vorentscheidungen durch Trump für die Menschen vor Ort mitgetroffen wurde, ist so groß nicht wie man möglicherweise meinen könnte.“

„Die Zweistaatenlösung, wie sie einmal vorgesehen war, wird sich nicht umsetzen lassen. Welche Alternativen haben wir?“

Der US-Präsident will in den nächsten Monaten überdies seinen Nahost-Friedensplan präsentieren. Die Zweistaatenlösung sei der Ansatz, der „am besten funktioniert", sagte Trump. Beobachter zeigten sich überrascht, da die Zweistaatenlösung sich mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA ihrer Ansicht nach nicht verträgt. Bugnyar gibt im Interview zu bedenken, die offiziellen israelischen Vertreter seien wohl „kaum überrascht gewesen", da die Zweistaatenlösung regelmäßig auch von der EU und dem Heiligem Stuhl als Lösung für den Konflikt präsentiert werde. Im Heiligen Land selbst stehe die Zweistaatenlösung schon länger „nicht mehr auf einer politischen Agenda. Selbst die Oppositionsparteien sprechen nicht einmal im Wahlkampf von einer Zweistaatenlösung.“

Der Grund: Niemand habe bis jetzt einen „lebensfähigen Vorschlag“ auf den Tisch gelegt, wie und in welchen Grenzen Palästina definiert sein sollte. „In Israel und Palästina ist man möglicherweise schon einen Schritt näher und sagt, die Zweistaatenlösung, wie sie einmal vorgesehen war, wird sich nicht umsetzen lassen. Welche Alternativen haben wir? Und da gibt es Gruppen, die sagen, man könnte einen Landtausch und Bevölkerungsvereinigungen mit Jordanien anstreben. Andere denken an Gebiete von Autonomie, wie sie teils jetzt schon aufgrund der Oslo-Verträge existieren, aber noch ausbaufähig sind. Möglicherweise wird man sich überlegen müssen wegzukommen von der klassischen Staatsdefinition, die Grenzen vorsieht, möglicherweise könnten wir auch bei etwas landen wie einem Völkerrechtssubjekt nach dem Vorbild vielleicht des Malteserordens, dass man sagt, man hat ein Völkerrechtssubjekt, Palästina, wenn man auch keine wirklichen Grenzen für ein Landesgebiet definieren kann. Unterschiedliche Formen der Autonomie, Völkerrechtssubjekte: solche Themen trifft man in Gesprächen mit Menschen vor Ort, Diplomaten, Geschäftsleuten, Politiker, immer wieder an.“ 

 

April 2019: Das österreichische Hospiz vergrößert sich

 

Und noch eine erfreuliche Nachricht für das österreichische Hospiz in Jerusalem brachte der Rektor nach Rom mit: nach zwei Jahren Bauarbeiten kann 2019 das neue Gebäude eingeweiht werden, das für eine gute Auslastung der Institution sorgen soll. Die feierliche Eröffnung durch Kardinal Christoph Schönborn von Wien ist für 25. April in der Woche nach Ostern vorgesehen.

 

(Vatican News – gs)

 

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28. September 2018, 16:49