Bischofstreffen in Posen Bischofstreffen in Posen 

Bischöfe aus ganz Europa sprachen über Missbrauch

Offiziell ging es um das Thema Solidarität in Europa. Doch auf den Fluren, im Plenum, beim Essen - immer wieder drehten sich die Gespräche und Debatten auch um Missbrauch. Das Thema hat ein Treffen von Bischöfen aus ganz Europa geprägt, das in diesen Tagen im polnischen Posen stattfand.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Das Schluss-Statement des Treffens stellt sich ohne Wenn und Aber hinter den Papst und dankt ihm für sein Engagement gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche. Erzbischof Charles Scicluna aus Malta, der lange an der vatikanischen Glaubenskongregation mit dem Dossier Missbrauch zu tun hatte, sagt:

„Dass Papst Franziskus die Initiative ergreift und alle Vorsitzenden von Bischofskonferenzen im Februar nach Rom einlädt, um mit ihnen über die Prävention von sexuellem Missbrauch zu sprechen, ist ein sehr starkes Zeichen für die Verteidigung der Würde und des Schutzes von Minderjährigen in der Kirche. Diese Einladung sagt in wenigen Worten etwas Grundlegendes: dass nämlich die Prävention von Missbrauchsfällen und der Kinderschutz die ganze Kirche und alle in der Kirche etwas angehen!“

Zum Nachhören

Alle müssen mitmachen

Das ist kein Eingeständnis der Bischöfe, dass sie es allein nicht (mehr) hinkriegen. Vielmehr steckt dahinter ein Kirchenbild, das der Papst unlängst in seinem Brief an das ganze Volk Gottes zum Thema Missbrauch skizziert hat: Wo ein Glied leide, da litten alle Glieder mit, mit diesem Paulus-Zitat brachte es Franziskus auf den Punkt.

Scicluna kann sich nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass die Kirchenspitze nicht erst jetzt aufgewacht ist, was das heikle Missbrauchs-Thema betrifft.

„Schon 2011 hat die Glaubenskongregation an alle Bischofskonferenzen der Welt einen Rundbrief geschrieben. Darin wird erklärt, wie auf die Fälle von sexuellem Missbrauch reagiert werden muss. Und schon damals wurde angeordnet, dass alle Bischofskonferenzen ein Regelwerk für den Umgang mit solchen Fällen erstellen sollten. Ein großer Teil der Bischofskonferenzen ist darauf eingegangen, und diese Regelwerke wurden von der Glaubenskongregation approbiert.“

 

Schon Johannes Paul II. forderte psychologisches Screening für Seminaristen

Aber Papier alleine reicht eben nicht, das ist Scicluna wichtig: „Man muss die ganze Gemeinschaft sensibilisieren, denn dieses traurige Phänomen kann nicht nur von der Hierarchie gelöst werden. Dazu müssen alle beitragen! Schon 2011 stand in dem Rundbrief aus dem Vatikan, dass die Kandidaten fürs Priesteramt eine menschliche Reifung haben müssen; das hat übrigens auch schon Johannes Paul II. 1992 in Pastores Dabo Vobis gefordert. Er sprach damals ausdrücklich von einem „psychologischen Screening“ der Kandidaten und einer Bewertung, ob sie in affektiver Hinsicht reife Persönlichkeit sind.“

Der Erzbischof der irischen Hauptstadt Dublin, Diarmuid Martin, hatte Ende August den Papst zu Gast. Ausgerechnet in das katholische Welttreffen der Familien platzte der Brief des früheren Nuntius Viganò, der dem Papst schwere Vorwürfe macht, was den Umgang mit Missbrauchsfällen betrifft. Martin ist jetzt noch ziemlich beeindruckt davon, wie Franziskus zuerst ernsthaft mit Missbrauchsopfern in Dublin sprach – und dann auf dem Fest der Familien auftrat.

„Wir sollten nicht so tun, als wäre das irgendwann vorbei“

„Aus meiner Sicht hat der Papst etwas Wichtiges gezeigt: Dass wir nämlich als Kirche nicht versuchen sollten, das Missbrauchs-Thema hinter uns zu bekommen. Als ob das etwas wäre, das irgendwann mal vorbei ist, oder wogegen wir uns verteidigen müssten. Wir sollten eher in der Lage sein, das als tatsächlichen Teil unserer Geschichte mit in die Zukunft zu nehmen, während wir gleichzeitig die Freude des Evangeliums bezeugen.“

Der kanadische Kurienkardinal Marc Ouellet sprach in Posen davon, die Kirche müsse künftig besser auf die Überlebenden von Missbrauch hören. Zu immer neuen Skandalen im Lauf der Jahrzehnte wäre es vielleicht nicht gekommen, wenn man die Opfer von Anfang an ernst genommen hätte.

 

Wir brauchen die Stimme der Betroffenen

„Die Betroffenen sollten ihren Standpunkt in aller Freiheit klar ausdrücken können. Wir brauchen diese Stimme, damit die Probleme angegangen werden. Die Bischöfe sollten Menschen, die gelitten haben, nicht nur anhören, wenn sie ihnen mal begegnen, sondern sie aktiv einladen, denn wenn diese Menschen über das ihnen Widerfahrene nicht reden können, kann das ihr Leben zerstören.“

„Wir müssen von den Worten zur Tat übergehen“, sagt Erzbischof Scicluna. „Die Leute müssen sehen, dass wir nicht nur schöne Worte und Versprechungen machen, sondern wirklich Verantwortung übernehmen – zusammen mit allen in der Kirche.“

„Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel gelernt“

„Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel gelernt über die Leiden und die Folgen von sexuellem Missbrauch, vor allem wenn Kleriker die Täter waren“, beteuert Kardinal Ouellet. „Die angerichteten Schäden sind enorm, darum ist viel Reparation und Versöhnungsarbeit zu leisten. Dabei gibt es eine psychologische, aber auch eine geistliche Dimension – und eine Dimension des Versöhnens.“

(vatican news)
 

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17. September 2018, 12:02