Suche

Ein zögerlicher Neuanfang im zerstörten Westteil von Mossul Ein zögerlicher Neuanfang im zerstörten Westteil von Mossul 

Care zu Situation in Mossul: Es lauern immer noch große Gefahren

Ein Jahr nach der Befreiung der Stadt kommen immer mehr Menschen nach Mossul zurück, der Stadt, die bis zur dreijährigen Besetzung durch den Islamischen Staat die zweitgrößte Stadt im Irak war. Insbesondere Christen mussten unter der Schreckensherrschaft der Fanatiker fliehen. Ninja Taprogge vom Hilfswerk CARE war in diesen Tagen in Mossul, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Vatican News hat mit ihr gesprochen.
Hier zum Nachhören

Vatican News: Sie sind gerade in Mossul angekommen, der Stadt, die vor einem Jahr aus den Händen des IS befreit worden ist. Was für eine Situation haben sie denn dort vorgefunden?

Taprogge: Mossul ist die zweitgrößte Stadt des Iraks und die Kämpfe fanden vor allem in der Altstadt von Westmossul statt. Als wir dort mit dem Auto eingefahren sind, haben wir unzählige Häuser mit Einschusslöchern gesehen. Dächer waren komplett eingestürzt. Es liegt wirklich überall Schutt und Asche, Menschen haben versucht, mit ihren bloßen Händen die Steine wegzuräumen. Wir haben Bagger an den Straßenrändern gesehen, aber es lauern an allen Ecken Gefahren durch Blindgänger und deshalb können die Menschen nur sehr vorsichtig vorgehen, um in ihre Häuser zurückzukehren.

Vatican News: Sind die Einwohner mittlerweile zurückgekehrt? Und wie bestreiten sie ihr Leben in einer derart zerstörten Stadt?

Taprogge: Laut den Vereinten Nationen sind hunderttausende Menschen nach Westmossul zurückgekehrt. Aber da muss man ganz klar unterscheiden, zwischen dem Teil der Stadt, der noch einigermaßen seht und der Altstadt von Westmossul, die komplett zerstört ist. Ich habe da gestern in den Straßen mit einem jungen Mann gesprochen, der mir erzählte, dass nur zehn Prozent der Menschen aus seiner direkten Nachbarschaft zurückgekehrt sind. Wir standen an einer Straße, wo kein Stein mehr auf dem anderen lag. Viele Menschen haben nichts, in das sie zurückkehren können. Trotzdem haben wir vereinzelt Kinder auf der Straße gesehen, wir haben kleine Geschäfte auf der Straße gesehen, wo Lebensmittel gekauft werden können. Aber es wurde mir auch erzählt, dass die Wasserversorgung ein großes Problem ist und dass es kaum Strom in der Stadt gibt.

„Es wird noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis Teile der Stadt wieder sicher zu betreten sind“

 

Vatican News: Was muss unternommen werden, um die Stadt wieder aufzubauen, in sozialer, wirtschaftlicher und struktureller Hinsicht?

Taprogge: In der Altstadt von Westmossul sind Blindgänger eine große Gefahr. Familien können in einige der Gebiete nicht zurückkehren, weil die Gefahr durch Blindgänger zu groß ist. Auch Hilfsorganisationen wie CARE können dort aktuell nicht operieren. Wenn man Experten fragt, sagen die, dass es noch mehr als ein Jahrzehnt dauern wird, bis Teile der Stadt wieder sicher zu betreten sind. Es braucht dringend eine funktionierende Wasserversorgung und den Wiederaufbau der Stromleitungen. Ich habe Menschen auf der Straße getroffen, die dringend nach Jobs suchen, damit sie ein Einkommen haben und versuchen können, ihre Häuser wiederaufzubauen. Wir dürfen diese Menschen nicht im Stich lassen. Es ist sehr wichtig, dass wir den Wiederaufbau als internationale Gemeinschaft unterstützen.

Vatican News: Was für eine Rolle nimmt Care dabei ein?

Taprogge: CARE unterstützt in Westmossul eine Klinik. Dort haben wir in den letzten Monaten dafür gesorgt, dass medizinische Geräte vorhanden sind, um zum Beispiel Bluttests zu machen, um Infektionen zu erkennen. Wir bilden junge Männer und Frauen in der Hygieneaufklärung aus, damit diese in ihre Gemeinde gehen können und dafür sorgen, dass sich keine ansteckenden Krankheiten verbreiten.

„Christen haben Angst, zurückzukehren“

 

Vatican News: Insbesondere Christen, die vorher einen ansehnlichen Teil der Bevölkerung der zweitgrößten Stadt des Irak darstellten, mussten unter dem Schreckensregime des IS die Stadt verlassen. Kann man einschätzen, inwiefern die Christen mittlerweile wieder zurückkommen? Oder hat sich die Atmosphäre insgesamt so sehr zum Schlechteren gewandelt, dass sie lieber im Exil bleiben?

Taprogge: Es gibt Menschen, die zurückkehren. Vor zwei Tagen haben wir aber in der Nähe von Dohuk mit Familien gesprochen, die dort in einem Camp untergebracht sind. Sie haben Angst, zurückzukehren. Sie haben ihre Häuser verloren, sie wissen nicht, wie es in den nächsten Monaten weitergehen soll. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die internationale Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf den Wiederaufbau in Mossul richtet - auch die humanitäre Hilfe in den Camps muss weiterhin geleistet werden.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

16. August 2018, 11:29