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Buchtipp: Blauer Hibiskus

„Bei uns zu Hause begann alles in die Brüche zu gehen, als mein Bruder Jaja nicht bei der Kommunion war und mein Vater sein schweres Messbuch durch das Zimmer schleuderte und die Keramikfiguren auf der Étagère zerbrach.“

Mit diesem ersten Satz ihres Erstlingswerkes Blauer Hibiskus wirft die international erfolgreiche nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie die Leser direkt hinein ins Drama der Familie Achike.

Der Roman, der 2004 auf der Longlist des Booker Prize stand, handelt von der Auflösung einer wohlhabenden Familie im christlichen Süden Nigerias.  Sowohl die Erzählerin Kambili als auch ihr Bruder Jaja und die Mutter Beatrice leiden unter den körperlichen und seelischen Misshandlungen durch den tyrannischen Familienvater Eugene, die für Beatrice schließlich zu einer Fehlgeburt führen. Besonders perfide ist, dass Eugene Achike seine Familie durch eine religiös imprägnierte Argumentationsstruktur in eine Position der Schuld und Abhängigkeit drängt.

Das ganze Dorf respektiert Eugene als einen ergebenen Laienbruder, der bei der Kommunion am längsten kniet, am meisten für die Renovierung der Kirche spendet und allen bereitwillig Rat gibt. Amnesty World hat ihm für seine Arbeit als Chefredakteur einer Zeitung sogar einen Menschenrechtspreis verliehen. Kambili platzt vor Stolz, wenn der Priester in der Kirche die Großtaten ihres Vaters lobt. Dieser erwartet aber auch, dass seine Familie den von ihm willkürlich aufgestellten religiösen Regeln und all seinen Launen aufs Wort Folge leistet.

Der Roman folgt Kambilis Weg in die Eigenständigkeit und ihrer Suche nach einer Möglichkeit, ihren Glauben ebenso wie ihre alltäglichen Lebensentscheidungen von der problematischen familiären Situation zu lösen.

Nigerianische Spiritualität und missionarische Regeln

Immer wieder tauchen Konflikte zwischen der afrikanischen Ausübung von Glauben und Spiritualität und den Regeln der europäischen Missionare auf. So entscheidet zum Beispiel der englische Pater Benedict, den die Kinder nur den „neuen Priester“ nennen, weil er mit seiner weißen Haut „einfach immer noch aussah wie neu“, dass Credo und Kyrie nur auf Latein gehalten werden dürfen, auf keinen Fall aber in der lokalen Sprache Igbo.

Adichie, deren Romane Americanah und Die Hälfte der Sonne auch in Europa und den USA Bestseller sind, wird von Kritikern oft als die neue literarische Stimme Nigerias in der Welt gefeiert, die in die Fußstapfen des berühmten Chinua Achebe trete. Ihr Werk lässt zahlreiche Nuancen von Identitätsfragmentierung im modernen Nigeria und in der Diaspora aufleuchten, immer mit einem feministischen Anstrich. In ihrem TED-Talk „The Danger of a Single Story“ erklärt sie, wie gefährlich es für Politik, Kultur und öffentliches Bewusstsein ist, wenn nur die Stimmen von Menschen in Machtpositionen gehört werden, während andere Stimmen ungehört verhallen.

Chimamanda Ngozi Adichie: Blauer Hibiskus. Erschienen im Luchterhand Literaturverlag, München 2005. Originaltitel: Purple Hibiscus (2004)

(vatican news – jm)

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08. August 2018, 15:05