Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel 

Die orthodoxe Welt fürchtet ein Schisma

Viele orthodoxe Gläubige in aller Welt fürchten ein Schisma ihrer Weltgemeinschaft. Dabei geht es um die Autokephalie, die Eigenständigkeit der ukrainischen Kirche. Der Orthodoxe Patriarch von Konstantinopel muss darüber befinden – Russland ist dagegen.

Bei Bartholomaios I. von Konstantinopel ist der Antrag der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats auf Unabhängigkeit eingegangen. Geht das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie darauf ein, könnte das nach einer Analyse des deutschen Internet-Auftritts katholisch.de „im schlimmsten Fall sogar ein weltweites Schisma“ auslösen.

Die Frage, welchen Rang die orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats in der Ukraine haben soll, stellt sich spätestens seit dem Jahr 1992. Damals kehrte der damalige Metropolit von Kiew, Filaret Denyssenko, seiner russisch-orthodoxen Kirche den Rücken und rief eine rivalisierende Glaubensgemeinschaft ins Leben. Anlass für die Gründung dieser ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats war die Bestrebung ukrainischer Kirchenführer, nach der staatlichen Unabhängigkeit auch die kirchliche zu erhalten.

An Bartholomaios führt kein Weg vorbei

 

Bis heute ist das Kiewer Patriarchat in der orthodoxen Welt nicht als legitim anerkannt und gilt allgemein als schismatisch. Ähnlich wie bei der Gründung neuer Staaten, die erst durch die Anerkennung durch etablierte Nationen international handlungsfähig werden, bedürfen auch orthodoxe Landeskirchen der Anerkennung ihrer Schwesterkirchen.

Dabei führt kein Weg am Patriarchen von Konstantinopel vorbei. Dieser wiederum ließ zuletzt durchblicken, dass er der Autokephalie, also der vollen Selbstständigkeit einer ukrainischen Kirche, grundsätzlich aufgeschlossen sei. Offen bleibt dabei, welche Kirche er als legitim anerkennen will.

Moskau hat die Strukturen, aber nicht die Gläubigen

 

Denn die kirchliche Struktur der Ukraine ist stark zersplittert. Laut jüngsten Erhebungen bekennen sich zwar 70 Prozent der Bevölkerung zur Orthodoxie, der orthodoxe Grundsatz „ein Land, eine Kirche“ gilt im Land jedoch nicht. Über die umfangreichsten Strukturen im Land verfügt der ukrainische Ableger des Moskauer Patriarchats. Zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats gehören 52 Diözesen und über 10.000 Priester, obwohl sich ihr durchschnittlich nur gut 13 Prozent der Ukrainer zugehörig fühlen. Auch unter ihnen gibt es zahlreiche Gläubige, die eine selbstständige ukrainische Nationalkirche begrüßen würden.

Diesen Wunsch hegen vor allem jene 45 Prozent der Gesamtbevölkerung, die sich zum Kiewer Patriarchat bekennen. Die schismatische Kirche ist mit 35 Diözesen und nur gut 3.600 Priestern strukturell allerdings wesentlich kleiner als das russische Pendant. Besonders in den seit Jahren umkämpften Gebieten im Osten des Landes und auf der Krim, wo ethnische Russen die Bevölkerungsmehrheit bilden, ist das Kiewer Patriarchat deutlich in der Unterzahl. Laut Angaben der Kirche selbst bekennen sich zu ihr etwa auf der Krim lediglich elf Prozent der Einwohner.

Für Moskau sind Filaret und seine Anhänger Schismatiker

 

Faktisch geht es beim Antrag des Kiewer Patriarchen auf Eigenständigkeit also um viel mehr, nämlich um die Anerkennung seiner Gemeinschaft als offizielle Kirche der Ukraine. Klar ist, dass eine solche Entscheidung zu Lasten des Moskauer Patriarchen Kyrill I. ginge. Für ihn ist die Sache klar: Filaret und seine Anhänger sind Schismatiker, können also keinesfalls als ukrainische Kirche anerkannt werden.

Ein solcher Entschluss könne einen Bruch verursachen, der nur mit der Trennung von West- und Ostkirche im Jahr 1054 zu vergleichen sei, erklärte der Außenamtschef des Moskauer Patriarchen, Metropolit Hilarion. In einem Interview warnte er gar vor gewalttätigen Ausschreitungen, sollte die Kiewer Kirche Moskauer Klöster übernehmen wollen.

Konstantinopel gibt den Anspruch auf Kiew nicht auf

 

Im Ökumenischen Patriarchat teilt man die Ansicht, dass Filaret und seine Kirche sich im Schisma befinden. Bezüglich der Ansprüche Moskaus hat Bartholomaios I. jedoch eine ganz andere Meinung. Anfang Juli erklärte er in einer Rede in Istanbul, Konstantinopel habe den Anspruch der kirchlichen Hegemonie über die Ukraine nie aufgegeben. Man habe Moskau im 17. Jahrhundert lediglich temporär zugestanden, die Metropoliten von Kiew zu weihen und dessen Sitz gegebenenfalls zu verlegen.

(katholisch.de – sk)
 

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15. Juli 2018, 11:15