Ein bitterer Jahrestag der sandinistischen Revolution wurde am 19. Juni in Nicaragua gefeiert Ein bitterer Jahrestag der sandinistischen Revolution wurde am 19. Juni in Nicaragua gefeiert 

Lateinamerika/Nicaragua: Gebet für ein Einlenken Ortegas

Am Sonntag wird die gesamte Kirche Lateinamerikas für Nicaragua beten. Darum hatte die Bischofskonferenz für Lateinamerika und die Karibik, CELAM, in einer Mitteilung gebeten.

Christine Seuss und Patricia Ynestroza - Vatikanstadt

Zum Nachhören

Es gehe darum, „dem Volk Nicaraguas und seinen Hirten Nähe und Solidarität“ auszusprechen, heißt es in der Mitteilung. Die Bischöfe seien „Propheten der Gerechtigkeit“ in der „dramatischen und schmerzlichen sozialen und politischen Krise“ Nicaraguas. Die Mitteilung trägt die Unterschrift des CELAM-Präsidenten Kardinal Ruben Salazar Gomez, Erzbischof von Bogota, und des Generalsekretärs Juan Espinoza Jimenez.

Bereits am vergangenen Sonntag wurde in den Kirchen Nicaraguas sowie in weiteren lateinamerikanischen Ländern eine Fürbitte für Nicaragua gelesen. Gebet scheint auch dringend nötig: Die Gewalt im Land hält weiter an, und mit der Verabschiedung eines neuen Antiterrorismus-Gesetzes ist es der Regierung nun möglich, willkürlich Demonstranten als Terroristen zu brandmarken – ein Schachzug, der internationale Kritik auf die immer autoritärere Regierung von Präsident Ortega hageln ließ.

Auch der nationale Dialog, der unter Vermittlung der Kirche zustande gekommen war, ist derzeit ausgesetzt, Demonstrationen werden nach wie vor gewaltsam unterbunden. Eine wahrhafte Kriegssituation, wie uns auch der Präsident der nicaraguanischen Caritas, Bischof Carlos Herrera, im Gespräch bestätigt.

„Mit Gottes Hilfe unterstützen wir viele Priester in verschiedenen Pfarreien, die auch dazu dienen, den vielen Verletzten zu helfen. Und das alles tun wir überschattet durch die Verfolgung, die wir erleiden - wir helfen sehr vielen Verletzten.“

„Sie marschieren ruhig durch die Straßen, das sind keine Terroristen“

Verletzte, die seit Montag auch fürchten müssen, als Terroristen vor Gericht gestellt zu werden. Der Schachzug der Linksregierung, Demonstranten mit einer Anklage wegen Terrorismus zu drohen, soll offenbar mit dem Mittel der Angst Menschen vom Demonstrieren abhalten, klagt Bischof Herrera an:

„Das ist der falsche Weg, denn man weiß, dass jeder friedlich auf der Straße demonstrieren kann und nicht nur deshalb als Terrorist angesehen werden darf. Umso mehr, als die Menschen nicht bewaffnet sind und niemanden stören, sie marschieren ruhig durch die Straßen, das sind keine Terroristen. Das einzige Ziel dieses Gesetzes ist es also, Angst zu schüren, damit niemand sich mehr zu den Demonstrationen traut.“

Anfeindungen durch Ortega und seine Anhänger

 

Unterdessen versuche die Bischofskonferenz alles zu tun, um die verfeindeten Parteien wieder an einen Tisch und den Dialog zum Laufen zu bringen, erklärt der Caritas-Chef. Erschwert werden diese Versuche durch wiederholte Einlassungen des Präsidenten, in denen er die Bischöfe frontal angeht. „Ich habe gedacht, sie seien Vermittler, aber sie haben sich mit den Putschisten zusammengetan. Sie waren ein Teil des Plans der Putschisten", sagte Ortega beispielsweise nach Angaben der regierungskritischen Tageszeitung „La Prensa“ am Donnerstag in einer Rede vor Anhängern. Seine sandinistischen Anhänger skandierten nach der Rede Ortegas im Beisein des Päpstlichen Nuntius Waldemar Sommertag lautstark: „Putschisten, Putschisten!“ Der Grund für die Anfeindungen: die Bischöfe setzen sich nicht nur für Dialog, sondern auch für vorgezogene Neuwahlen ein.

„Wir beten zum Herrn, dass Ortega auf das hört, worum viele Menschen ihn bitten, nämlich auf seine Regierung zu verzichten. Das wäre das Beste, hoffen wir, dass er einlenkt,“ sagt uns auch Bischof Herrera.

Hoffnung auf neuen Dialog

 

Am Donnerstag wurde überdies der Jahrestag der Revolution begangen: Ausgerechnet Daniel Ortega, der heute als Präsident mit harten Bandagen gegen sein Volk vorgeht, war 1979 am Sturz des damaligen Diktators Somoza beteiligt gewesen. Bischof Herrera gibt jedoch die Hoffnung nicht auf, dass dieser Jahrestag Ortega vielleicht zu einer Wiederaufnahme des Dialogs bewegen könnte.

„Wir hoffen das, denn wir erfüllen ihre Bedingungen, beispielsweise haben wir dafür gesorgt, dass keine Barrikaden mehr stehen, und wir hoffen, dass die Regierung auch auf einige unserer Bedingungen eingeht.“

 

Junge Menschen werden willkürlich verhaftet

 

Besonders die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen liegt der Dialogkommission am Herzen. Denn diese sind oftmals nichts anderes als junge Studenten, die unter Umständen noch nicht einmal an den Demonstrationen teilgenommen haben, die das Land überziehen, empört sich der Caritas-Bischof:

„Wenn die Paramilitärs einen jungen Menschen auch nur in der Nähe einer Demonstration oder eines Marsches sehen, dann nehmen sie ihn mit, ohne den Umstehenden überhaupt die Frage zu stellen, ob das nun ein Aktivist war, und sie holen sie sogar in ihren Häusern ab. Auch einige der Mitglieder an der Dialogkommission sind verhaftet worden. Nicht nur das, sondern aufgrund dieses neuen Antiterrorismus-Gesetzes gelten nun zwei von ihnen als Terroristen.“

Bei den intensiven Bemühungen um eine Wiederannäherung der gegnerischen Parteien hofft der Caritas-Verantwortliche auf die internationale Unterstützung, wie er uns noch anvertraut: „Bitte, verbreitet als Medienunternehmen das, was in unserem Land passiert, auch an die internationale Gemeinschaft, die uns unterstützt, damit wir zu einer Lösung mit der Regierung kommen und zu einer Wiederaufnahme des Dialogs.“

(vatican news/kna)

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20. Juli 2018, 11:41