Hoffnung auf eine bessere Zukunft bestimmte die Wahlen in Mexiko Hoffnung auf eine bessere Zukunft bestimmte die Wahlen in Mexiko 

Adveniat zu Links-Ruck in Mexiko: „Es war eine Wutwahl“

Mit der Wahl des Links-Nationalisten Lopez Obrador hat Mexiko der Politik der vergangenen Jahre eine klare Absage erteilt. Gudrun Sailer hat mit dem Adveniat-Länderexperten Reiner Wilhelm gesprochen und ihn um eine Einordnung der Wahl gebeten.
Hier das Gespräch zum Nachhören

Reiner Wilhelm: Lassen Sie mich ausholen. Diese Wahl war eine reine Wutwahl. Die Menschen sind in Mexiko absolut enttäuscht von den etablierten Parteien. Es war also eine Abstrafung der Regierung  Peña Nieto, die völlig unglaubwürdig war und absolut in den Sumpf der Korruption verstrickt war. Andrés Manuel López Obrador, kurz Amlo, hat in seiner politischen Geschichte zweimal die Wahl verloren. In Wirklichkeit wurde ihm aber der Sieg genommen. Es war also ein absoluter Wahlbetrug. Und dieses Mal war dieses Ergebnis absolut eindeutig. Er hat gezeigt, dass er kämpfen kann trotz einer immensen Schlammschlacht. Und er ist der einzige Kandidat gewesen, der ohne Bodyguards auch in die ärmsten Viertel gegangen ist.

„Ich werde euer Vertrauen nicht verraten“

Beeindruckend war seine erste Rede und das große Versprechen, das er gemacht hat vor den Menschen. Er hat gesagt: „Ich werde euer Vertrauen nicht verraten. Ich werde mit Aufrichtigkeit und Recht regieren und ich möchte in die Geschichte als guter Präsident eingehen.“ Das ist einfach wichtig.

Die Sache ist nur: Wird er das innerhalb von sechs Jahren schaffen, wird ihm dafür Zeit bleiben? Zumal er ja auch gestern angekündigt hat, dass er nach drei Jahren eine Zwischenwahl einführen wird, um zu schauen, ob das, was er versprochen hat, auch wirklich erreicht worden ist. Das ist einzigartig in der Geschichte Lateinamerikas. Es wird davon abhängen, ob er das alles erfüllen kann, von seinem Führungsstil natürlich, von den Allianzen, die absolut auf Klientelismus ausgelegt sind. Denn er steht einem Wahlbündnis, einem Parteienbündnis vor, und da fordern die natürlich auch ihre Pöstchen. Dann stellt sich natürlich auch die Frage: Wie wird er mit den Kartellen und dem organisierten Verbrechen umgehen? Denn es reicht meiner Meinung nach nicht, nur Sozialhilfestudien und Ausbildungsplätze für Jugendliche zu schaffen.

„Die Mexikaner hatten eigentlich keine andere Wahl, denn die anderen Parteien waren abgewirtschaftet“

Vatican News: Warum vertraut die Mehrheit der Mexikaner darauf, dass der Links-Präsident auch mit den größten Problemen des Landes, darunter Korruption und Drogenkriminalität, aufräumen kann?

Reiner Wilhelm: Sie hatten eigentlich keine andere Wahl, denn, wie gesagt, die anderen Parteien waren abgewirtschaftet. Die haben es etwas schwierig gemacht, es ist unheimlich viel Geld verschwunden in dunkle Kanäle. Allein die Tatsache, wie man mit dem Verschwinden mit den 43 Menschen aus Iguala, die ja auch hier in Europa ziemlich viel Aufsehen erregt haben - man sieht also wie verstrickt auch Politik in das organisierte Verbrechen gewesen ist. Man hat kein Vertrauen mehr, die Menschen sind ganz einfach von den Parteien, von der Führung, von der Regierung enttäuscht.

„Größte Herausforderungen: Korruptionsbekämpfung und die absolute Straflosigkeit“

Vatican News: Wo sehen Sie die tatsächlich größte Herausforderung für den neuen Präsidenten?

Reiner Wilhelm: Es geht ganz konkret um die Korruptionsbekämpfung und die absolute Straflosigkeit, die beinahe zu 100 Prozent liegt. Das sind die ganz wichtigen Themen, die anstehen. Die Frage stellt sich nur, wie wird er das machen. Es ist eine hohe Latte. Die vorhergien Regierungen haben es mit Gewalt versucht. Er versucht es mit Kommunikation und mit einer Amnestie, die wahrscheinlich auch nicht überall gut ankommen wird. Aber Tatsache ist, die Menschen lechzen einfach danach, dass gegen die hohe Kriminalität, gegen den Selbstbedienungsladen vorangegangen wird

Vatican News: Bei seinem ersten Auftritt vor Journalisten sagte der neue Präsident, Mexiko werde auf keinen Fall in eine Art Linksdiktatur nach Art Venezuelas abgleiten. Welche Mittel stehen ihm de facto zur Verfügung, in Mexiko die Dinge zum Besseren zu ändern?

„Auch die gesamten Sozialprogramme, die er bereits angekündigt hat, werden ihr Geld kosten“

Reiner Wilhelm: Er hat bereits eine Personalentscheidung getroffen und zwar ist der Wirtschaftsminister ein Unternehmer. Außerdem hatte er schon im Vorfeld ein weites Bündnis, die auch alle soziale Gruppen und sozialen Bewegungen eingebunden haben. Und dann natürlich auch die Unternehmer. Er hat sich ganz klar und deutlich gegen eine Diktatur ausgesprochen, egal auf welche Weise. Und er hat auch sofort gesagt: „Ich respektiere das Eigentum. Unter meiner Regierung gibt es keine Enteignungen“. Darüber hinaus hat er auch etwas gesagt, was vor allem für die Wirtschaft wichtig ist, und zwar, dass die Zentralbank unabhängig sein wird und dass er sich daran halten wird. Auch die Verträge im Energiesektor sollen nach Recht und Gesetz überprüft werden. Die Gefahr, die ich dabei allerdings sehe, all das muss auch finanziert werden. Und auch die gesamten Sozialprogramme, die er bereits angekündigt hat, werden ihr Geld kosten. 

„Die Kirche hat zu sozialer Versöhnung aufgerufen und das ist im Grunde auch ein Teil des Programms von Lopez Obrador“

Vatican News: Wie stellt sich die einflussreiche mexikanische Kirche zu Lopez Obrador?

Reiner Wilhelm: Die Bischofskonferenz ist eher konservativ, hat sich aber unter Papst Franziskus sehr stark verändert. Und was natürlich ein wichtiger Punkt, auch schon innerhalb des Wahlkampfes, war die Meinung Obradors gegen die Abtreibung und gegen die Homo-Ehe ist. Sein Parteienbündnis geht von Ultralinks bis hin zu fundamentalistisch-evangelikal. Und das war sicherlich ein Zugeständnis an diese letzte Gruppe. Und dann natürlich das soziale Engagement, worin die Kirche sehr stark ist. In diesem Punkt hat die Kirche auch schon angekündigt, dass sie helfen werden, wo sie können. Und das wird vor allem im Bereich der Migranten in den USA sein. Da wird er auf die Kirche tatsächlich auch angewiesen sein. Und sie hat auch schon Unterstützung zugesichert. Die Kirche hat zu sozialer Versöhnung aufgerufen und das ist im Grunde auch ein Teil des Programms von Lopez Obrador und insofern stehen er und die Kirche da zusammen. Er sagt auch, dass die Regierung für alle da ist und, dass man deswegen versuchen müsse sich sozial zu versöhnen. Und das wäre ein Bereich, in dem die Kirche wirklich absolut unterstützen könnte. Wie sich das Verhältnis zum Schluss dann entwickeln wird, das wird sich dann zeigen.

(vatican news)

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03. Juli 2018, 14:42