Trauer bei der zentralen Gedenkfeier Trauer bei der zentralen Gedenkfeier 

Nigeria: „Stoppt das Morden!“

Zehntausende Menschen haben am Dienstag in Nigeria der ermordeten Priester und Gläubigen gedacht, die im April einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind. Die Gottesdienste und Demonstrationen waren zugleich ein Zeichen gegen die im Land um sich greifende Gewalt, die als Ressourcenkonflikt begann und sich in eine Staatskrise auszuwachsen droht. Die Regierung müsse die Menschen besser schützen, findet die katholische Kirche.

Anne Preckel und Giada Aquilino – Vatikanstadt

„Das Leben ist heilig, stoppt das Morden“: Unter diesem Motto fanden am Dienstag im ganzen Land Gedenkfeiern und Demonstrationen statt. In 54 Städten setzten die Menschen ein gemeinsames Zeichen; Christen und Vertreter anderer Glaubensgemeinschaften kamen zusammen, um gegen die um sich greifende Gewalt zu demonstrieren. „So etwas hat es in unserem Land noch nie gegeben“, würdigt Pater Patrick Alumuku, Zuständiger für Kommunikation in der Erzdiözese Abuja, die Initiative im Interview mit Vatican News. Dass die gesamte katholische Kirche gemeinsam mit anderen Gläubigen „Nein“ sage zur Gewalt, sei eine starke Geste für das Land.

Den Menschen reicht’s

 

Es geht darum, „gemeinsam und friedlich für ein besseres Nigeria“ einzutreten, brachte es Kardinal John Onaiyekan im Rahmen der Trauerfeier für die Ermordeten auf den Punkt. Am 24. April waren die Priester Joseph Gor und Felix Tyolaha sowie 17 weitere Gläubige während des Morgengottesdienstes in Mbalom, einem Dorf im Bundesstaat Benue, ermordet worden. Der Erzbischof von Abuja, der in die Region gereist war, wo es zur Bluttat gekommen war, fand in seiner Predigt deutliche Worte: „Wenn wir nicht einmal mehr an den Orten, an denen wir beten, sicher sind, wo sollen wir dann noch sicher sein“, kritisierte er die Regierung und betonte, dass es seit dem Vorfall in Mbalom zahlreiche weitere Todesopfer gegeben habe.

„Wir haben jedes Recht, auf jene wütend zu sein, die für die Taten verantwortlich sind, aber auch auf jene, die die Mörder unterstützen. Wir haben auch jedes Recht, gegen jene zu protestieren, deren Aufgabe es ist, uns zu schützen", so der Kirchenmann wörtlich.

Die Opfer von Mbalom sollen lokalen Medienberichten zufolge von Angehörigen des Hirtenvolks der Fulani getötet worden sein. Die Morde seien Teil lokaler Ausschreitungen, die als Konflikt zwischen Farmern und dem Hirtenvolk der Fulani bekannt sind. Warum sich die Aggression gerade gegen die Kirchgänger richtete, ist jedoch weiter unklar. „Das sind Morde an unseren Katecheten, Seminaristen, Schwestern und nun auch Priestern – neben den unzähligen anderen Christen, die in diesem Land bereits ermordet wurden“, beklagt Pater Alumuku die Opfer.

Mischt Boko Haram mit?

 

Seit Jahresbeginn sind in Zentralnigeria mehrere hundert Menschen ums Leben gekommen, allein im Bundesstaat Benue sollen es seit Jahresbeginn bis zu 500 Tote gewesen sein. Hintergrund der Konflikte sind Spannungen zwischen sesshaften Bauern, die überwiegend Christen sind, und Viehhirten, die das Land und die Ressourcen ebenfalls beanspruchen. Diese Auseinandersetzungen sind in Nigeria nicht neu, der Konflikt hatte sich zuletzt jedoch zugespitzt, was unter anderem mit knapper werdendem Land bei wachsender Bevölkerung, der Zirkulation von Waffen und allgemein steigender Gewaltbereitschaft zu tun hat.

Die islamistische Terrorsekte Boko Haram, die in Nigeria seit 2009 etwa 20.000 Menschen umgebracht hat, soll ebenfalls ihre Hände im Spiel haben. Dies sagen jedenfalls die nigerianischen Bischöfe, die Papst Franziskus bereits bei ihrem Ad limina-Besuch im April über die Eskalation berichteten.

„Die Boko Haram-Kämpfer sind jetzt ins Zentrum Nigerias gezogen, wo eine christliche Mehrheit lebt, und wollen diese Gegend kontrollieren“, erzählt Pater Alumuku: „Dabei haben sie sich sozusagen von Boko Haram in Fulani-Hirten gewandelt – so beschreiben das die Leute. Letztlich sind sie es, die in die Kirchen gehen und töten, die Gebetshäuser niederbrennen, die Menschen umbringen und die Dörfer besetzen.“ Bereits aufgrund des Terrors von Boko Haram herrsche in Nigeria Chaos, so Pater Alumuku, viele Menschen seien in den Norden des Landes geflohen und lebten in Flüchtlingscamps, um der Gewalt zu entgehen.

Unmut gegenüber der Regierung

 

Aufgrund der zunehmenden Gewalt im Land hat sich die katholische Kirche mit dem Aufruf an Nigerias Regierung gewandt, für mehr Sicherheit im Land zu sorgen. „So kann es nicht weitergehen“; kommentiert Alumuku, „wir sind auch im Blick auf die Wahlen im kommenden Februar besorgt, wenn der Präsident und die Nationalversammlung gewählt werden. Wir wollen vor allem Frieden und eine starke Botschaft für das Leben absetzen.“ Dass in Nigeria dem Konflikt zwischen Bauern und Hirten weiter Menschen zum Opfer fallen, wird im Übrigen von Vertretern beiden Gruppen beklagt. Sie wenden sich gegen eine pauschale Verurteilung und wünschen sich mehr Schutz durch den Staat.

Bei der zentralen Gedenkfeier für die Gewaltopfer in Makurdi war auch der nigerianische Vizepräsident Yemi Osinbajo anwesend. „Wir wollen und müssen die sinnlosen Morde stoppen“, versicherte er in seiner knappen Ansprache. Über die Lage im Land hatten Vertreter der Bischofskonferenz schon im Februar mit Präsident Muhammadu Buhari gesprochen. Damals listete eine Delegation eine ganze Reihe von Problemen auf, die er angehen müsse, darunter den Konflikt mit den Viehhirten. Nach dem Mehrfachmord vom April schließlich hatten die Bischöfe Buhari zum Rücktritt aufgefordert. Er habe in seiner Aufgabe versagt, die Menschen zu schützen.

(vatican news, kna - pr)

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23. Mai 2018, 13:01