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Demonstrationen vor dem MINUSCA-Hauptquartier in der Hauptstadt Bangui nach tödlichen Zusammenstößen am 10. April 2018 Demonstrationen vor dem MINUSCA-Hauptquartier in der Hauptstadt Bangui nach tödlichen Zusammenstößen am 10. April 2018 

Zentralafrika: „Ein vergessener Krieg"

Es hat Hoffnung geschürt, das Friedensabkommen für die Zentralafrikanische Republik, das nach Vermittlung der Basisgemeinschaft Sant´Egidio vergangenen Juni in Rom unterzeichnet wurde. Doch diese Hoffnung ist enttäuscht worden. Stündlich kommen neue Schreckensnachrichten aus dem Land, in dem ein vordergründig ethnischer und religiöser Konflikt längst alle Grenzen gesprengt hat.

Christine Seuss und Silvonei Protz - Vatikanstadt

Nach Todesdrohungen gegen den Bischof von Bangassou ist die Kathedrale der Stadt zwangsweise geschlossen worden. 2.000 Muslime sind nur knapp einem Massenmord entkommen. Ein Priester wurde getötet, der Bischofsvikar schwer verletzt. Zahlreiche Priester haben angesichts der Drohungen gegen Leib und Leben bereits das Land verlassen, während die verbliebenen Kirchenangehörigen sich um Waisen, AIDS-Kranke und Alte kümmert. Papst Franziskus hat mehrfach auf die Situation des Landes aufmerksam gemacht, das er ausgewählt hatte, um das Heilige Jahr der Barmherzigkeit zu eröffnen.

„Wir leben in einer Situation des Krieges, aber es handelt sich um einen ,niederschwelligen Krieg´, also einen Krieg, der keinen Eingang in die Nachrichten findet,“ klagt der Bischof von Bangassou, Juan Jose Aguirre, im Gespräch mit Vatican News. „Ein Krieg, über den man nichts erfährt, weil viele von denen, die informieren oder fotografieren können, NGO´s und andere Organisationen, weggegangen sind. Es gibt keine Bilder, es ist ein vergessener Krieg, aber es ist ein Krieg, der sehr weh tut.“

„Die Religion wird als Vorwand benutzt, um davon abzulenken, dass sie eigentlich auf der Suche nach den Mineralien sind“

„Viel Blut fließt wegen dieses Krieges, der vor fünf Jahren aus Nordafrika zu uns kam, in Form von Söldnern, radikalen bewaffneten Gruppen, die in den Golfstaaten mit Öldollars ausgebildet und ausgerüstet wurden. Sie sind aus dem Tschad eingefallen und haben Zentralafrika überrannt.“ Diese mittlerweile 14 Gruppen, so erklärt der Bischof, heißen „Seleka“ und haben untereinander nur eines gemeinsam: den Hunger nach Mineralien wie Gold, Diamanten, Kobalt, Magnesium oder Koltan. „Sie wissen, dass derjenige, der das Koltan kontrolliert, auch die Kontrolle über das Kriegswesen hat. Denn viele Waffen wie Drohnen, Raketen, auch der Tomahawk, werden mit Komponenten auf der Basis von Tantal hergestellt, einem Supraleiter. Viele dieser Kriege werden aus wirtschaftlichen Gründen geführt, und die Religion wird als Vorwand benutzt, um davon abzulenken, dass sie eigentlich auf der Suche nach den Mineralien sind.“

Zum Nachhören

Gegen die Seleka hätten sich die „Anti-Balaka“ gebildet, führt der Bischof weiter aus, die zunächst angetreten seien, um ihr Volk zu beschützen. Doch unvermeidlich sind auch sie zu „Kriminellen“ geworden, eine Situation, die die Menschen des Landes ohne Hoffnung zurücklässt. Er selbst musste mit ansehen, wie seine Kirche abgeriegelt wurde, und lebt mit ständigen Todesdrohungen. Aber er ist am Leben, anders als einer seiner Priester, der Anfang April getötet wurde, nachdem sein Vikar bereits zwei Monate zuvor „fast umgebracht“ worden war.

„Diese Situation lässt sich als Kreuzweg lesen“

„Das ist Teil unseres Lebens. Diese Situation lässt sich als Kreuzweg lesen. Und auf dem Kreuzweg ist Jesus mit dem Tod bedroht worden: auch er, bis zum Tod. Deshalb, auch wir, seine Jünger, leben oftmals die Passion, wie er sie erlebt hat. Aber wir stehen ein zur Verteidigung all derer, die Probleme haben, der Kranken oder Verletzten.“

Die Kirche mache keinen Unterschied zwischen Muslimen oder Christen, betont der Bischof, der darauf verweist, dass erst kürzlich in einer katholischen Mission 2.000 Muslime Zuflucht gefunden hatten, als ihnen in ihrer Stadt Bangassou ein Genozid drohte. „Sie haben darum gebeten, in unser Seminar gehen zu dürfen, um dort von uns und den Soldaten der Vereinten Nationen beschützt zu werden. Also haben wir jetzt 2.000 Muslime im Seminar, und unsere Seminaristen mussten abreisen, um ihre Studien woanders fortzusetzen. Wir tun das, weil das das Evangelium ist.“

Zu den Problemen mit den Seleka kämen in jüngster Zeit radikale Islamisten aus Syrien hinzu, betont der Bischof: „Wir wollen auf diesen Aspekt aufmerksam machen: wir wissen, dass der radikale Islam sehr weh tun kann, er tut das schon mit Boko Haram, mit dem islamistischen Jihad, mit den Seleka, und mit allen radikalen Bewegungen wie dem Islamischen Staat, die überall auftauchen.“

Viele Menschen seien aufgrund der Konflikte obdachlos geworden, erzählt der Bischof von den Schwierigkeiten des täglichen Lebens. Die Päpstliche Stiftung „Kirche in Not“ helfe dabei, die Viertel wieder aufzubauen, damit Familien und Kinder wiederkommen und die Schule wieder beginnen könne. Aber auch hier werde kein Unterschied zwischen christlichen und muslimischen Schülern gemacht.

„Wenn alle fliehen, ist die Kirche die letzte, die das Licht ausmacht“

„Die Menschen erleben viel Leid. Wir haben Projekte. Wir betreuen mehr als 1.000 Waisen hier in Bangassou, die Kinder leiden sehr unter dem Krieg. Wir betreuen auch viele AIDS-Kranke im Endstadium und müssen Medikamente für sie auftreiben. Wir müssen uns um diese Menschen kümmern, auch wenn wir im Krieg sind. Wir haben vier Häuser, die wir „Häuser der Hoffnung“ nennen, in denen alte und kranke Menschen unterkommen, denen Hexerei vorgeworfen wird. Die können wir nicht zurücklassen. Auch wenn alle NGOs und Institutionen und Journalisten das Land verlassen, müssen wir bleiben, weil das Volk, die einfachen Leute, uns braucht und die Kirche braucht. Wenn alle fliehen, ist die Kirche die letzte, die das Licht ausmacht.“

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23. April 2018, 13:34