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Ukraine: Im Krieg schon eine künftige Aussöhnung vorbereiten

Mitten in Europa herrscht Krieg: im Osten der Ukraine. Mehr 10.000 Menschen sind seit 2014 dort getötet worden. Derzeit wird wieder weniger über den Konflikt berichtet, dabei geht das Schießen und Töten weiter, täglich. Ein Ende ist nicht in Sicht. Aber die Kirche ist da und versucht mit unterschiedlichen Projekten neue Perspektiven aufzuzeigen. Wie genau das aussieht, hat sich der Reporter Markus Nowak angeschaut.
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Markus Nowak – Renovabis

Rund ein Dutzend überwiegend junge Frauen und Männer sitzen in einem Seminarraum und diskutieren über Businessplan und Buchhaltung. Einmal in der Woche organisiert die Caritas Ukraine in Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, eine Art Startup-Seminar. Die Jungunternehmer verbindet nicht nur eine pfiffige Geschäftsidee, sondern ihre Herkunft. Alle stammen aus dem Osten der Ukraine, dem Donbass, wo derzeit Krieg herrscht. Unter ihnen etwa der 40-jährige Aleksander Borowskich:

„Ich stamme aus Lugansk und 2014 bin ich nach Charkiw gekommen. Ursprünglich für zwei Wochen, es war damals kalt und ich wusste nicht, wohin. Aber bei uns in Lugansk sind Bomben gefallen. Ich habe hier in der Stadt mehrere Jobs gemacht, aber nie genug Geld zum Leben verdient. Jetzt repariere ich Computer und möchte durch das Seminar mein Business verbessern.“

 

Es geht nicht nur um humanitäre Hilfe

 

Startup-Seminare, psychologische Beratung, Minikredite: Längst geht es bei vielen Hilfsmaßnahmen nicht nur um humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet. Für die Zukunft des Landes seien die Integration und friedensbildende Maßnahmen entscheidend, sagt Andrij Waskovicz, Direktor von Caritas Ukraine:

„Das ist die Aufgabe der Caritas, dass wir die Leute ins Gespräch bringen. Und dass wir Vertrauen bilden in der Gesellschaft, die vom Krieg betroffen ist. Das ist eine schwierige Aufgabe, denn ich glaube, dass dieser Krieg von außen in die Ukraine getragen wurde. Allerdings, wo es so viele Toten gibt auf beiden Seiten, beginnen sich die Antagonismen zu verstärken. Das heißt, eine Familie, bei der jemand umgekommen ist, sie wird sich nicht auseinandersetzen mit den Ursachen für diesen Konflikt. Sie wird die andere Seite hassen für den Tot ihres Familienmitglieds. Dagegen muss man antreten. Man muss den Leuten erklären, was sind die Ursachen des Krieges, diese bekämpfen und versuchen, dass die Menschen Vertrauen zueinander finden, um den Krieg und die Gegensätze zu überwinden.“

Das katholische Osteuropahilfswerk Renovabis unterstützt die Arbeit von Partnern vor Ort, wie der Caritas Ukraine. Während in der Pufferzone etwa Lebensmittel und Brennholz verteilt werden, steht im Rest des Landes das Ankommen der Flüchtlinge in der Gesellschaft im Mittelpunkt. „miteinander. versöhnt. leben. Gemeinsam für ein solidarisches Europa!“ lautet das Thema der diesjährigen Pfingstaktion, erläutert Renovabis Hauptgeschäftsführer Christian Hartl:

„Mit Blick auf die Ukraine ist unser Jahresthema eher Wunsch als Wirklichkeit. Wir würden uns so sehr wünschen, dass das versöhnte Leben dort gelingen könnte. Aber momentan ist noch viel Unversöhntes, da ist so viel Gewalt und Unverständnis da. Dennoch ist es gerade in der Ukraine spannend zu hören, wie sich die Menschen um Versöhnung bemühen.“

 

„Wir würden uns so sehr wünschen, dass das versöhnte Leben dort gelingen könnte. Aber momentan ist noch viel Unversöhntes, da ist so viel Gewalt und Unverständnis da.“

 

Versöhnung nach einem Krieg ist ein sehr langer Prozess. Gerade in einem Land wie der Ukraine, das flächenmäßig fast doppelt so groß ist wie Deutschland und aufgrund seiner sowjetischen Geschichte über viele Wunden verfügt. Das sagt Dmytro Sherengovsky, Politikwissenschaftler der katholischen Universität im westukrainischen Lemberg:

„Ein Händeschütteln zwischen den Kriegsparteien bedeutet noch keinen Frieden. Friedensarbeit ist eine Anzahl von politischen Aktionen, wie die Sicherung von Grenzen und des Territoriums, die Wiedereinrichtung eines normalen Lebens, in dem es möglich ist, Geld zu verdienen und ein soziales System funktioniert. Aber auch politische Reformen und die Etablierung und Unterstützung von demokratischen Strukturen. Händeschütteln ist da zu wenig.“

 

Ein autonomes Jugendzentrum für den Aufbau

 

Rund 80 Kilometer von der sogenannten Kontaktlinie, wo sich die ukrainischen Truppen mit den Separatisten immer wieder Schusswechsel liefern, liegt die Industriestadt Kramatorsk. Bekannt ist die 160.000-Einwohner Stadt landesweit für seine Maschinenbaufabriken, die vielen Flüchtlinge aus dem südlichen Teil des Donbass´ sowie für einige Pilotprojekte, die hier ihren Anfang nahmen. Wie etwa in den Erdgeschossräumen inmitten eines Wohngebietes. Hier befindet sich die Nichtregierungsorganisation Vilna Chata. Sie betreibt eine Art autonomes Jugendzentrum, das der 25-jährige Mykola Dorokhov begründet hat. Vilna Chata bedeutet übersetzt Freies Haus und als Mission hat sich das junge Team kulturelle Bildung und den Aufbau einer Zivilgesellschaft auf die Fahnen geschrieben.

Mykola Dorokhovl: „Über kulturelle Bildung und soziale Unterstützung kann man viel erreichen. Wenn Menschen in Sachen Kultur gebildet sind, dann wollen sie keine Konflikte. Sie setzen sich an einen Tisch anstatt sich zu bekämpfen. Unsere Jungs, die hier in der Nähe kämpfen, sie tun das zwar jetzt für unsere Gegenwart. Wir hier aber arbeiten bereits an unserer Zukunft. An einem Morgen.“

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12. April 2018, 10:43