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Alfons Nossol: „Deutsch-polnische Versöhnung weit vorangeschritten“

Er ist einer der wichtigsten kirchlichen Würdenträger Polens und einstiger Schüler Karol Woitylas: Erzbischof Alfons Nossol. 1977 von Papst Paul VI. zum Bischof von Opole (Oppeln) geweiht und von Johannes Paul II. 1999 zum Erzbischof ernannt, ist neben seinem lebenslangen Bemühen für die Ökumene einer der wichtigsten Wegbereiter für die deutsch-polnische Aussöhnung.

1980 ermöglichte er die erste deutsche Predigt in einer polnischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg und ließ gleich nach der Wende Gottesdienste auf Deutsch, zu. Für sein Wirken erhielt er den Deutschen Nationalpreis und es sollte nicht die einzige Auszeichnung bleiben für den „Brückenbauer im Ornat“. Seit Jahrzehnten arbeitet der heute 85-Jährige eng mit dem katholischen Hilfswerk Renovabis zusammen. Die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken hat sich im 25. Jahr ihres Bestehens ein für Bischof Nossol passendes Thema gewählt: „miteinander. versöhnt. leben – Gemeinsam für ein solidarisches Europa“. Der Journalist Markus Nowak hat den Bischof besucht.

Ein Fernsehgottesdienst im ZDF. Die Kirche ist festlich geschmückt und bis auf die letzte Bank besetzt. Beim genaueren Hinhören fällt auf, dass der Priester einen leichten Akzent östlicher Prägung hat. Die Kirche liegt östlich von Oder und Neiße in der polnischen Stadt Głogówek, einst Oberglogau. Gottesdienste in deutscher Sprache sind hier in Oberschlesien nicht ungewöhnliches, je nach Region bekennt sich ein Viertel der Einwohner zu ihren deutschen Wurzeln. Eingeführt hat die Seelsorge in deutscher Sprache Alfons Nossol, von 1977 bis 2009 Bischof der südpolnischen Diözese Opole/Oppeln. Und Nossol, selbst zweisprachiger Oberschlesier, prägte einen Terminus: Die Sprache des Herzens. Nossol:

„Die Sprache des Herzens ist jene Sprache, in der man betet, in der man beichtet und in der man den anderen Menschen auf seine Art und Weise entgegenkommt. Brüderlich, schwesterlich und nicht feindlich.“

„Brüderlich, schwesterlich und nicht feindlich“

Den Menschen entgegenkommen, Dialogbereitschaft, die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen. Nossol erhielt für seine Mühen und Verdienste den Ehrentitel des Erzbischofs und ist Träger weiterer Preise und einem halben Dutzend Ehrendoktorwürden. Er war es, der die berühmte Versöhnungsmesse von Kreisau 1989 im Beisein von Helmut Kohl und dem damaligen polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki feierte. Ein Meilenstein in der deutschpolnischen Versöhnung.

„Kreisau, ja, die sogenannte Versöhnungsmesse, der war es wirklich dran gelegen, dass wir uns auch Kraft des Himmels näher kommen. Rein politisch war es nicht so einfach. Aber Helmut Kohl, dem es wirklich dran gelegen war, dass gleich nach der Berliner Mauer, die zweite größte Mauer, die stärkste und gefährlichste Mauer in Europa auch fällt. Die Mauer des deutschpolnischen, polnisch-deutschen Hasses. Und das ist geschehen. Der Fall dieser zwei Mauern, dadurch begann eine neue Epoche und daran sollten wir uns halten. Denn mit den Nachbarn kann es so oder anders sein, aber wir müssen uns bemühen mit ihnen auszukommen. Wir haben uns die Nachbarn nicht ausgewählt.“

Die deutsch-polnische Nachbarschaft mit ihrer schwierigen Geschichte des 19. Jahrhunderts, des Zweiten Weltkriegs und dann der Annäherung seit dem Bischofsbrief 1966 und dem Fall der Mauer. Auch mit 85 Jahren beschäftigt den Alt-Bischof Alfons Nossol das Verhältnis zwischen beiden Ländern. Wie sieht er also die Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen?

„In der letzten Zeit gibt es wieder kritische Bemerkungen“

„Offen und ehrlich gesagt, ist sie weit fortgeschritten nach 89. Aber in der letzten Zeit gibt es wieder kritische Bemerkungen. In der Zwischenzeit erlebten wir bei uns die Winden der Politik. Die rechts eingerichteten neuen Institutionen sind da in dieser Hinsicht kritischer geworden. Aber man scheint sich immer mehr zu besinnen. Und das ist konkreter durchgedrungen, wir alle Europäer müssen uns dessen bewusst sein, dass wir uns einander näher kommen und dass Europa unser gemeinsames Haus wird.“

Als Beobachter und aktiver Gestalter der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen sieht Erzbischof Alfons Nossol aber auch Stolpersteine zwischen beiden Ländern. Etwa die in Warschauer neuerdings aufflammende Frage nach Restitutionen für Kriegsschäden.

„Man sollte das nicht machen, denn dann geht wieder alles hoch. Freilich, dann kommen die Vertreibungen wieder zu Worte und Ansprüche dürfen auch von Seiten der Vertriebenen gestellt werden. Und mir will es scheinen, wenn Deutschland fast ein Drittel seiner Gebiete verloren hat, darf man das nicht ausklammern. Das ist ein Beweis, dass trotz der Nachbarschaft, eine gewisse feindliche Einstellung dem Nachbar gegenüber doch noch vorhanden ist. Und wenn das wieder aufleuchtet und hochkommt. Dann ist es mit der wahren friedlichen und freundschaftlichen Nachbarschaft geschehen.“

Mit mahnenden Worten meldet sich Erzbischof Nossol immer wieder in der polnischen Öffentlichkeit zu Wort. Er repräsentiert den eher liberalen Teil der katholischen Kirche, der sich dezidiert gegen einen aufkommenden Nationalismus und eine wachsende Europaskepsis in Polen ausspricht.

(renovabis)

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16. April 2018, 09:10