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Missbrauchsbericht in Australien: Reaktionen der Kirche

Zehntausende Kinder und Jugendliche sind in Australien Opfer von sexuellem Missbrauch in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen geworden. Das geht aus dem Abschlussbericht hervor, den die staatliche Missbrauchskommission am Freitag in Canberra der australischen Regierung übergab.

Der Vorsitzende der Missbrauchskommission, Philip Reed, sagte, die australische Öffentlichkeit habe durch die geleistete Arbeit von einem „mannigfaltigen und andauernden Versagen“ beim Schutz von Kindern, von einer Kultur des Geheimhaltens und Vertuschens und den „verheerenden Folgen“ erfahren, die sexueller Missbrauch von Kindern auf das Leben der Betroffenen als Erwachsene haben könne.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Erzbischof Denis Hart von Melbourne, wiederholte am Freitag seine „bedingungslose Entschuldigung für das Leid der Betroffenen“, denen Gerechtigkeit widerfahren müsse. Die „herrschende Kultur von Geheimnistuerei und Selbstschutz“ habe vielen Opfern und deren Familien „unnötiges Leid“ zugefügt.

Zu Harts Kirchenprovinz Melbourne gehört die Diözese Ballarat, die eine der Brennpunkte des australischen Missbrauchsskandals war. An der Vertuschung von Missbrauchsfällen in Ballarat soll als junger Priester auch Kurienkardinal George Pell beteiligt gewesen sein. Der Kardinal steht derzeit in Melbourne wegen des Vorwurfs vor Gericht, als Priester in Ballarat im Schwimmbad zwei junge Männer sexuell belästigt zu haben.

Sydneys Erzbischof Anthony Fisher erklärte, er müsse akzeptieren, wie die Vorfälle „die Glaubwürdigkeit der Kirche in der Gesellschaft zerstört“ hätten. Nun gelte es, sich ein neues Vertrauen der Menschen zu verdienen. Er werde den Abschlussbericht der Missbrauchskommission „sorgfältig studieren“ und dann detailliert Stellung nehmen.

Die Landesvorsitzende der Ordensgemeinschaften, Schwester Ruth Durick, versicherte, den Abschlussbericht „sehr ernst zu nehmen“.

Bischof Vincent Long Van Nguyen von Parramatta, der als junger Mann in Australien selbst Opfer von Missbrauch in der Kirche geworden war, erklärte: „Unsere Verfehlungen der Vergangenheit können nicht ungeschehen gemacht werden. Aber wir stehen felsenfest zu unserer Pflicht, dass auch für die Zukunft unsere gegenwärtigen Verfahren zum Kinderschutz eine Sicherheit vor lüsternen Verhaltensweisen bieten“, so der einstige Bootsflüchtling.

Die Erzbischöfe von Perth und von Canberra-Goulburn, Christopher Charles Prowse und Timothy Costelloe, versicherten, künftig so schnell wie möglich auf jede Anzeige von Missbrauch zu reagieren und die Polizei einzuschalten. „Nichts wird mehr unter den Teppich gekehrt, nichts wird vertuscht. Wir hören zu und handeln“, betonte Costelloe.

100.000 Seiten, über 400 Empfehlungen

Die australische Regierung hatte die Kommission zur Untersuchung des Umgangs von Institutionen mit Missbrauchsfällen 2013 eingesetzt. Außer Kirchen und Religionsgemeinschaften mussten auch Sportverbände, Krankenhäuser, die Armee und die Unterhaltungsbranche ihren Umgang mit sexuellem Missbrauch offenlegen.

Insgesamt 189 neue Empfehlungen im Abschlussbericht ergänzen die bisher in einer Reihe von Zwischenberichten formulierten 220 Empfehlungen der Missbrauchskommission. Der nun vorgestellte Abschlussbericht besteht aus 17 Bänden mit insgesamt mehr als 100.000 Seiten.

Die Kommission empfiehlt den Kirchen unter anderem, künftig die Eignung von Priesteramtskandidaten für den Umgang mit Kindern zu prüfen, etwa durch psychologische Tests sowie eine psychosexuelle Einschätzung durch externe Experten. Weiter solle jede Person, gegen die ein begründeter Vorwurf sexuellen Missbrauchs von Kindern erhoben oder die wegen Missbrauchs verurteilt wurden, für immer aus der Seelsorge entfernt werden. Auch Staat und sonstige Institutionen sollten „eine nationale Strategie“ zur Missbrauchsprävention entwickeln.

Die 2013 von der australischen Regierung eingesetzte Missbrauchskommission hat in den fast fünf Jahren insgesamt 57 öffentliche Anhörungen abgehalten und hinter verschlossenen Türen die Aussagen von 8.013 Missbrauchsopfern gehört. Zudem erhielt sie 1.344 schriftliche Aussagen. Von diesen 9.357 Aussagen wurden 3.955 anonymisiert im Abschlussbericht veröffentlicht. Vorsitzender Reed erklärte, die Kosten der Kommissionsarbeit hätten mit umgerechnet 223 Millionen Euro gut 20 Millionen unter dem von der australischen Regierung finanzierten Budget gelegen.

(kap)

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15. Dezember 2017, 17:58