Flüchtlingskind in Jordanien Flüchtlingskind in Jordanien 

Jordanien: Syrische Flüchtlingskinder wollen zur Schule

Zwei Jahre nach der Gründung des syrischen Flüchtlingslager Za'atari in Jordanien wollen die dort lebenden Kindern vor allem eines: zur Schule gehen. Ein Hintergrundbericht.

Johanna Mack – Za´atari (Jordanien)

Eine Lehrerin bringt es auf den Punkt: „Ich habe sie gefragt, warum sie zur Schule gehen möchten. Dieser Junge hat geantwortet, dass er Bildung bekommen möchte, um darauf seine Zukunft aufzubauen. Und er möchte Arzt werden.“

Diese Schulkinder haben ähnliche Träume und Wünsche wie Kinder überall auf der Welt. Was sie aber von vielen anderen Kindern unterscheidet: Sie leben in Za’atari, einem der größten Flüchtlingslager weltweit, und wie lange sie dort bleiben müssen, ist ebenso ungewiss wie die Zukunft ihres Herkunftslandes Syrien.

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Bis 2012 war es ein leerer Fleck in der Wüste – jetzt leben in der Nähe des nordjordanischen Za’atari Village 80.000 Flüchtlinge. Innerhalb von kürzester Zeit wurde hier ein Aufnahmelager für die vielen Menschen geschaffen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen mussten. Während sie zu Anfang in Zelten leben mussten, sind inzwischen alle Bewohner in Containern untergebracht. Vom höchsten Punkt in Za’atari sieht man das ganze Ausmaß dieser Containerstadt, die in zwölf Distrikte unterteilt ist. In Za’atari gibt ein Krankenhaus, elf medizinische Zentren, eine Polizei- und Feuerwehrwache und eine Einkaufsstraße mit kleinen Läden, die die Bewohner „Champs-Elysées“ getauft haben. Am Horizont liegt Syrien.

Die syrische Grenze? Die liegt in dieser Richtung. Sie ist 20 Kilometer entfernt“, so Balqis Albsharat. Sie ist für die Öffentlichkeitsarbeit des UNHCR, des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge, in Za’atari zuständig. Sie zeigt auf Wandbilder, die einige der Container schmücken: Sie gehören zu einer „Cash-for-Work“-Initiative, in der syrische Künstler und Handwerker dafür bezahlt werden, das Camp zu verschönern. Dies ist eine Maßnahme, die den Menschen den eintönigen Alltag erleichtern soll, denn eins der großen Probleme hier in Za’atari ist die Langeweile. Syrische Flüchtlinge durften in Jordanien lange nicht arbeiten. Inzwischen können sie eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis beantragen, allerdings nur für Jobs, die kein Jordanier übernehmen möchte.

 

Das Wasser ist knapp

 

Das kleine Land Jordanien, das in seiner Geschichte immer wieder große Zahlen an Flüchtlingen beispielsweise aus Palästina und dem Irak aufnahm, hat an der Last der vielen Neuankömmlinge aus Syrien schwer zu tragen. 660.000 syrische Flüchtlinge sind beim UNHCR registriert, man geht aber von einer Gesamtzahl von 1,5 Millionen aus. Eine der größten Herausforderungen ist die Wasserversorgung. Jordanien gehört zu den wasserärmsten Ländern der Welt und die vielen Flüchtlinge verschärfen das Problem. Balqis Albsharat:

„Dies, hinter der Baracke, ist ein Wasserreservoir. Darunter liegt ein Bohrloch. Wir haben drei Bohrlöcher. UNICEF arbeitet gerade hart daran, die Wasserversorgung und das Abwassersystem zu verbessern. Momentan wird das Wasser mit Lastwagen zu den Haushalten transportiert, aber wir hoffen, bald Rohre zu haben, über die alle Haushalte direkt versorgt werden können.“

In Jordanien dürfen Flüchtlinge die Lager auch verlassen und sich in den Städten ansiedeln. Dies können sich aber oft nur diejenigen leisten, die dort Angehörige haben oder ihren Besitz nicht zurücklassen mussten, denn Hilfsleistungen zahlen die Vereinten Nationen nur in den Lagern. Da die Krise in Syrien andauert, steigt die Angst, dass die als Provisorium gedachten Lager zu dauerhaften Flüchtlingssiedlungen werden. Ähnlich geschah es bereits mit den palästinensischen Füchtlingscamps. Viele der Syrer, die in Jordanien keine Perspektive für sich sehen, entscheiden sich daher für den gefährlichen Weg nach Europa. Andere gehen zurück nach Syrien, obwohl der UNHCR wegen des unverändert hohen Risikos davon abrät. Besonders schwierig ist die Situation für die Kinder. 60 bis 80 Babys werden pro Woche in Za’atari geboren. Das sind so viele, dass sie pro Jahr ein neues Camp in der Größe Za’atari füllen könnten. In 26 Schulen versuchen 1000 Lehrer, den Kindern Bildung zu ermöglichen. Widad Hussein ist Lehrerin an einer UNICEF-Schule in Za’atari. Sie erzählt, dass längst nicht alle Kinder hier eine Schule besuchen können:

„Natürlich nicht Alle! Denn viele Kinder brechen die Schule ab, aber wir versuchen, sie in unseren Drop-In-Zentren in zu versorgen. Die Schüler erhalten in diesen Zentren eine Ausbildung, die ihnen helfen soll, in ihrem Leben zurecht zu kommen. Denn sie haben keine andere Wahl, als ihren Familien zu helfen.“

Die Kinder arbeiten zu schicken erscheint manchen Familien rentabler und auch die Zahl der minderjährig verheirateten Mädchen steigt nach Angaben von UNICEF. Morgens gehen die Mädchen zur Schule, nachmittags die Jungen. Die Ausstattung der Schulen ist rudimentär. Widad Hussein erzählt, was dort am dringendsten gebraucht wird:

 „Es ist Elektrizität! Und wie man sieht, ist es hier sehr matschig. Die Wege müssen gekiest werden. Und sie brauchen Computerräume, Labore, einen Spielplatz…“

Regelmäßig fordert der UNHCR die Geberländer zu Spenden auf, um die Grundversorgung in Za’atari sichern zu können. Als Großbritannien _ aufhörte, das World Food Programme zu unterstützen, mussten die Kalorien in den Nahrungsrationen reduziert werden. Auch das Bezahlsystem mit aufladbaren Cashcards konnte nicht aufrecht erhalten werden. Pro Monat bekommt jeder Einwohner nun 20 Jordanische Dinar, mit denen sie unter anderem Lebensmittel erwerben können. Bezahlt wird per Scan der Iris. Internet gab es mal im Camp, aus Sicherheitsgrünen wurde es aber abgeschaltet. Zwar ist Za’atari das erste Flüchtlingslager mit Elektrizitätsversorgung, sie steht den Bewohnern pro Tag aber nur zwei Stunden lang zur Verfügung. Jetzt, im Winter, wird zusätzlich Geld für Heizgas gebraucht.

Die Kinder in der UNICEF-Schule hoffen, dass sie Za’atari bald verlassen und wieder ein normales Leben beginnen können:

„Ich habe sie gefragt, ob Sie eine Botschaft an die Kinder in Eurem Land übermitteln möchten. Sie sagen: Wir möchten ihnen schöne Grüße schicken und wir hoffen, dass die Menschen in den anderen Ländern uns helfen können, in unser Land zurück zu kommen. Sie alle wollen zurück nach Syrien.“

Unser Beitrag mit Stimmen aus Jordanien zum Nachhören

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29. Dezember 2017, 14:39