Protest in Kenia: Die Opposition bleibt nicht still Protest in Kenia: Die Opposition bleibt nicht still 

Kenia: „Die sollen uns endlich mal in Frieden lassen!“

Kenia steckt in einer schweren politischen Krise – der schlimmsten seit 2007, als rund um eine Präsidentenwahl Tausende von Menschen bei Unruhen und Massakern ihr Leben verloren haben. Auch diesmal entzündet sich das politische Fieber wieder an einer Präsidentenwahl: Der Amtsinhaber Uhuru Kenyatta ist vor ein paar Tagen mit einer satten Mehrheit wiedergewählt worden, weil sein Herausforderer Raila Odinga zu einem Boykott der Wahl aufgerufen hatte.

von Stefan von Kempis

Wähler der Opposition waren also am Wahltag zu Hause geblieben, darum lag die Wahlbeteiligung nur  bei 39 Prozent.

Kenyatta bekam, weil er praktisch allein im Ring stand, mehr als 98 Prozent der abgegebenen Stimmen, doch Odinga will ihn nicht als gewählten Präsidenten anerkennen, er nennt die Wahl eine „Parodie“. Eine frühere Präsidentenwahl im August war wiederholt worden, weil das Oberste Gericht Unregelmäßigkeiten gerügt hatte.

Seit dem Wahltag vor gut einer Woche sind neun Kenianer bei Unruhen ums Leben gekommen – vor allem in den Hochburgen der Opposition. Odinga ruft zu nationalem Widerstand gegen Kenyatta auf und fordert Neuwahlen.

„Was wir jetzt in Kenia am dringendsten brauchen, sind staatliche Institutionen, die unabhängig und den Regeln entsprechend arbeiten“, sagt der Jesuit Toussaint Kafarhire Murhula. Der gebürtige Kongolese unterrichtet in Kenias Hauptstadt Nairobi am Institut für Frieden und internationale Beziehungen.

„Gefahr für die Legitimität des demokratischen Prozesses“

„Die Einrichtungen, die Wahlen vorbereiten und durchführen, erfreuen sich in vielen Ländern Afrikas – auch hier in Kenia – wohl nicht der nötigen Unabhängigkeit; das ist eine Gefahr für die Legitimität des demokratischen Prozesses. Jetzt hat es wieder Wahlen gegeben, die Ergebnisse wurden bekanntgegeben; aber es muss Beweise für die Autonomie und Unabhängigkeit der Wahlkommission geben, damit die Kenianer weiter ihren Institutionen und vor allem der Demokratie vertrauen können.“

Der Jesuit macht sich damit in aller Vorsicht Klagen des Oppositionsführers Odinga zu eigen. Dieser hatte vergebens eine Reform der Wahlkommission gefordert. Doch anders als Odinga findet es Pater Murhula wichtig, dass die Neuwahl nicht abgesagt, sondern durchgeführt wurde. „Aus wirtschaftlichen Gründen, vor allem aber aus verfassungsrechtlichen Gründen. Man durfte jetzt nicht in die Falle laufen, dass die Machthaber ihre Legitimation vollends einbüßen. Die wirtschaftlichen Gründe sind allerdings ebenfalls wichtig. Es war absolut wichtig, an die Urnen zurückzukehren und noch einmal abzustimmen!“

 

Die letzte Chance?

Hinter der politischen Krise lauert – wie das in Afrika leider oft der Fall ist – ein ethnischer Konflikt: Die Regierung ist von der Ethnie der Kikuyu dominiert, die Opposition steht vor allem für die Luo.

„Oppositionsführer Odinga ist schon mehrmals als Präsidentschaftskandidat angetreten. Jetzt hat er wohl den Eindruck, dass das seine letzte Chance ist; vielleicht denkt er auch, dass er es offenbar auf demokratischem Weg nicht schaffen wird, ins höchste Amt zu gelangen. Darum hat er die Wahlergebnisse zurückgewiesen, und darum redet er jetzt von einer massiven Protestbewegung. Er plant offenbar eine Art Arabischen Frühling, den er in Kenia herbeiführen will; es geht bei dieser Krise also weniger um Ethnien als vor allem um den Machtfaktor.“

Wirtschaftlich ging es Kenia bislang ziemlich gut; das Land galt als Hort der Stabilität, in Nairobi haben viele internationale Konzerne und auch UNO-Einrichtungen ihren Sitz. Die Abwanderung junger Leute – ein Problem vieler Staaten Afrikas – hat deswegen Kenia bisher weniger erfasst. Das könnte sich jetzt ändern, wenn die politische Krise weiter eskaliert.

„Da zeichnet sich wirklich eine große Krise am Horizont ab: Raila Odinga hat angekündigt, dass ein Volksparlament zusammentritt. Das könnte zu einer nationalen Revolution auf den Straßen führen. Außerdem will er seine Partei zu einer Widerstandsbewegung umformen, und das würde natürlich die Stabilität des Landes gefährden. Ein großer Teil der Kenianer bezweifelt jetzt die Legitimität von Präsident Kenyatta, das kann zu einer sehr gefährlichen Dynamik führen.“

 

Ein arabischer Frühling in Kenia?

Der Jesuit hofft inständig, dass der Oppositionsführer in seiner Wut „nicht zu weit geht“; immerhin seien viele Kenianer von den Wirren rund um die zwei letzten Wahlen „erschöpft“ und machten sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze. „Wenn ich mit den Menschen auf der Straße über die Politiker spreche, dann sagen sie: Die sollen uns endlich mal in Frieden lassen!“

Die Bischöfe von Kenia haben die streitenden Politiker zu einem „ehrlichen Dialog“ aufgerufen. In einer Erklärung, die sie kurz vor dem zweiten Urnengang letzte Woche veröffentlichten, zeigen sie sich besorgt über die „immer tiefere Spaltung im Land“ und darüber, dass „das ständige Wahl-Durcheinander“ für die Bevölkerung schwerwiegende Folgen haben dürfte.

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05. November 2017, 18:32