Gallagher: „Eine entwaffnende, universale Vision von Frieden“
Mario Galgano und Federico Piana - Vatikanstadt
„Unsere Welt steht an einem Scheideweg“, erklärte Erzbischof Paul Richard Gallagher, Sekretär des Heiligen Stuhls für die Beziehungen zu Staaten und internationalen Organisationen, beim Forum Globsec 2025 in Prag. Die Veranstaltung, die an diesem 14. Juni zu Ende ging, versammelte internationale Führungspersönlichkeiten, um über globale Sicherheitsfragen und Strategien für den Frieden zu diskutieren.
Gallagher beschrieb eine Welt, die von zahlreichen Konflikten gezeichnet sei. „Der Krieg in der Ukraine hat die Illusion zerstört, der Friede in Europa sei dauerhaft. Das Heilige Land blutet. Syrien, der Jemen, die Sahelzone – zu viele Orte sind gefangen in Spiralen der Gewalt und Hoffnungslosigkeit.“
Frieden braucht mehr als Diplomatie
Vor diesem Hintergrund mahnte Gallagher, dass politische und wirtschaftliche Strukturen allein nicht ausreichten. „Frieden braucht mehr als Regierungsführung. Er erfordert eine moralische Vision und eine Umwandlung der Herzen.“ Die Menschheit strebe nicht nur nach dem Ende der Gewalt, sondern auch nach einer „Heilung der Erinnerung“, der Wiederherstellung zerstörter Beziehungen und der Rückkehr von Hoffnung.
Frieden aus Liebe, nicht aus Angst
Zu Beginn seiner Rede zitierte Gallagher den neuen Papst Leo XIV., der am Abend seiner Wahl im Dezember 2024 auf dem Petersplatz zur Welt gesprochen hatte: „Eine entwaffnende, sanfte, ausdauernde Art des Friedens.“ Gallagher griff diesen Gedanken auf: „Dieser Gruß drückt die Friedensvision des Heiligen Stuhls aus – nicht geschmiedet mit Waffen, nicht abgesichert durch Drohungen oder Abschreckung, sondern geboren aus Liebe, getragen von Gerechtigkeit und verwurzelt in der Würde jedes Menschen.“ Ein solcher Friede sei wahrhaft katholisch, im ursprünglichen Sinn des Wortes katholikós – universal.
Gerechte Beziehungen statt bloßer Waffenstillstand
Für die katholische Lehre bedeutet Frieden nicht lediglich Abwesenheit von Krieg, sondern die Gegenwart gerechter Beziehungen – ein Werk der Gerechtigkeit. „Seit dem Ersten Weltkrieg rufen päpstliche Lehren zu einem Frieden auf, der nicht auf Eroberung, sondern auf Wahrheit, Liebe, Freiheit und der unantastbaren Würde der menschlichen Person gründet.“ Wahre Friedensarbeit müsse zudem den Weg umfassender menschlicher Entwicklung einschlagen, denn „Krieg ist letztlich das Scheitern von Politik und Menschlichkeit.“
Religion als moralischer Kompass
Gallagher trat auch der verbreiteten These entgegen, Religion sei Ursache vieler Konflikte. „Wie Papst Franziskus betont, ist es nicht Religion selbst, sondern ihre Verzerrung, die zur Gewalt führt.“ Richtig verstanden, verbinde Religion – religare, verbinden – den Menschen mit Gott und untereinander. Sie appelliere nicht an Vergeltung, sondern an das Gewissen und an Vergebung. „Das Herz des Menschen bleibt unruhig, bis es in Gott ruht“, zitierte Gallagher den Kirchenvater Augustinus.
Dialog statt Herrschaft
Die Friedensdiplomatie des Vatikans sei keine Machtpolitik, sondern beruhe auf moralischer Glaubwürdigkeit. „Die Gegenwart der Kirche in der Diplomatie ermöglicht ihr, mit allen Seiten zu sprechen – nicht im Geist der Vorherrschaft, sondern im Geist des Dialogs.“ Viele aktuelle Konflikte ließen sich nicht verstehen, ohne die religiösen Identitäten und spirituellen Sehnsüchte der Beteiligten zu erkennen.
Vier Säulen des Friedens
Zum Schluss umriss Gallagher die vier Säulen des vatikanischen Friedensverständnisses:
1. Menschliche Würde: Jede menschliche Existenz sei heilig. „Kein Frieden ist möglich, wenn auch nur ein Leben als verzichtbar gilt.“
2. Gemeinwohl: Frieden müsse allen dienen – nicht nur den Starken, sondern besonders den Armen, Geflüchteten und Vergessenen.
3. Solidarität: „Wir sind keine isolierten Individuen, sondern eine Menschheitsfamilie.“ Frieden wachse durch wechselseitige Abhängigkeit.
4. Ganzheitliche Entwicklung: In den Worten Pauls VI.: „Entwicklung ist der neue Name für Frieden.“ Sie müsse alle Dimensionen des Menschseins und alle Völker umfassen.
Mit diesem Appell an Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein forderte Gallagher dazu auf, die Vision eines Friedens zu verwirklichen, der auf Vertrauen, nicht auf Furcht beruht.
(vatican news)
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