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Karfreitagsliturgie: Die Intelligenz des Kreuzes, das nicht berechnet

Die Predigt für die Liturgie vom Leiden und Sterben Christi hat wie üblich der Prediger des Päpstlichen Hauses verfasst, in diesem Jahr erstmals P. Roberto Pasolini. Am Karfreitag, so der Kapuziner, betrachte die Kirche in Anbetung nicht Gottes Scheitern, sondern seinen „geheimnisvollen Triumph“ in der „widersprüchlichen Form des Kreuzes“.

Der Liturgie vom Leiden und Sterben Christi stand in diesem Jahr im Auftrag des Papstes Kardinal Claudio Gugerotti, der Präfekt des Dikasteriums für die Ostkirchen, vor – ein besonderes Zeichen in dem Jahr, in dem Christen aller Konfessionen erstmals seit 2014 am selben Tag Ostern feiern. Franziskus erholt sich nach wie vor von seiner schweren Lungenentzündung, die einen längeren Krankenhausaufenthalt nötig machte, so dass er öffentlichen Feiern derzeit noch nicht selbst vorsteht. Rund 4.500 Gläubige hatten sich an diesem Karfreitag im Petersdom versammelt, um die Liturgie mitzufeiern. Unter ihnen war auch der amerikanische Vizepräsident JD Vance – ein konvertierter Katholik - mit seiner Familie.

Kardinal Claudio Gugerotti stand der Feier vor
Kardinal Claudio Gugerotti stand der Feier vor   (Vatican Media)

Im Herz des Triduums

Der Karfreitag, so der Kapuzinerpater Roberto Pasolini in seiner Predigt, stehe im Herzen des österlichen Triduums – ein Tag, der sich auch farblich und inhaltlich von den anderen unterscheide: Statt in weißem Licht erscheine er in „dramatischem Rot“.

„Heute lädt uns die Liturgie zu Stille und Besinnung ein, denn es ist der Tag, an dem der Bräutigam von uns genommen wird. Am Karfreitag hält die Kirche in der Anbetung inne und betrachtet nicht Gottes Scheitern, sondern seinen geheimnisvollen Triumph in der widersprüchlichen Form des Kreuzes“, führte der Prediger die Gläubigen in seine Überlegungen ein.

P. Roberto Pasolini hielt die Predigt
P. Roberto Pasolini hielt die Predigt   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Eine andere Art von Intelligenz

Zu einer Zeit, in der künstliche Intelligenz unser Denken und Leben präge, schlage das Kreuz hingegen eine Intelligenz der Liebe vor – eine, die nicht berechne oder optimiere, sondern sich verschenke, so Pasolini weiter: „Eine Intelligenz, die nicht künstlich ist, sondern zutiefst beziehungsorientiert, weil sie ganz offen ist für Gott und für die anderen.“

In einer Welt, in der uns die Algorithmen vorzuschreiben schienen, was wir wünschen oder denken sollten, ja, sogar wer wir sein sollten, gebe uns das Kreuz hingegen die „Freiheit einer echten Wahl" zurück, die „nicht auf Leistungsfähigkeit, sondern auf der Liebe beruht, die sich selbst schenkt":

„Deshalb begann die Liturgie in einer Atmosphäre tiefer Stille und trauriger Feierlichkeit: die Amtsträger werfen sich zu Boden und die ganze Gemeinde ist im Gebet versammelt. Diese Haltungen sind notwendig, um im Leiden Christi jene Intelligenz der Liebe zu erkennen, in der sich das Heil der Welt verdichtet", so P. Pasolini weiter.

Die schönsten Momente der Liturgie im Video

Denn dadurch gelinge es, die Leiden Christi als Akt göttlicher Liebe zu verstehen – nicht als passives Erleiden, sondern als freies Annehmen und Durchleben. Dies werde auch im Hebräerbrief verdeutlicht, wenn es heißt, dass Jesus „mit lautem Schreien und Tränen“ betete und „wegen seiner Hingabe erhört“ wurde (Hebräer 5,7-9).

„Aber was bedeutet ,erhört werden’? Wie erhört Gott die schmerzvollen und verzweifelten Gebete?", so die rhetorische Frage des Kapuzinerpaters. Denn wir wüssten sehr wohl, wie Gott reagiert habe. Er habe seinem Sohn das Leiden nicht erspart, doch er habe „sein Herz gestärkt und ihm die Kraft gegeben, sich der Herausforderung der größten Liebe hinzugeben, die auch vor den Feinden nicht Halt“ mache. Letztlich gehe es also nicht darum, dem Leid auszuweichen - sondern darum, dass Gott seinem Sohn die Kraft gegeben habe, dieses im Vertrauen durchzustehen und so in einen „Weg des Heils“ zu verwandeln.

Bei der Karfreitagsliturgie
Bei der Karfreitagsliturgie   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Freie Annahme des Leidens

Insbesondere in drei Momenten der Passion werde mit Aussagen Jesu selbst aufgezeigt, wie man ein derart tiefes Gottvertrauen leben könne, „ohne aufzuhören, der Hauptakteur der eigenen Geschichte zu sein“, fuhr der Prediger fort. So trete Jesus im Garten Gethsemane seinen Verfolgern entgegen und offenbare seine Identität mit den Worten: „Ich bin es“ (Joh 18,6), woraufhin die Soldaten zurückwichen und zu Boden stürzten, erst bei der zweiten, gleichlautenden Antwort werde er dann verhaftet. Jesus werde also nicht überwältigt, sondern gebe sich bewusst und „aus freien Stücken“ hin. Dies könne auch für uns selbst eine Mahnung sein, um uns in Zeiten, in denen in unserem Leben etwas schieflaufe, Gott mit demselben Vertrauen zu überlassen:

„Aber wie geht das? Indem wir einen Schritt nach vorne machen. Indem wir uns zuerst der Wirklichkeit stellen. Diese Haltung ändert kaum etwas am Lauf der Dinge – Jesus wird sogar gleich darauf verhaftet –, aber wenn man im Glauben an Gott und im Vertrauen auf die von Ihm geführte Geschichte lebt, erlaubt das uns, innerlich frei und standhaft zu bleiben. Nur so wird die Last des Lebens leichter, und das Leiden, das zwar real bleibt, hört auf, sinn- und nutzlos zu sein; und es bringt neues Leben hervor.“

Rund 4.500 Gläubige nahmen teil
Rund 4.500 Gläubige nahmen teil   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Menschliche Unzulänglichkeit

Mit den Worten „Mich dürstet“ (Joh 19,28) offenbare Jesus hingegen am Kreuz seine zutiefst menschliche Seele, indem er um etwas bitte, das er selbst sich nicht geben könne, erläuterte P. Pasolini weiter. Sein Durst stehe letztlich auch sinnbildlich für das menschliche Verlangen nach Liebe, Zuwendung und Annahme:

„Um das zu bitten, was wir brauchen, und zuzulassen, dass andere es uns anbieten, ist vielleicht eine der höchsten und demütigsten Formen der Liebe. Dazu müssen wir allen Stolz, aber auch jegliche Täuschungen aufgeben, dass wir uns selbst retten könnten. Die Not nicht als eine Schwäche akzeptieren, die man verstecken muss, sondern als eine Wahrheit, die man durchleben soll. Und erkennen, dass wir allein nicht leben können - und nicht leben wollen.“

Bei der Karfreitagsliturgie
Bei der Karfreitagsliturgie   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Selbsthingabe aus Liebe

Als Jesus dann von dem Essig genommen hatte, den die spöttelnden Wachen ihm anstelle des erbetenen Wassers gereicht hatte, verstarb er, nachdem er die Worte gesprochen hatte: „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30).

„Jesus bezeugt die Vollendung seines und unseres Menschseins, wenn er, von allem beraubt, beschließt, uns sein Leben und seinen Geist ganz zu geben“, unterstrich P. Pasolini mit Blick auf die Todesstunde Jesu. Dies sei also „keine passive Hingabe“, sondern ein „Akt höchster Freiheit“, der die „Schwäche als den Ort annimmt, an dem die Liebe sich vollendet“:

„Nicht Selbstbestimmung oder große Leistungen geben dem Leben einen Sinn, sondern die Fähigkeit, die Begrenztheit in eine Gelegenheit zum Geschenk zu verwandeln. Mit dieser Geste offenbart uns Jesus, dass nicht die Stärke die Welt rettet, sondern die Schwäche einer Liebe, die nichts zurückhält.“

In einer leistungsorientierten Gesellschaft wie der heutigen werde Schwäche allerdings oft verdrängt, so dass es schwerfalle, „Momente der Niederlage oder der Passivität als mögliche Orte der Erfüllung zu erkennen“. Vielmehr werde es uns unbehaglich, wenn wir mit derartigen Momenten konfrontiert würden, und wir versuchten, aus der misslichen Lage zu entkommen, die wir als Gefängnis empfinden. Allerdings liege vor allem in Momenten der Ohnmacht eine tiefe Wahrheit, zeige sich die Liebe doch gerade in den Situationen, in denen es „nichts mehr zu tun“ gebe: „Aber das Schönste, was es zu tun gibt ist: uns endlich hinzugeben.“

Zu Beginn der Feier ein Akt der Demut
Zu Beginn der Feier ein Akt der Demut   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Vertrauen trotz Angst und Leid

Das Jubiläumsjahr lade uns ein, Christus als Anker der Hoffnung zu sehen, ging P. Pasolini abschließend auch auf das aktuelle Heilige Jahr ein, das der Papst unter das Motto der Hoffnung gestellt hatte. Doch Glauben falle nicht leicht – vor allem nicht, wenn Leid oder Einsamkeit uns träfen, räumte er ein. Deshalb rufe der Hebräerbrief dazu auf, mit Zuversicht zum „Thron der Gnade“ zu treten, um Hilfe zu empfangen. Die Kreuzverehrung an Karfreitag werde so zu einem Akt tiefen Vertrauens:

„In diesem Moment der Anbetung werden wir die Gelegenheit haben, unser volles Vertrauen in die Art und Weise zu erneuern, in der Gott die Welt retten will, und wir werden auch in der Lage sein, uns mit dem Schicksal von Leiden, Tod und Auferstehung zu versöhnen, auf das unser Leben unausweichlich zusteuert.“

Dies bedeute allerdings nicht, dass die „Angst verschwinden“ oder der „Weg plötzlich sicher“ werde: „Es bedeutet nur, dass wir Christen heute, mitten im Jubiläum, den Kreuzweg als die einzig mögliche Richtung unseres Lebens wählen.“

Bei der Karfreitagsliturgie
Bei der Karfreitagsliturgie   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Liebe und Geschwisterlichkeit

Zwar seien wir uns bewusst, dass unsere eigenen Kräfte nicht ausreichten, um diesen Weg zu gehen, doch im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes könnten wir uns an das Wesentliche erinnern:

„So wie wir geliebt wurden, werden wir fähig sein zu lieben, unsere Freunde und sogar unsere Feinde. Dann werden wir Zeugen und Zeuginnen für die eine Wahrheit sein, die die Welt rettet: Gott ist unser Vater. Und wir alle sind Schwestern und Brüder in Christus Jesus, unserem Herrn“, schloss der Päpstliche Hausprediger die erste Karfreitagspredigt, die er in seinem Amt, das er seit November 2024 innehat, gehalten hat.

Anschließend folgten die in lateinischer Sprache vorgetragenen Großen Fürbitten für die Anliegen der Kirche und der Welt, bevor nach dem Wortgottesdienst in einem zweiten Teil der Liturgie die Erhebung und Verehrung des Kreuzes folgte, bevor die Anwesenden im dritten Teil dieser besonderen Liturgie - am Karfreitag werden keine Messen gefeiert - die Kommunion empfingen. Nach dem abschließenden Gebet des Zelebranten, Kardinal Claudio Gugerotti, verließen die Gläubigen gemessen und in Stille - wie auch bereits beim Einzug vorgesehen - den Petersdom. 

Der US-Vizepräsident JD Vance nahm mit seiner Familie an der Feier teil
Der US-Vizepräsident JD Vance nahm mit seiner Familie an der Feier teil   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Kreuzwegprozession am Abend

Einige von ihnen nahmen anschließend sicher auch an der traditionellen Kreuzwegsprozession teil, die ab 21.15 Uhr am römischen Kolosseum auf dem Programm steht. Die Andacht erinnert in 14 Stationen an den Leidensweg Jesu. In diesem Jahr stammen die Meditationen dazu bereits zum zweiten Mal von Papst Franziskus selbst, der allerdings wegen seiner nach wie vor fragilen Gesundheit mit Kardinal Baldassare Reina auch für diese Feierlichkeiten einen Delegaten bestimmt. Der Italiener ist seit Oktober 2024 Vikar des Papstes für das Bistum Rom. Das Gedenken an das Leiden und Sterben Jesu Christi, das die Päpste seit 1964 jeden Karfreitagabend beim antiken Amphitheater zusammen mit zehntausenden Gläubigen begehen, gehört zu den Höhepunkten der Osterfeierlichkeiten in Rom.

(vatican news - cs)

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18. April 2025, 19:04