Suche

Rom: Kard. Reina feiert Gedenkmesse für Papst Franziskus

In der neuntägigen Trauerzeit, die mit dem Begräbnis eines Papstes beginnt, wird jeden Tag im Petersdom eine Messe gelesen. Am dritten Tag dieser sogenannten "Novendialen" führte Kardinal Baldassare Reina den Vorsitz der Gedenkmesse für Papst Franziskus, zu der sich 180 Kardinäle und zahlreiche Gläubige des Bistums Rom im Petersdom versammelt hatten.

Lesen Sie hier den Wortlaut der Predigt, die Kard. Baldassare Reina, Generalvikar Seiner Heiligkeit für das Bistum Rom und Erzpriester der Lateranbasilika, diesen Montag bei der Gedenkmesse für den verstorbenen Papst Franziskus im Petersdom in Rom gehalten hat:

Meine schwache Stimme ist heute hier, um das Gebet und den Schmerz eines Teils der Kirche, nämlich der Kirche von Rom, zum Ausdruck zu bringen, auf der die große Verantwortung lastet, die ihr die Geschichte auferlegt hat. In diesen Tagen trauert Rom um seinen Bischof: ein Volk, das sich zusammen mit anderen Völkern an verschiedenen Orten der Stadt zusammenfindet, um zu weinen und zu beten, wie Schafe ohne Hirten.

Schafe ohne Hirten: Eine Metapher, die es uns ermöglicht, die Gefühle dieser Tage zusammenzufassen und in das Bild einzutauchen, das uns das Johannesevangelium vorlegt: das Bild vom Korn, das sterben muss, um Frucht zu bringen. Ein Gleichnis, das von der Liebe des Hirten zu seiner Herde erzählt.

Ein Eindruck von der Messe im Petersdom
Ein Eindruck von der Messe im Petersdom   (Vatican Media)

 

Die Menschheit erscheint wie eine Herde von Schafen ohne Hirten...

In dieser Zeit, in der die Welt in Flammen steht und nur wenige den Mut haben, das Evangelium zu verkünden als eine mögliche und konkrete Vision der Zukunft, erscheint die Menschheit wie eine Herde von Schafen ohne Hirten. Es ist das Bild, mit dem Jesu die Menschenmengen beschreibt, die ihm folgen.

Um ihn herum stehen die Apostel, die ihm alles berichten, was sie getan und gelehrt haben. Die Worte, Gesten und Taten, die sie vom Meister gelernt haben, die Verkündigung des Reiches des kommenden Gottes, die Notwendigkeit einer Lebensveränderung, verbunden mit Zeichen, die den Worten Gestalt geben: eine Liebkosung, eine ausgestreckte Hand, Worte, die nicht verurteilen, sondern befreien, ohne Furcht vor dem Kontakt mit dem Unreinen. Bei der Erfüllung dieses Dienstes, der notwendig war, um den Glauben, die Hoffnung zu wecken, dass das Böse in der Welt nicht das letzte Wort haben würde, dass das Leben stärker ist als der Tod, hatten sie nicht einmal Zeit zum Essen.
Jesus spürt diese Last, und das tröstet uns jetzt.

Die schönsten Momente der Messe im Video

 

Jesus, der wahre Hirte der Geschichte, die der Erlösung bedarf, weiß, wie schwer die Last ist, die auf jedem von uns lastet, wenn wir seine Mission fortsetzen - vor allem, wenn es um unsere Aufgabe geht, den ersten seiner Hirten auf Erden zu wählen.
Wie zu Zeiten der ersten Jünger gibt es Erfolge und auch Misserfolge, Müdigkeit und Angst. Die Aufgabe ist gewaltig, und da kann es Versuchungen geben, die das Einzige verschleiern, was zählt: das Verlangen, die Suche, das Wirken in Erwartung „eines neuen Himmels und einer neuen Erde“.


Dies kann nicht die Zeit sein für Balanceakte und Taktiken...

Dies kann nicht die Zeit sein für Balanceakte und Taktiken; es kann keine Zeit sein, die dem Instinkt folgt, einen Schritt rückwärts zu machen oder - schlimmer noch -, Rachepläne und Machtbündnisse zu schmieden. Vielmehr bedarf es einer radikalen Bereitschaft, in den Traum Gottes einzutreten, der unseren armseligen Händen anvertraut ist. Mich beeindruckt in diesem Moment, was uns der Apostel sagt: „Ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen, bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.“

Ein neuer Himmel, eine neue Erde, ein neues Jerusalem. Angesichts dieser Neuigkeit dürfen wir uns nicht der geistigen und spirituellen Trägheit hingeben, die uns an Formen der Gotteserfahrung und an kirchliche Praktiken der Vergangenheit bindet, die wir endlos wiederholt sehen möchten, weil wir Angst vor den Verlusten haben, die mit den notwendigen Veränderungen verbunden sind.

Die Gedenkmesse für Papst Franziskus
Die Gedenkmesse für Papst Franziskus   (Vatican Media)

 

Ich denke an die vielfältigen Reformprozesse des kirchlichen Lebens, die Papst Franziskus eingeleitet hat und die über religiöse Zugehörigkeiten hinausgehen. Die Menschen haben ihn als universellen Hirten anerkannt, und so muss das Schiff Petri weit hinausfahren, Grenzen überschreiten und überraschen. Die Menschen tragen Unruhe in ihren Herzen, und ich glaube, darin eine Frage zu erkennen: Was wird aus den eingeleiteten Prozessen werden?

Unsere Aufgabe sollte es sein, das, was begonnen wurde, im Lichte dessen, was unsere Mission von uns verlangt, zu unterscheiden und zu ordnen - in Richtung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, indem wir die Braut für den Bräutigam schmücken. Wir könnten zwar versuchen, die Braut nach weltlichen Konventionen zu kleiden, geleitet von ideologischen Ansprüchen, die die Einheit der Gewänder Christi zerreißen. Einen Hirten zu suchen aber bedeutet heute vor allem, einen Führer zu suchen, der mit der Angst vor Verlusten angesichts der Anforderungen des Evangeliums umzugehen weiß.

„Der Blick der Offenbarung der Menschlichkeit Gottes in einer Welt, die unmenschliche Züge trägt“

 

Einen Hirten suchen, der den Blick Jesu hat, den Blick der Offenbarung der Menschlichkeit Gottes in einer Welt, die unmenschliche Züge trägt. Einen Hirten suchen, der uns bestätigt, dass wir gemeinsam vorangehen müssen, indem wir Dienste und Charismen zusammenführen: Wir sind das Volk Gottes, das dazu berufen ist, das Evangelium zu verkünden.

Als Jesus die Menschen sieht, die ihm folgen, wird er von Mitgefühl erfasst: Er sieht Frauen, Männer, Kinder, Alte und Junge, Arme und Kranke - und niemanden, der sich um sie kümmert; niemanden, der ihren Hunger stillen kann, diesen Hunger in einem Leben, das hart geworden ist; den Hunger nach dem Wort Gottes. Angesichts dieser Menschen fühlt er sich als ihr Brot, das nicht enttäuscht, als ihr Wasser, das unendlich durstlöschend ist, als Balsam, der ihre Wunden heilt.

Kard. Reina bei der Messfeier an diesem Montag
Kard. Reina bei der Messfeier an diesem Montag   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

 

Er empfindet dasselbe Mitleid wie Moses, der am Ende seiner Tage vom Gipfel des Berges Abarim aus, angesichts des Landes, das er nicht betreten darf, auf die Menge blickt, die er geführt hat, und zum Herrn betet, dass dieses Volk nicht zu einer Herde ohne Hirten werde: zu einem Volk, das er nicht bei sich behalten kann, einem Volk, das weiterziehen muss.

Dieses Gebet ist nun unser Gebet, das Gebet der ganzen Kirche und aller Frauen und Männer, die um Führung und Hilfe in den Mühen des Lebens bitten, inmitten von Zweifeln und Widersprüchen: Waisen eines Wortes, das ihnen Orientierung gibt inmitten von Sirenengesängen, die dem Instinkt zur Selbstrettung schmeicheln; eines Wortes, das die Einsamkeit durchbricht, die Ausgestoßenen aufnimmt; das sich nicht der Übermacht ergibt und den Mut hat, das Evangelium nicht den tragischen Kompromissen der Angst, der Komplizenschaft mit weltlicher Logik, blinden Bündnissen und der Taubheit gegenüber den Zeichen des Heiligen Geistes zu beugen.

Der gute Hirte, der sein Leben gibt für die Schafe

Das Mitgefühl Jesu ist das der Propheten, die das Leiden Gottes offenbaren, wenn er sein Volk zerstreut und missbraucht sieht von schlechten Hirten, von Söldnern, die sich der Herde bedienen und fliehen, wenn sie den Wolf kommen sehen. Den schlechten Hirten sind die Schafe gleichgültig: sie lassen sie in der Gefahr zurück, und so werden sie geraubt und zerstreut.
Der gute Hirte hingegen gibt sein Leben für seine Schafe. Von dieser radikalen Haltung des Hirten spricht die Seite des Johannesevangeliums, die in dieser Eucharistiefeier verkündet wird und uns Zeugnis davon gibt, wie Jesus über den Tod hinausblicken kann, als die Stunde gekommen war, in der seine Mission verherrlicht werden würde. Die Stunde des Todes am Kreuz, der die bedingungslose Liebe zu allen Menschen offenbart. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein.“ Das Weizenkorn, das durch die Menschwerdung des Wortes die Erde gesucht hat; das gefallen ist, um die Gefallenen wieder aufzurichten; das gekommen ist, um die Verlorenen zu suchen.

Blick in den Petersdom
Blick in den Petersdom   (Vatican Media)

 

Sein Tod ist eine Aussaat, die uns in dieser Stunde in der Schwebe lässt, in der der Samen nicht mehr zu sehen ist, von der Erde umhüllt, die ihn verbirgt und uns befürchten lässt, dass er verschwendet wurde. Eine Schwebe, die uns beängstigen könnte, aber zur Schwelle der Hoffnung werden kann, zu einem Spalt im Zweifel, zu Licht in der Nacht, zum Garten von Ostern.

Die verheißene Fruchtbarkeit gehört zur Bereitschaft zum Tod; der Bereitschaft, zu zertretenem Weizen zu werden, Geisel der Untreue und Undankbarkeit, auf die Jesus - der gute Hirte, der sein Leben hingibt für seine Schafe -, im Moment des Todes, von all seinen Freunden verlassen, mit der vom Vater erbetenen Vergebung antwortet. Der gute Hirte sät mit seinem Tod, indem er seinen Feinden vergibt und ihr Heil, das Heil aller, dem eigenen vorzieht. Wenn wir dem Herrn, dem in die Erde gefallenen Weizenkorn, treu sein wollen, müssen wir dies tun, indem wir mit unserem Leben säen. Und wie könnten wir den Psalm vergessen: „Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten!“

Gott verlässt sein Volk nicht, er lässt seine Hirten nicht allein

Es gibt Zeiten wie die unsere, in denen das Säen - wie für den Bauern, von dem der Psalmist spricht -, zu einer extremen Geste wird, die von der Radikalität eines Glaubensaktes ausgeht. Es ist eine Zeit der Hungersnot: der Samen, der auf die Erde geworfen wird, ist der letzte Vorrat, ohne den man sterben muss. Der Bauer weint, weil er weiß, dass dieser letzte Akt ihn sein Leben riskieren lässt. Aber Gott verlässt sein Volk nicht, er lässt seine Hirten nicht im Stich; er wird nicht zulassen, dass sein Sohn im Grab, im Grab der Erde, verlassen wird.

Unser Glaube bewahrt die Verheißung einer freudigen Ernte, die jedoch durch den Tod des Samens, der unser Leben ist, gehen muss. Diese extreme, totale und erschöpfende Geste des Sämanns hat mich an den Ostertag von Papst Franziskus denken lassen: an diesen so selbstlos gespendeten Segen, die Umarmung seines Volkes am Tag vor seinem Tod. Der letzte Akt seines selbstlosen Säens war die Verkündigung der Barmherzigkeit Gottes.

Danke, Papst Franziskus.

Maria, die selige Jungfrau, die wir in Rom als Salus populi romani verehren und die nun seine sterblichen Überreste begleitet und bewacht, möge seine Seele aufnehmen und uns beschützen, damit wir seine Sendung fortsetzen können. Amen.

(vaticannews - übersetzung: Silvia Kritzenberger)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

28. April 2025, 18:39