Suche

Erzbischof Fisichella auf einem Archivbild Erzbischof Fisichella auf einem Archivbild 

Zehn Jahre Evangelii Gaudium: Dokument, das provokative Kraft bewahrt hat

„Eine Kirche im Aufbruch“, der Blick für die Peripherie und die Armen, ebenso wie der Dialog auf verschiedenen Ebenen als Beitrag zum Frieden: Als Papst Franziskus am 24. November 2013 das Apostolische Schreiben Evangelii Gaudium vorlegte, waren viele Themen seines noch jungen Pontifikates bereits umrissen.

Christine Seuss und Tiziana Campisi - Vatikanstadt

Für Erzbischof Rino Fisichella, den Pro-Präfekten des Dikasteriums für Evangelisierung, handelt es sich dabei um ein „programmatisches Dokument“, das auch zehn Jahre nach seinem Erscheinen „noch immer seine ganze treibende und provokative Kraft bewahrt hat“.

Hervorstechendes Thema ist jedoch die Verkündigung des Evangeliums in der aktuellen Welt. So lädt Franziskus in seinem Text die Christen zu „einer neuen Etappe der Evangelisierung“ ein und zeigt Wege auf, die „für den Weg der Kirche“ zu gehen sind. Der Ruf nach einer aufgeschlossenen, missionarischen Kirche und kirchlicher Erneuerung findet heute, zehn Jahre später, seine Antwort in einer Synode zur Synodalität, in der Geweihte und Laien Seite an Seite daran arbeiten, wie die Kirche der Zukunft synodaler gestaltet werden kann. Auch der Einsatz für die soziale Eingliederung der Armen und die Aufforderung zum Dialog auf verschiedenen Ebenen als Beitrag zum Frieden finden in dem frühen Dokument des Papstes bereits ihren Ausdruck.

Neue Sprache wird benötigt

In der heutigen Welt mit ihrer digitalen Kultur und ihrem Rückgriff auf künstliche Intelligenz, in der die Fragen der Freiheit und der Wahrheit noch stärker ins Spiel kommen, ist die Verkündigung des Evangeliums eine Priorität, sagt Erzbischof Rino Fisichella, Pro-Präfekt des Dikasteriums für Evangelisierung, im Interview mit Radio Vatikan. Dabei bedürfe es aber einer neuen Sprache, die in der Lage sei, dessen Schönheit verständlich zu machen.

„Evangelii gaudium ist nicht nur das erste Dokument, es ist auch das programmatische Dokument des Pontifikats von Papst Franziskus, das schreibt er selbst auf den ersten Seiten“, sagt uns Fisichella aus Anlass des zehnten Jahrestages des ersten Franziskus-Dokumentes. Deshalb habe es „auch heute noch einen ganz besonderen Wert“: „Es geht nicht nur darum, zu sehen, wie viel in diesen zehn Jahren umgesetzt wurde, sondern vor allem, wie viel in naher Zukunft noch umgesetzt werden muss. Die Themen von Evangelii gaudium sind in vielerlei Hinsicht die Frucht der Synode von 2012, die sich mit der Neuevangelisierung und der Weitergabe des Glaubens beschäftigt hat. Der Papst hat sich viele der Erklärungen, Studien und Diskussionen dieser Synode zu eigen gemacht und sie in sein Dokument aufgenommen, aber es gibt auch einige große Neuerungen: zum Beispiel zur sozialen Dimension, zur Notwendigkeit, dass die Kirche arm sein muss, zum Beharren auf einem Kulturwandel im Umgang mit verschiedenen Themen. Es ist ein programmatisches Dokument, das noch immer seine ganze treibende und provokative Kraft bewahrt hat.“

Anregungen der Synode von 2012 aufgenommen

In Evangelii gaudium finde man mehrfach den Ausdruck einer „Kirche im Aufbruch“, also einer Kirche, die das Bewusstsein annehme, „missionarisch“ zu sein, so Fisichella. Es sei Verantwortung der Kirche, zu evangelisieren, aber in diesem Zusammenhang auch, Kraft und Schönheit des Evangeliums „zu allen zu bringen, ohne jemanden auszuschließen“:

„Wir stehen heute vor einer großen Herausforderung, die eine globale Herausforderung ist, denn die Kultur wird durch die Internetkultur zunehmend globalisiert, was äußerst positive Aspekte hat, aber auch viele Aspekte, die tiefgreifende Fragen aufwerfen. Zu diesen Fragen gehört die Veränderung des Verhaltens, die die digitale Kultur mit sich bringt. Leider gibt es eine sehr ausgeprägte Form des Individualismus, der dazu führt, dass man sich in sich selbst einschließt.“ Dieser Individualismus sei „eine der größten Gefahren in der Evangelisierung“, zu der es zwischenmenschliche Beziehungen, Verkündigung und Liebe brauche, unterstreicht Fisichella weiter.

Individualismus verhindert Evangelisierung

„Sich in sich selbst zu verschließen, ist das Gegenteil, es erlaubt dem Menschen nicht, eine tiefe Identität zu leben und persönliche Reife zu erlangen.“ Die digitale Kultur heute sei „eine globale Kultur“, so dass „die gesamte Kirche auf diesem Terrain mehr denn je gefordert“ sei. Dazu gehöre auch, sich auf die neue Welt einzulassen, so der Pro-Präfekt des Dikasteriums für Evangelisierung: „Wir haben immer noch eine sehr klerikale Sprache, die in ihrer semantischen Schärfe nicht verstanden wird, und deshalb brauchen wir eine neue Sprache und eine neue Fähigkeit, in diese Kultur einzugreifen, indem wir versuchen, den Menschen die Schönheit des Evangeliums verständlich zu machen“.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

24. November 2023, 14:09