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Kardinal Michael Czerny Kardinal Michael Czerny 

Czerny: Erklärung zur Doktrin der Entdeckung wichtigste Frucht eines schwierigen Prozesses

Als Teil einer „Architektur der Versöhnung“ und gleichzeitig „Ergebnis der Kunst der Versöhnung“ bezeichnet Kardinal José Tolentino, Präfekt des Dikasteriums für Kultur und Bildung, die gemeinsame Erklärung zur „Doktrin der Entdeckung“, die an diesem Donnerstag herausgegeben worden ist. Der Präfekt des Entwicklungs-Dikasteriums, Kurienkardinal Michael Czerny, sieht darin vor allem eine Kurskorrektur mit Blick auf eine Mentalität, die noch heute Schaden anrichtet.

Diese beiden Vatikanbehörden waren federführend bei der Erklärung vom 30. März 2023, mit der sich die Kirche von der in der so genannten „Doktrin der Entdeckung“ verankerten Kolonialisierungsmentalität distanziert.

Die Erkenntnisse, die „dieser Note zugrunde liegen“, seien „selbst die Frucht eines erneuerten Dialogs zwischen der Kirche und den indigenen Völkern“, betont Kardinal Tolentino Calaça de Mendonça in einem Statement zur gemeinsamen Note. Auch in der erwähnten Erklärung wird hervorgehoben, dass sich der Dialog zwischen Kirche und Indigenen intensiviert – und gleichzeitig dazu beigetragen habe, dass die Kirche die erlittenen Schmerzen der Indigenen besser verstünde.

Auch heute noch Auswirkungen

Ähnlich äußerte sich Kardinal Michael Czerny gegenüber den Vatikanmedien: Die Kirche lehne „jedes Wort oder Handlung“ ab, die die menschliche Würde nicht anerkannten, so der Präfekt des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen mit Blick auf die an diesem Donnerstag veröffentlichte Note zur „Doktrin der Entdeckung“. Dabei handele es sich keineswegs um eine „historische Neugierde”, sondern um die „Anerkennung, dass diese Handlungen, diese unglücklichen Schritte der Vergangenheit, auch heute noch Auswirkungen haben.“

Und genau dies sei der Grund, aus dem sich der Vatikan zur Veröffentlichung dieser Erklärung entschieden habe, betont Czerny im Gespräch mit Vatican News: „Der erste, grundlegende Punkt ist, dass die indigenen Völker darum gebeten haben. Sie haben gefordert, die so genannte ,Doktrin der Entdeckung‘ abzulehnen. Die Note zeigt diese Idee der Entdeckung auf und weist sie zurück und erklärt, wie die Bullen oder Dekrete aus dem 15. Jahrhundert in keiner Weise den Glauben, die Doktrin oder das Lehramt der Kirche ausdrücken.“

Kein Lehramt, sondern Politik

Denn zunächst einmal sei eine Bulle nur ein Dekret oder eine Verfügung, nicht Teil des Lehramtes der Kirche, betont Czerny mit Blick auf die Bullen aus dem 15. Jahrhundert, die als Grundlage für die Doktrin der Befreiung herhalten mussten, weiter. Vielmehr sei es dem Papst damals darum gegangen, einen Krieg zwischen der portugiesischen und der spanischen Krone zu vermeiden, die sich in ihrem Kolonialisierungseifer gegenseitig ins Gehege kamen: „Es handelt sich nicht so sehr darum, neue Wege zu eröffnen, sondern das zu kontrollieren, was passierte und unvermeidbar war. Der Papst hat seine Mittel bei der Anstrengung genutzt, Ordnung zu schaffen. Dabei hat er eine Sprache und Ausdrücke genutzt, die für uns heute absolut inakzeptabel sind, aber damals redeten die Leute so. Der Papst wollte den Frieden erhalten.“

„Wir wollen alle Sünden der Vergangenheit akzeptieren und überwinden“

Doch der Fokus liege gar nicht so sehr auf dieser - zugegebenermaßen traurigen - Vergangenheit, sondern es gehe vielmehr darum, auch die heutigen Realitäten anzuerkennen, unterstreicht Czerny. Gerade was diesen Schritt angehe, habe die Reise des Papstes nach Kanada im Juli 2022 großen Anteil gehabt und die in der Note behandelten Fragen „auf die Tagesordnung gesetzt“: „Der Papst hat praktisch gesagt: Wir sind bereit und wir wollen uns stellen, wir wollen alle Sünden der Vergangenheit akzeptieren und überwinden. Das ist mutiger, als nur zu sagen: ,Lasst uns eine historische Klärung vornehmen‘. Es ist das Eingeständnis, dass dieses Vokabular der Herrschaft bis heute nachwirkt. Das ist die Realität...“

„Sie wird veröffentlicht, weil die indigenen Völker Kanadas darum gebeten haben.“

Der Papst habe darüber hinaus aufgezeigt, wie man mit den „heiklen Themen der Vergangenheit“ umgehen müsse: mit Zuhören. „Die heutige Note steht im Kontext des Zuhörens und des Dialogs. Sie wird veröffentlicht, weil die indigenen Völker Kanadas darum gebeten haben.“

Ein formales Schreiben

Dabei gelte es auch anzuerkennen, dass es sich um ein formales Dokument handele, was auch den formalen Ton des Schreibens bedinge, erläutert Czerny. Denn auf pastorale Weise hätten die Päpste Johannes Paul II. und Franziskus sich bereits ausgiebig während ihrer Kanada-Reisen und bei anderen Gelegenheiten zu dem Thema geäußert. „Die Botschaft ist dieselbe, aber der Ton ist ein anderer. Zum Beispiel, im Juli 2015 in Bolivien – ich war dort, Dank sei Gott – hat Papst Franziskus Johannes Paul II. zitiert und gefordert, dass die Kirche „ vor Gott niederkniet und von ihm Vergebung für die Sünden ihrer Kinder aus Vergangenheit und Gegenwart erfleht'. Die vielen Verbrechen, die an den indigenen Völkern Amerikas im Namen Gottes während der sogenannten Eroberung begangen wurden…"

„Nichts zu machen, außer all das anzuerkennen“

Über Jahre habe es den Wunsch nach einer „formellen Klärung“ dieser Frage gegeben, der zwar nicht von allen, aber doch von vielen indigenen Völkern geäußert worden war, so Czerny, der ohne Umschweife anerkennt, dass die kritisierten Dokumente heutzutage inakzeptables Vokabular aufwiesen. „Das erste, was man tun muss, ist zu sagen: ja, das ist gesagt worden. Es nicht zu verstecken oder zu leugnen. Das zweite, und das ist die wertvolle Arbeit der Historiker, ist es, diese Ausdrücke in ihrem Kontext zu sehen. Wenn du diese Worte nimmst und siehst, wie man in dieser Epoche in anderen Dokumenten und Dekreten der Kirche von Frauen, Kindern, Juden oder Muslimen redete, sagt man mit Bedauern: dieses Vokabular war überall! Eine Serie von anthropologischen Konzepten, die heute im Licht des Evangeliums völlig inakzeptabel wären. Aber so war es… Da ist nichts zu machen, außer all das anzuerkennen.“

Die kostbarste Frucht

Es handele sich hierbei nicht um eine „historische Neugier“, sondern es gehe darum anzuerkennen, dass diese Vorkommnisse der Vergangenheit auch heute noch Auswirkungen hätten, betont Czerny, dem es ein Anliegen ist zu unterstreichen, dass den Bischöfen Kanadas und der Vereinigten Staaten mit der Unterstützung des Papstes und des Heiligen Stuhls an einer Versöhnung mit und Förderung von den Indigenen gelegen sei: „Wir müssen uns deshalb offen dafür zeigen, das anzugehen und auf eine Weise zuzuhören, um gemeinsam auf eine Antwort zuzugehen. Das ist die kostbarste Frucht eines Prozesses, der nicht einfach war: zu einer formellen Note zu gelangen, die in einen äußerst wichtigen Dialog mit der Haltung des Zuhörens eintritt.“

(vatican news - cs)

 

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30. März 2023, 15:21