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Viele Menschen wollen Benedikt XVI. die letzte Ehre erweisen Viele Menschen wollen Benedikt XVI. die letzte Ehre erweisen  (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

„Ein bisschen Ausnahmezustand“: Abschied von Benedikt XVI.

Die Menge an Menschen, die sich von dem verstorbenen Papst em. Benedikt XVI. verabschieden wollen, hat bereits am ersten Tag die Schätzungen der römischen Behörden übertroffen. Waren ursprünglich bis zu 35.000 Besucher pro Tag erwartet worden, waren es gegen 14 Uhr bereits 40.000. Unsere Kollegin Christine Seuss hat dem Kölner Domradio ihre Eindrücke geschildert.

DOMRADIO.DE: Der emeritierte Papst Benedikt ist seit diesem Montagmorgen im Petersdom aufgebahrt. Gibt es dort lange Schlangen von Menschen, die Abschied nehmen wollen?

Christine Seuss: Ja, die Schlange auf dem Petersplatz ist wirklich sehr lang, sie ging zeitweise bereits in einer Schleife, und auf der Via della Conciliazione strömen immer mehr Menschen nach. Alles ist abgesperrt, man kommt nur nach Kontrollen rein. Aber es ist beeindruckend, wie viele Menschen kommen.

DOMRADIO.DE: Wie läuft das ab? Wie wird das organisiert?

Seuss: Ganz einfach, sobald man durch die Sicherheitskontrolle ist, reiht man sich in die Schlange ein und betritt über den Mittelgang die Basilika und geht vor bis zum aufgebahrten Benedikt. Viel Zeit für ein Verharren ist da natürlich nicht, vielleicht gerade die Zeit für ein kurzes Gebet. Aber eigentlich kann man kaum stehenbleiben.

Es ist ein ständiger Fluss, damit andere nachrücken können. Und dann geht es auf der anderen Seite der Basilika wieder raus. Aber es läuft alles sehr geordnet und würdig ab, würde ich sagen.

Im Gebet bei Benedikt XVI.
Im Gebet bei Benedikt XVI.

DOMRADIO.DE: Gibt es auch eine Möglichkeit für Vatikanmitarbeiter, gesondert Abschied zu nehmen?

Seuss: Ja, wir dürfen durch einen Seiteneingang und haben das Privileg, auch zum Gebet dicht beim Leichnam verharren zu dürfen. Das ist für alle sehr berührend. Viele kannten ihn ja schon seit vielen vielen Jahren.

DOMRADIO.DE: Was laufen sonst für Vorbereitungen auf dem Petersplatz?

Seuss: Die technischen Vorbereitungen haben schon begonnen. Es wurde in den letzten Tagen auch schon ein Gerüst aufgebaut, damit die Fernsehteams besser arbeiten können. Die Stühle für die Bestuhlung des Platzes und auch für den Vorplatz des Petersdoms stehen schon bereit, wo Papst Franziskus der Messe vorstehen wird und auch die offiziellen Delegationen Platz nehmen werden. Ansonsten ist der Platz momentan vor allem voller Menschen, die sich von Benedikt verabschieden wollen.

„Es war fast wie ein Familientreffen, denn man kannte doch viele Gesichter“

DOMRADIO.DE: Mitarbeiter des Vatikan konnten schon am Sonntag im Kloster Abschied von Benedikt nehmen. Wie war das denn?

Seuss: Ich war selbst da. Es war eine eigenartige Atmosphäre. Ich bin in der Dämmerung den Berg zur Residenz von Benedikt XVI., dem Kloster Mater Ecclesiae, gelaufen. Die Sicherheitskräfte haben mich ohne Probleme durchgelassen, aber nicht nur mich, denn da kamen wirklich einige hoch.

Wahrscheinlich waren es nicht nur Vatikanmitarbeiter, sondern auch Menschen, die in irgendeiner Beziehung zu dem Verstorbenen und zu Erzbischof Gänswein standen. Auffallend viele Ordensschwestern waren da.

Viele Menschen erwiesen dem emeritierten Papst bereits in der Residenz die letzte Ehre
Viele Menschen erwiesen dem emeritierten Papst bereits in der Residenz die letzte Ehre

Vielleicht war das auch gar nicht so geplant gewesen, dass am Ende doch so viele Leute angeströmt kamen, aber es hat sich auf dem Vorplatz des Klosters eine echte Schlange gebildet. Es war fast wie ein Familientreffen, denn man kannte doch viele Gesichter.

Dann wurde man in die kleine Kapelle vorgelassen, die natürlich auch sehr voll war. Dort konnte man in geringer Entfernung zu Benedikt niederknien oder sich hinsetzen, ein Gebet sprechen. Niemand hat einen allzu sehr gedrängt, wenn es ein bisschen länger gedauert hat, auch wenn immer wieder Gendarmen draußen gebeten haben, dass man nicht allzu lange brauchen sollte. Die Schlange war schon lang.

Übrigens hatten nicht nur die Besucher, sondern auch die Gendarmen und Schweizergardisten teils rote Augen. Also der Tod des emeritierten Papstes hat trotz seines hohen Alters doch große Trauer auch bei seinen ehemaligen Mitarbeitern verursacht.

„Übrigens hatten nicht nur die Besucher, sondern auch die Gendarmen und Schweizergardisten teils rote Augen“

DOMRADIO.DE: War denn auch Erzbischof Gänswein vor Ort?

Seuss: Ja natürlich. Er stand vor dem Kloster. Ich muss wirklich bewundern, was er für eine Kraft gefunden hat. Er hat die Beileidsbekundungen entgegengenommen und sich wirklich auf liebenswürdige Weise mit den Menschen unterhalten, ganz besonders mit den Kindern, die mit ihren Eltern gekommen sind, auch wenn er sichtlich angeschlagen war.

Das waren jetzt natürlich harte Tage für ihn. Und auch im Petersdom stand er wieder am Leichnam, nahm weiterhin die Beileidsbekundungen entgegen, tröstete die Leute und empfing hoffentlich damit auch selbst ein bisschen Trost. 

Der aufgebahrte Benedikt XVI.
Der aufgebahrte Benedikt XVI.

DOMRADIO.DE: Erzbischof Gänswein hat den Papst intensiv begleitet, nicht nur, aber vor allem auch jetzt in den letzten Tagen. Was weiß man denn über die letzten Worte des verstorbenen Emeritus?

Seuss: Wie Erzbischof Gänswein uns gegenüber bestätigt hat, hat der emeritierte Papst Benedikt in seinen letzten Stunden nochmals ein Christus-Bekenntnis abgelegt. Seine letzten Worte waren demnach Herr, ich liebe dich", und zwar hat er das auf Italienisch gesagt, also Signore ti amo". Das war mitten in der Nacht, um 3 Uhr, bevor er dann um 9.34 Uhr am Silvestertag verschieden ist.

Die Worte hatte er zwar mit dünner Stimme ausgesprochen, sie seien aber klar verständlich gewesen, hat die Krankenschwester berichtet, die kurz danach auch Erzbischof Gänswein informiert hat.

Das seien seine letzten verständlichen Worte gewesen, denn danach sei er nicht mehr in der Lage gewesen, sich auszudrücken, hat Erzbischof Gänswein mitgeteilt.

Erzbischof Gänswein an der Seite des aufgebahrten Benedikt XVI.
Erzbischof Gänswein an der Seite des aufgebahrten Benedikt XVI.

DOMRADIO.DE: Wie wird das Requiem am Donnerstag ablaufen? Weiß man das schon?

Seuss: Das Requiem beginnt um 9.30 Uhr und Franziskus steht ihm vor. Das ist das einzig sichere bislang. Es handelt sich ja sozusagen um einen liturgischen Präzedenzfall.

Ein Begräbnis für einen verstorbenen Papst läuft nach festgelegten Regeln ab. So wird er zum Beispiel neun Tage für den Abschied von Gläubigen aufgebahrt. Bei Benedikt als emeritiertem Papst sind es jetzt drei.

Auch die Farbe des Gewandes, in dem Benedikt aufgebahrt wird, wurde im Vorfeld durch Beobachter diskutiert, also ob rot, wie für einen Papst vorgesehen, oder lila, wie für einen Bischof üblich. Wie man jetzt sieht, trägt Benedikt das für Päpste übliche Rot.

Generell soll es, auch dem Wunsch Benedikts entsprechend, schlicht und feierlich sein. Aber es ist nichts in Stein gemeißelt. Da muss das liturgische Amt mit Feingefühl einen Weg finden.

Eine wichtige Information für alle, die persönlich teilnehmen wollen, ist folgende: Es werden keine Karten ausgegeben, sondern man geht einfach auf den Petersplatz, durchläuft die Sicherheitskontrolle und nimmt dort Platz.

„Es werden keine Karten ausgegeben, sondern man geht einfach auf den Petersplatz, durchläuft die Sicherheitskontrolle und nimmt dort Platz“

DOMRADIO.DE: Rechnet man damit, dass auch viel Prominenz aus aller Welt nach Rom kommt?

Seuss: Ja, sicher. Die einzigen offiziellen Delegationen kommen aus Deutschland und Italien, also auch die Staatspräsidenten Steinmeier und Mattarella haben sich angekündigt.

Aus Deutschland kommen natürlich auch noch viele andere Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Gesellschaft, unter anderem Bischof Bätzing und der bayerische Ministerpräsident Söder.

Aber andere Delegationen können in privater Form teilnehmen. So haben einige Staatsoberhäupter bereits angekündigt, dass sie anreisen werden, unter anderem der polnische Präsident und auch das belgische Königspaar. Aber natürlich werden noch viele weitere bekannte Trauergäste aus Politik und Gesellschaft erwartet.

Etwa eine Million Pilger waren zur Beerdigung von Johannes Paul II nach Rom gekommen
Etwa eine Million Pilger waren zur Beerdigung von Johannes Paul II nach Rom gekommen

DOMRADIO.DE: Bei der letzten Beerdigung eines Papstes, bei der von Johannes Paul II., war Rom im Ausnahmezustand. Aber das läßt sich mit der Situation jetzt gar nicht vergleichen, oder?

Seuss: Ja, das stimmt. Am Begräbnis von Johannes Paul II. haben 300.000 Menschen auf dem Petersplatz und 700.000 in Rom verteilt über die Maxi-Bildschirme teilgenommen. Das war der Wahnsinn damals. Die Autos parkten auf dem Autobahnring rund um Rom und in der Nähe des Vatikans kam man nirgendwo mehr durch.

Jetzt beim Begräbnis für Benedikt rechneten die Behörden in Rom mit etwa 60.000 Teilnehmern auf dem Platz. Aber um ehrlich zu sein glaube ich, und das glauben auch die diensthabenden Polizisten auf dem Platz, dass es eher 100.000 werden.

Überhaupt werden wohl mehr als die ursprünglich geschätzten 100.000 Menschen in diesen drei Tagen dem aufgebahrten Benedikt die letzte Ehre erweisen.

Auf dem Petersplatz bildeten sich bereits am Montag lange Schlangen
Auf dem Petersplatz bildeten sich bereits am Montag lange Schlangen

„Ein bisschen Ausnahmezustand ist es schon“

Also ein bisschen Ausnahmezustand ist es schon. Deshalb sind die römischen Behörden jetzt auch schon mit einem Krisenplan zugange. Zum Beispiel wird der Luftraum über dem Petersplatz am 5. Januar komplett gesperrt. Natürlich werden auch Metalldetektoren eingesetzt werden, durch die die Menschen gehen müssen. Die Seitenstraßen der Via Conciliazione, die auf den Petersdom zuführt, sind auch schon gesperrt und werden am Donnerstag weiträumig abgesperrt.

Schon jetzt sieht man Freiwillige des Zivilschutzes. Am Donnerstag werden dann den Angaben zufolge 500 im Einsatz sein und den Leuten auch für Fragen und Informationen zur Verfügung stehen.

Man wird lange Anstehzeiten mit einrechnen müssen, wenn man an der Messe teilnehmen will und natürlich auch die Sicherheitskontrolle durchlaufen. Aber es ist einfach schön zu sehen, wie viele Menschen dem emeritierten Papst die letzte Ehre erweisen möchten.

Das Interview führte Johannes Schröer

(domradio.de/vatican news)

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02. Januar 2023, 17:32