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Fackelprozession bei der Messe zum Gedenken an den 60. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils Fackelprozession bei der Messe zum Gedenken an den 60. Jahrestag der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils 

Kasper: Kirche hat Zukunft nur in „schöpferischer Treue" zum Konzil

Die katholische Kirche wird nur eine Zukunft haben, „wenn sie auf dem vom II. Vaticanum eingeschlagenen Weg weitergeht, nicht buchhalterisch, sondern in schöpferischer Treue und in synodaler Weggemeinschaft". Das sei im deutschen Synodalen Weg „leider misslungen", sagte der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper.

Der 89 Jahre alte deutsche Kardinal äußerte sich in einem Interview mit der Zeitschrift „Communio" aus Anlass des 60. Jahrestages der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962. Er hoffe „auf den universalen synodalen Prozess, den Papst Franziskus eingeleitet hat". Schließlich dürfe sich die katholische Kirche nicht nur mit sich selbst beschäftigen, sondern sie müsse den Blick auf das Evangelium und auf die „Wunden der Welt" bewahren.

Das Konzil gehöre für ihn zu den „prägenden Erfahrungen" seines Lebens und stelle einen bleibenden „Bezugspunkt meiner Theologie" und seines Wirkens als Bischof dar, so Kasper. Es habe wichtige Reformbewegungen seiner Zeit etwa in der Exegese oder der Liturgie aufgegriffen und eine „Aufbruchsstimmung" ausgelöst, die heutigen Studierenden nur noch schwer zu vermitteln sei. Das Konzil sei „ein Durchgang des Hl. Geistes durch die Kirche" gewesen.

Zudem sei der Neuaufbruch des Konzils „nicht als Bruch mit der Tradition der Kirche" zu verstehen, sondern vielmehr als ein „Aufbruch zu einem umfassenderen lebendigen Verständnis der Tradition und Katholizität", führte Kasper weiter aus. Diese Frage nach der richtigen Lesart des Konzils ist vor allem in den letzten Jahren immer wieder unter den Stichworten „Hermeneutik des Bruchs" oder „Hermeneutik der Kontinuität" diskutiert worden. Um den Texten und dem Konzil im Ganzen diesbezüglich gerecht zu werden, müsse man tief in die Text- und Redaktionsgeschichte einsteigen - ein bis heute theologisch anspruchsvolles Programm, erinnerte Kasper.

Frage nach dem Verhältnis der Kirche zur Welt muss neu gestellt werden

Zugleich räumte der Kardinal ein, dass das Konzil und seine Dokumente heute zu einem Stück Kirchengeschichte geworden seien. Selbst Papst Franziskus gehöre einer Post-Konzils-Generation an, die die Beschlüsse und Dokumente als Faktum ansähen, von dem aus weitergedacht werden müsse. „Das stellt uns vor die Frage nach den in den Konzilstexten noch unentdeckten Zukunftspotenzialen." Heute müsse etwa die Frage nach dem Verhältnis der Kirche zur Welt neu gestellt werden. War nämlich das entsprechende Konzilsdokumente „Gaudium et spes" noch von einem „optimistischen Ton" bestimmt, so hätten Entwicklungen wie die Säkularisierung und die Missbrauchskrise nicht nur zu einem rapiden Vertrauensverlust geführt, sondern mehr noch eine „Gotteskrise" sichtbar werden lassen, die zur Zeit des Konzils noch nicht im Blick war.

Im Westen ist Gottesfrage gleichgültig geworden

Kasper: „In der westlichen Welt geht es nicht mehr um atheistischen Protest gegen Gott oder um die Leugnung der Existenz Gottes, sondern um weitverbreitete Gleichgültigkeit gegenüber der Gottesfrage." Eine Erneuerung kirchlicher Strukturen interessiere in einer solchen Situation letztlich „nur noch Kirchenfunktionäre, für die Mehrheit ist sie irrelevant." - Eine nachkonziliare Theologie müsse daher gerade bei der Gottesfrage „tiefer und fundamentaler ansetzen, als es das Konzil tun konnte" und etwa die „metaphysische Obdachlosigkeit des modernen Menschen" in den Blick nehmen, forderte der Kardinal.

„Weder einer noch alle können alles sein. Die Einheit ist ein Ganzes. Das ist die Idee der katholischen Kirche“

Lohnend gerade angesichts der aktuellen Reformdebatte sei schließlich auch ein Blick darauf, was das Konzil in der Kirchenkonstitution „Lumen Gentium" zum gemeinsamen Priestertum aller Getauften gesagt hat, erinnerte Kasper. Das Konzil hat dieses gemeinsame Priestertum erst wieder „hervorgehoben" und die Mitverantwortung der Laien für und in der Kirche betont. Damit sei jedoch dezidiert nicht ein „Gegenüber" oder eine „Konkurrenz und Opposition" zwischen Laien und Priestern/Bischöfen gemeint. „Bischof und Volk bilden gleichsam zwei Brennpunkte einer Ellipse. Weder einer noch alle können alles sein. Die Einheit ist ein Ganzes. Das ist die Idee der katholischen Kirche."

Das vom Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück geführte Interview ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Communio" erschienen, die sich dem Thema „Synodale Kirche" widmet.

(kap – gs)

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11. Oktober 2022, 18:52