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Prof. Joachim von Braun, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, und Kardinal Peter Turkson, Großkanzler derselben Akademie Prof. Joachim von Braun, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, und Kardinal Peter Turkson, Großkanzler derselben Akademie 

Vatikan: Konkrete Schritte gegen die Klimakrise

Zwei Tage lang haben namhafte Wissenschaftler im Vatikan über Widerstandsfähigkeit angesichts des Klimawandels und Herausforderungen der Klimakrise debattiert. Mit konkreten Schritten will sich nun die Päpstliche Akademie der Wissenschaften auch bei der nächsten Klimakonferenz in Ägypten beteiligen. Wir sprachen mit dem Präsidenten der Akademie, dem deutschen Agrarwissenschaftler Joachim von Braun.

RV: In den vergangenen zwei Tagen fand im Vatikan eine Konferenz über Resilienz und Klimawandel und die Klimakrise statt. Sie hat auch konkrete Resultate hervorgebracht. Können Sie uns zunächst einmal sagen, welche? Was wurde konkret besprochen und auch beschlossen?

Prof. von Braun: Es ist eine Konferenz gewesen, die sich mit der Resilienz von Bevölkerung und von Ökosystemen unter Klimastress beschäftigt hat. Denn der rasche Klimawandel untergräbt die Wohlfahrt vieler Menschen, insbesondere ärmerer Bevölkerungsgruppen. Aber sie untergräbt auch das Funktionieren von Natur und von Ökosystemen. Wir hatten eine Zusammenkunft mit Wissenschaftlern und Experten aus aller Welt, aus Nord- und Südamerika, Europa, Afrika und Asien. Die wesentlichen Ergebnisse der Konferenz sind zum einen die Feststellung, dass wir in einer akuten Krise sind und nicht nur in langfristige Probleme des Klimawandels involviert sind: Der Klimawandel findet jetzt statt! Die Häufigkeit von sogenannten Klimaschocks mit Wirbelstürmen und Überschwemmungen und fortgesetzten Dürreperioden ist hier und heute zu sehen und untergräbt die Wohlfahrt und tötet schon heute Menschen.

Hier das Interview mit Prof. Joachim von Braun zum Nachhören

Reiche Minderheit verursacht Hälfte der Klimagase

RV: Welche Vorschläge wurden denn unterbreitet?

Prof. von Braun: Unsere Vorschläge für das Handeln sind in drei Bereichen sehr konkret formuliert worden: Erstens, der rasant wachsenden Temperaturentwicklung müssen wir entgegenwirken, diese Kurve der Temperaturerhöhung soll so schnell wie möglich geknickt werden, und zwar durch schnelle Kürzung der Emissionen von CO2. Und dabei ist insbesondere die reiche, eine Milliarde der Menschheit gefordert, um den anderen sieben Milliarden zu dienen. Denn die reiche, eine Milliarde der Menschheit hat ungefähr 50 Prozent Anteil an den Klimagasen.

Der zweite Schwerpunkt ist, im Bereich die Ungleichheit zu bekämpfen, da die Klimaschocks vor allem Menschen in vulnerablen Bedingungen betreffen, auf dem Lande und in den Slums der Städte. Der Klimawandel tangiert zwar inzwischen die gesamte Menschheit, aber die Ärmsten der Armen am meisten, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben.

Ein anderes Wirtschaften einleiten

Und drittens haben wir eine Herausforderung, dass wir eine Transformation wichtiger Aspekte unserer Wirtschaftssysteme herbeiführen müssen, um die Klimakrise abzuwenden und auch dabei die Natur zu schützen. Denn wir haben zweierlei Krisen: eine Klimakrise und eine Krise der Biodiversität, also der Verlust an Artenvielfalt, die unsere Landwirtschaft, Ernährung und Medizin der Zukunft unterminiert.

Diese Transformation und die Handlungsaktivitäten, die wir vorgeschlagen haben, erfordern alle ein vermehrtes Engagement der Wissenschaft.

Nachhaltigkeit und Resilienz bislang unterbelichtet

RV: Was kann die Wissenschaft konkret bringen und wie kann sie jetzt helfen, die Herausforderungen der Klimakrise zu überwinden?

Prof. von Braun: Die Wissenschaft ist für technologische Optionen und für institutionelle Innovationen da, vor allem Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften sind für die Bekämpfung der akuten Klima-Konsequenzen gefordert. Dazu haben wir eine Wissenschaftsagenda entwickelt, die wir weiter verfolgen wollen. Schließlich ist diese Konferenz auch in Vorbereitung für den nächsten Klimagipfel, der später in diesem Jahr in Ägypten stattfinden wird, durchgeführt worden. Wir müssen darauf aufmerksam machen, dass die bisherigen Klimagipfel bisher Schlüsselbereiche, die für Nachhaltigkeit und Resilienz wichtig sind, vernachlässigt haben. Der letzte Klimagipfel hatte sich überhaupt nicht mit wichtigen Themen befasst und hat keinerlei Stellungnahme in seinem Schlussdokument gehabt zur Landwirtschaft, zu Ernährung und Hunger oder zu den Wasserprobleme. Das muss sich ändern.

Sahelzone
Sahelzone

RV: Und wie soll das geschehen?

Prof. von Braun: Dazu haben wir hier konkrete Vorschläge gemacht, dass die Klimaagenda verbreitert wird, sodass sie tatsächlich die ärmere Weltbevölkerung einbezieht.

„Die Wissenschaft und Zivilgesellschaft als Community, die hier zusammen war, hat sich zum Beispiel sehr konkret mit der Notwendigkeit im Raum des Sahel befasst, der so stark von Klimastress betroffen ist in Afrika.“

Konkrete Lösungen für Sahelregion...  

RV: Was sind denn genau die nächsten Schritte, die auch die Akademie jetzt vorhat, nachdem Sie jetzt auch den Klimagipfel in Ägypten genannt haben - was werden Sie als Nächstes unternehmen?

Prof. von Braun: Als Nächstes werden wir nicht nur die vorläufige Stellungnahme, mit der wir uns heute beschäftigt haben, weiter konkretisieren und mit allen Teilnehmern abstimmen. Wir werden sie dann auch breit kommunizieren. Es lohnt sich ja nicht, wenn eine Akademie eine wichtige Arbeit vollführt und dann auf ihr sitzen bleibt. Unsere Ergebnisse sollen somit verbreitet werden und zwar weltweit. Die Ergebnisse der Tagung gehen natürlich auch an Papst Franziskus, der die Tagung mit einem wichtigen, dreiseitigen Statement begrüßt hat und uns wichtige Hinweise gegeben hat, basierend auf den Stellungnahmen, die wir aus Laudato Si uns immer wieder vergegenwärtigen müssen. Aber er hat uns auch klar aufgefordert, praktische Lösungen zu erarbeiten, und das haben wir auch getan. Die Wissenschaft und Zivilgesellschaft als Community, die hier zusammen war, hat sich zum Beispiel sehr konkret mit der Notwendigkeit im Raum des Sahel befasst, der so stark von Klimastress betroffen ist in Afrika.

...und das Amazonasgebiet

RV: Was für Lösungen gibt es dort? Wie wird die Agro-Forstwirtschaft miteinbezogen?

Prof. von Braun: Das findet mit kleinteiliger Bewässerung statt. Oder denken wir an Südasien und die Situation mit den Stürmen an den Küsten Bangladeschs. Wie damit umzugehen ist - oder auch im Gebiet des Amazonas: mit der indigenen Bevölkerung zusammen Lösungen zu erarbeiten. Darüber haben Wissenschaft und Praxis sich hier ausgetauscht, und da gibt es eigentlich gar keine Trennung mehr in unserer Akademie.

RV: Inwieweit war Papst Franziskus an der Konferenz beteiligt?

Prof. von Braun: Ich glaube, wir sind da Papst Franziskus Aufforderung sehr gerecht geworden, und wir werden auf dem Weg weiterarbeiten.

RV: Gibt es noch etwas, was Ihnen am Herzen liegt, was Ihnen in diesen beiden Konferenz-Tagen aufgefallen ist, oder was würden Sie noch gerne unterstreichen und besonders hervorheben?

Prof. von Braun: Diese Tagung ist kein singuläres Ereignis in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Wir haben uns mit Klimawandel bzw. unsere Vorgänger in der Akademie haben sich schon vor 20 Jahren mit Klimastress und Klimawandel beschäftigt, als das noch ein sehr neues Thema war. Wir haben dann wichtige Tagungen zu Klima und Naturverlust und zu dem Thema Klimawandel und Gesundheit durchgeführt. Klimawandel als eine große Bedrohung der Gesundheit der Menschen beschäftigt uns, und deshalb haben wir dazu viel publiziert und haben dazu auch Gehör gefunden.

Klimaschutz muss eine Priorität bleiben

Was neu an dieser Tagung und an den Forschungsergebnissen war, die wir hier zusammengetragen haben, ist, dass wir uns diesmal auf Resilienz, also auf die Widerstandsfähigkeit von Bevölkerung bzw. das Versagen von Resilienz konzentriert haben, also die akuten Probleme des Klimawandels. Diesen Aspekten wird in der Politik viel zu wenig Rechnung getragen.

„Wir haben die Tagung deswegen jetzt gemacht, weil wir sehen, dass die Klimapolitik-Agenda droht, marginalisiert zu werden wegen der gegenwärtig herrschenden Krisen.“

RV: Weshalb fand denn gerade jetzt diese Tagung statt?

Prof. von Braun: Wir haben die Tagung deswegen jetzt gemacht, weil wir sehen, dass die Klimapolitik-Agenda droht, marginalisiert zu werden - wegen der gegenwärtig herrschenden Energiepreis-Krise und Nahrungspreis-Krise und den hohen Preisen sowie den Erfordernissen bzw. den Neigungen der Politik, jetzt noch mehr für militärische Ausgaben aufzuwenden. Wir müssen die Klima-Risiko-Agenda und die Bekämpfung der Klimakonsequenzen mit auf der höchsten Stufe der Politik-Agenda halten. Denn viele der Krisen, Konflikte und Preis-Krisen und die Konsequenzen der Pandemie hängen auch mit Naturzerstörung und Klimawandel zusammen! Es geht also darum, den Klimawandel integriert zu sehen als Teil der komplexen Krisen, mit denen sich leider Politik heute simultan beschäftigen muss. Denn die Klimakrise darf dabei nicht unter den Tisch fallen.

Das Interview führte Mario Galgano.

(vatican news)

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15. Juli 2022, 12:52