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Konzert im Lateranpalast Konzert im Lateranpalast

Weltfamilientreffen: Kinder sind keine Belastung, sondern ein Geschenk

In Rom findet derzeit das zehnte Weltfamilientreffen statt. Ein besonders festlicher Moment war das klassische Konzert am Donnerstagabend im Lateranpalast in Rom. Moderiert wurde das Event mit Kompostionen von Mozart und Schubert von Andreas Thonhauser. Der Österreicher ist Familienvater und leitet das EWTN-Büro in Rom. Wir haben mit ihm über Familien und das Großereignis im Vatikan gesprochen.

Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt

Radio Vatikan: Du hast sehr jung geheiratet, hast sieben Kinder.
Warum diese heute eher unkonventionelle Entscheidung, schon früh eine Familie zu gründen?

Andreas Thonhauser: Ja, meine Frau und ich haben uns entschieden, relativ jung zu heiraten. Sie war 24, ich 23. Einfach weil wir gesehen haben, dass wir den Weg gemeinsam aus dem Glauben gehen möchten. Dazu muss ich sagen, dass meine Frau schon mit 16 eine Tochter geschenkt bekommen hat. Sie hat sich für diese Tochter damals entschieden und brachte diese Tochter als 8-jährige auch mit in unsere Beziehung. Das heißt, wir waren wirklich Familie von Anfang an. Für unsere Ehe haben wir uns entschieden, auch bewusst mit Sexualität zu warten bis zur Heirat. Wir waren von Anfang an eigentlich offen für das Leben und wollten auch eine große Familie haben und haben das immer alles als Geschenk betrachtet. Wir sind mit sechs Kindern hier nach Rom gekommen, wo wir seit September leben und haben in der Zwischenzeit auch ein siebtes Kind geschenkt bekommen, nämlich die kleine Bernadette, die hier in Rom geboren worden ist. Und für mich als Einzelkind war es immer eigentlich recht schwierig, keine Geschwister zu haben. Und deswegen habe ich mir schon von jung auf vorgenommen, sollte ich jemals eine Familie haben, dass ich zumindest mehr als ein Kind haben möchte. Und wir sind sehr dankbar für diese Familie.

Andreas Thonhauser
Andreas Thonhauser
Hier zum Nachhören

Radio Vatikan: In seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ stellt Franziskus fest: „Denkt daran, dass die Familie die grundlegende Zelle der Gesellschaft ist.“ Welche Bedeutung hat dieser Satz in einer Zeit, die der Papst als „demographischen Winter“ beschreibt?

Denkt daran, dass die Familie die grundlegende Zelle der Gesellschaft ist, ist - glaube ich - ein Kernsatz. Papst Franziskus hat das ja auch wiederholt jetzt in einem Treffen mit FAFCE, einer familiären Lobbygruppe - darf man vielleicht sagen - an den EU-Institutionen und am Europäischen Rat auch in Straßburg. Oft wird nämlich übersehen, dass es nicht das Individuum ist, das diese Gesellschaft trägt, sondern dass es wirklich die Familie ist, die auch die Zukunft unserer Gesellschaft garantiert. Und es ist nicht immer ganz leicht, gerade in unserer westlichen Welt, aber es ist wahrscheinlich wahr überall auf der Welt. Die materiellen Zwänge für die Familie sind in den meisten europäischen Ländern, würde ich sagen, nicht mehr ganz so schlimm. Aber dafür ist der gesellschaftliche Druck schon ganz beachtenswert. Papst Franziskus hat auch gesagt: Niemals dürfen Kinder als ein ökologisches Problem gesehen werden. Und allein, dass er das sagen muss, zeigt ja schon, in welcher Situation wir uns befinden. Allein, dass das ausgedrückt werden muss, dass Kinder ein Geschenk sind und nicht eine Belastung für die Welt oder die Individuen, ist natürlich schon markant für unsere Zeit.

Eindrücke vom Weltfamilientreffen in Rom
Eindrücke von dem Konzert am Donnerstagabend
Eindrücke von dem Konzert am Donnerstagabend

Und deshalb auch zu sagen, dass Familie das grundlegende Element ist, auf dem unsere Gesellschaft fußt und wir uns alle darum bemühen müssen, dass Familie gelingen kann, ist ein ganz wichtiges Zeichen und auch eine Stärkung für die Familien, die hier gerade in diesen Tagen des Weltfamilientreffens in Rom noch mal neu wichtig gezeigt wird.

Radio Vatikan: Papst Franziskus hat gesagt, dass es nicht einfach sei, Kinder zu erziehen, dass die Kinder aber auch uns erziehen. Welche Erfahrung hast du dahingehend gemacht?

Thonhauser: Nein, also, es ist tatsächlich nicht einfach, Kinder zu erziehen und ich selbst fühle mich eigentlich jeden Tag überfordert damit und komme auch an die Grenzen. Und gar nicht so sehr, weil unsere Kinder jetzt sehr fordernd wären. Ganz im Gegenteil, ich finde, wir haben brave, liebe Kinder, die sehr bemüht sind. Aber wenn man sich bewusst wird als Eltern, wie schwer die Verantwortung eigentlich auf einem lastet, dass so ein junges Leben gelingen kann, dann sieht man sich oft vor einer Wand, von der man nicht weiß, wie man sie überwinden soll. Meiner Frau und mir persönlich hilft natürlich das Gebet. Mutter Teresa hat gesagt: „Eine Familie, die zusammen betet, bleibt auch zusammen.“ Und dieses Wissen, dass ich am Ende des Tages zwar viel tun kann, aber das Gelingen Gott schenken muss, ist ein sehr heilsames Wissen: dass eben nicht ich für alles verantwortlich bin, sondern dass es da auch eine größere Macht gibt, die uns beim Tragen hilft, die uns auch oft trägt und uns auch mitnimmt.

Eindrücke von dem Konzert am Donnerstagabend
Eindrücke von dem Konzert am Donnerstagabend

Und ich glaube, es ist tatsächlich so, dass ich von unseren Kindern erzogen worden bin. Einfach, weil ich ein Stück weit nicht mehr so sehr auf mich selbst schauen kann, sondern mehr auf das schauen muss, was auch meine Kinder brauchen. Ich hoffe zumindest, dass das so ist - und sie mich auch sehr prägen. Jetzt, wo unsere Ältesten im Teenageralter sind und schon bald erwachsen sein werden – meine älteste Tochter ist bald 16 -, merke ich schon, dass ich auch von ihr und auch von den Kindern lernen darf. Aber auch von den Jüngeren dürfen wir eigentlich viel übernehmen und lernen: diese Gelassenheit, dieses Vertrauen auch in andere, diese kompromisslose Offenheit gegenüber dem Leben. Ich glaube, das sind Dinge, die wir von den Kindern mitnehmen dürfen. Und deswegen wäre eine Gesellschaft ohne Kinder in vielen Facetten, aber auch von diesen Erfahrungen her der Kinder, eine schreckliche Gesellschaft.


Radio Vatikan: Wir alle haben durch die Pandemie schwere Zeiten hinter uns. Wie hat sich Corona auf die Familien ausgewirkt?

Thonhauser: Mit der Antwort zu dieser Frage tu ich mir ein wenig schwer, weil das natürlich von Familie zu Familie komplett unterschiedlich ist. Und so wie es schwierig für alle war, war es natürlich, glaube ich, auch für alle Familien schwierig. Ich kann nur über unsere eigene Familie reden, und da kann ich sagen, dass eigentlich Corona unserer Familie gutgetan hat, weil es uns auch zusammengeschweißt hat, weil es uns auch gezeigt hat, wie wichtig es ist, in einer Gemeinschaft zu leben. Und auch wenn man dann damals zu acht auf engem Raum war: das hat uns nicht bedrückt, ganz im Gegenteil. Wir haben uns ganz wohlgefühlt. Und meine Frau und ich haben oft gesagt, dass wir eigentlich als Familie auch insofern gesegnet waren, dass wir nicht krank wurden und auch keine Ängste ausstehen mussten, was Corona als Gesundheitsförderung betrifft, so dass wir gesagt haben: eigentlich hatten wir eine neue Art der Erfahrung von Familie, ein wenig, wie es vielleicht vor langer Zeit auf Bauernhöfen war, wo die gesamte Familie zusammen gearbeitet hat und nicht getrennt war durch Schule, Arbeit und Co., die Verpflichtungen des modernen Lebens, sondern gemeinsam an etwas gearbeitet hat. Und wenn es nur die Wohnung instandhalten war und gemeinsame lange Spaziergänge zu machen, dann war das doch eine Erfahrung der Gemeinschaft. Und insofern haben wir diese Zeit positiv erlebt.

Radio Vatikan: Franziskus hat auch gefordert, dass unsere Gesellschaft familienfreundlicher sein müsse. Wie kann das konkret aussehen?

Ich glaube, da gibt es zwei große Blöcke, die man betrachten muss. Das eine ist das Materielle, also wie viel Wert wird der Familie in einer Gesellschaft finanziell beigemessen? Wie sehr richten sich die Gesetze auch nach der Familie? Sobald Gesetze das Recht der Eltern und der Kinder gemeinsam einschneiden und den Staat immer stärker in den Vordergrund rücken, ist das natürlich absolut familienfeindlich. Finanzanreize können für oder gegen die Familie sein. Hier gibt es auch ganz unterschiedliche Arten in Europa. Wir leben hier in Italien und waren fast erstaunt, wie gut es uns in Österreich gegangen ist mit finanziellen Unterstützungen in der Familie. Auch in Deutschland weiß ich: die Steuererleichterungen, die es für Familien gibt, gerade auch große Familien, sind ein großer Anreiz oder ermöglichen es auch, Familie zu sein auf viel einfachere Weise als zum Beispiel hier in Italien, wo es kaum Unterstützung für Familien gibt und es sehr, sehr schwierig ist, eine Großfamilie zu erhalten.
Ich sehe das auch im Kreise meiner Kollegen hier bei bei EWTN. Das ist nicht einfach und bedarf eigentlich der Großfamilie, die hier gemeinsam mithilft. Hier kann der Staat sehr viel tun.

Den feierlichen Rahmen bildete der Innenhof des Lateranpalasts
Den feierlichen Rahmen bildete der Innenhof des Lateranpalasts

Das zweite ist dann natürlich auch die öffentliche Wahrnehmung der Familie, wo Medien eine große Rolle spielen, wo Politik und Bildung eine große Rolle spielt. Wie sehen wir Familie, und wie wird Familie porträtiert? Da geht es nicht um das heile Weltbild einer Familie, die immer im Sonnenschein ist und immer heiter und glücklich. Aber dass Familie auch gewollt ist, ist schon  eine sozusagen bewusste Entscheidung einer Gesellschaft. Und wenn das nicht vorhanden ist, dann werden sich die Familien aus so seiner Gesellschaft verabschieden, und so eine Gesellschaft wird auch keine Zukunft haben. Das heißt, wenn wir Zukunft haben wollen in Europa – und ich mache mir da keine Sorgen -, aber wenn wir zu dem „Ja“ sagen, da müssen wir auch „Ja“ zu den Familien sagen. Ich glaube aber auch, das ist das, was die Menschen, die hier leben, an sich auch wollen. Und wir sehen das ja auch: diese Bedeutung von Familie, gerade auch im Film und Fernsehen, nimmt wieder zu und wird wieder bedeutender. Weil die Sehnsucht des Menschen, in Gemeinschaft zu leben, als Familie zu leben, einfach sehr, sehr groß ist. Und das betrifft nicht nur die Kernfamilie, sondern das betrifft auch die erweiterte Familie mit Großeltern, Onkel, Tanten, vor allem auch der älteren Bevölkerung, die in einer individualistischen Gesellschaft ja furchtbar vereinsamt. Und das war vielleicht auch etwas, das wir zu Corona gesehen haben: dass jene, die keine Familie hatten oder sich entfernt hatten von ihrer Familie, furchtbar gelitten haben.

Radio Vatikan: Wie würdest du die Botschaft zusammenfassen, die das zehnte Weltfamilientreffen in Familien in der heutigen Zeit geben kann? Was sind deine Eindrücke vom diesjährigen Weltfamilientreffen?

Thonhauser: Papst Franziskus hat in seiner ersten Ansprache das Bild des Guten Samariters verwendet, das mir eigentlich sehr gut gefallen hat: dass die Kirche für die Familien der gute Samariter sein möchte. Der, der aufmerksam ist für die Nöte der Familie, der aber auch stehen bleibt und hilft. Der nicht einfach vorübergeht und sagt: „Das betrifft mich nicht“, sondern sieht, dass Familie Unterstützung braucht. Und die Kirche kann eine sehr, sehr große Unterstützung sein.

Eine schwedische Familie, die ich interviewt habe, hat mir gesagt, sie erwarten sich nur eine einzige Sache von der Kirche für dieses Weltfamilientreffen, nämlich Klarheit. Und ich glaube, das ist auch ganz wichtig, dass in einer Zeit, in der sehr viele unterschiedliche Familienkonzepte herumschwirren in der Gesellschaft - in einer Zeit, in der das auch sehr gern ausgehöhlt wird, diese Keimzelle zwischen Mann, Frau und Kindern, und sozusagen Alternativmodelle ganz stark in den Vordergrund gerückt werden in der öffentlichen Wahrnehmung, dass die Kirche hier auch ein wenig am Boden bleibt, vernünftig bleibt und sagt: Nein, wir unterstützen dieses grundlegende Modell, das wir aus der Bibel kennen und wir stehen hinter euch und wir unterstützen euch da. Und wir finden es gut, dass ihr „Ja“ zum Leben sagt und diese grundlegenden Menschenrechte auch ernst nehmt, auch als Familie. Ich glaube, das ist wichtig für unsere Gesellschaft, ganz egal, ob sie noch christlich ist oder nicht. Das ist wichtig für unseren Kontinent. Auch um hier Menschen den Rücken zu stärken, ganz gleich welchen Glaubens. Und zu sagen: Nein, Familie ist gut, Familie ist wichtig. Wir stärken euch auf diesem Weg.

Der Innenhof des Lateranpalasts in Rom
Der Innenhof des Lateranpalasts in Rom

Und das ist auch mein Wunsch hier am Weltfamilientreffen. Und mein Eindruck ist auch, obwohl wir nur wenige sind aufgrund der Entscheidung, hier nur delegierte Familien zuzulassen, eben wegen der Corona Situation - was auch verständlich ist meiner Meinung nach, dass hier bewusst eine kleinere Gruppe gewählt wurde -, dass man trotzdem hier diesen Netzwerk-Aspekt hat: Familien, die zusammenkommen können, die sich kennenlernen können, von Australien bis Amerika, von Neuseeland bis China. Die hier ihre Eindrücke aus der Weltkirche mit anderen teilen, und wo Familien erleben können: Auch andere sind in derselben Situation wie sie selbst, auch andere haben ähnliche Nöte, Wünsche, Sorgen, Hoffnungen. Und uns alle verbindet ein gemeinsamer Glaube. Und wir können die Heilige Messe, das Gebet gemeinsam feiern, zum selben Gott aufblicken und um seine Fürsprache bitten.

Die Moderatoren: Eleonora Daniele und Andreas Thonhauser
Die Moderatoren: Eleonora Daniele und Andreas Thonhauser

(vaticannews-skr) 

 

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24. Juni 2022, 16:17