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Alois Karl Hudal, ehemaliger Rektor der Anima in Rom Alois Karl Hudal, ehemaliger Rektor der Anima in Rom 

Vatikan/USA: Hudal-Archiv wird digitalisiert

Er gilt als eine „komplexe Kirchenfigur“ der Holocaust-Zeit: Alois Karl Hudal war während der Holocaust-Zeit Rektor des deutschsprachigen Priesterkollegs Santa Maria dell´Anima in Rom. Jetzt soll sein Archivmaterial mit Hilfe des US-Holocaust-Memorial Museum in Washington digitalisiert werden.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Einerseits half er nach dem Zweiten Weltkrieg Nationalsozialisten Europa zu verlassen, andererseits bekam er Dankesbriefe für die Unterstützung jüdischer Flüchtlinge während des Holocaust: Alois Karl Hudal ist eine umstrittene Kirchenfigur. Das geht aus dem Material hervor, dass jetzt digitalisiert werden soll und das den Historikern sowie dann Gästen des Holocaust-Memorial-Museums in den USA zur Verfügung stehen wird. Dazu wurde an diesem Dienstag beim Archiv in Rom ein entsprechendes Abkommen des päpstlichen Instituts Santa Maria dell´Anima und des US-Holocaust Memorial Museum aus Washington unterzeichnet.

Anatol Steck, Senior Project Director des US-Holocaust Memorial Museum Washington
Anatol Steck, Senior Project Director des US-Holocaust Memorial Museum Washington

Anatol Steck ist Senior Project Director des US-Holocaust Memorial Museum. Im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert er:

„Eine der Hauptaufgaben des Museums in Washington ist unsere internationale Archivtätigkeit. Wir kooperieren mit vielen Archiven und Holocaust-relevanten Institutionen weltweit, und wir kreieren so zwischen zwei und vier Millionen digitalisierte Dokumente jedes Jahr in Kooperation mit unseren Partnern weltweit. Wir sind in 58 Ländern weltweit tätig, und diese digitalisierten Dokumente werden und können dann in Washington DC im Lesesaal zu Forschungszwecken verfügbar gemacht werden.“

Zum Nachhören - was die Verantwortlichen zur Digitalisierung des Hudal-Archivs sagen

Ein Mann seiner Zeit

Hudal ist 1885 in Graz geboren und 1963 in Rom gestorben. Er war seit 1937 Rektor der Anima, war aber bereits ab 1923 dort tätig und wollte sich in den 1930er-Jahren als „Brückenbauer“ zwischen Rom und dem NS-Regime betätigen. Wegen seiner geistigen Nähe zum Nationalsozialismus sowie seiner Tätigkeit als Fluchthelfer für NS-Angehörige und Kriegsverbrecher nach Kriegsende zählt der Bischof zu den umstrittensten katholischen Persönlichkeiten im 20. Jahrhundert. Hudal begründete sein Vorgehen als karitativen Akt für politisch Verfolgte. Er sei „ein Mann seiner Zeit“ gewesen, sagt Steck. Und er führt aus:

„Ich glaube, die Persönlichkeit Hudals ist sehr wichtig. Es handelt sich um eine sehr komplexe Persönlichkeit, in einer sehr komplexen Geschichte und Thematik, und ich glaube darum ist es umso wichtiger, dass man die Dokumente selber für sich sprechen lässt - und zwar in Zusammenhang mit all den anderen Dokumentationen, die das Museum bereits akquiriert hat und die in unserem Archiv zugänglich sind.“

Unterzeichnung des Abkommens in der Anima
Unterzeichnung des Abkommens in der Anima

Bei der Unterzeichnung des Abkommen waren drei Botschafter beim Heiligen Stuhl zugegen: der neue Vertreter der USA, Joe Donnelly, der deutsche Botschafter Bernhard Kotsch und die österreichische Diplomatin Franziska Honsowitz-Friessnigg. Als Vertreter der US-Holocaust-Gedenkeinrichtung unterzeichnete Zachary Levine, Direktor des Archivs. Für die Anima unterzeichnete der heutige Rektor und Hudal-Nachfolger Michael Max. Er unterstrich die Bedeutung der Archive für die Geschichtsforschung:

„Das Gewissen zeigt uns, wie wir heute handeln müssen und auch morgen handeln müssen, um Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.“

„Ein Archiv allein ist eine Erinnerung. Viele Archive zusammen ergeben ein Gewissen. Die Erinnerung erhält die Vergangenheit lebendig. Das Gewissen zeigt uns, wie wir heute handeln müssen und auch morgen handeln müssen, um Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, sondern dazu beizutragen, besser und heilsam zu handeln.“

Einige Dokumente aus dem Hudal-Archiv
Einige Dokumente aus dem Hudal-Archiv

Die Digitalisierung hat bereits angefangen, wie Suzanne Brown-Fleming gegenüber Radio Vatikan bestätigt. Sie arbeitet seit 2001 beim US-Holocaust Museum und leitet die internationale akademische Abteilung. In Washington sind bereits 120 Millionen Dokumente aus und über die Holocaust-Zeit digitalisiert worden. Nun sollen die Dokumente aus dem Hudal-Archiv zugänglich gemacht werden. Bei der Digitalisierung des Hudal-Archivs geht es um 98 Kisten privater und beruflicher Korrespondenz des Bischofs sowie die weitere Erforschung der Dokumente. In drei bis vier Monaten sollen rund 100.000 Scans entstehen, die dann sowohl in Washington als auch in Rom zugänglich sein sollten. Brown-Fleming:

„Es wird für uns Historiker sehr interessant sein, zu untersuchen, wie eine solche komplexe historische Figur dachte und handelte. Das Hudal-Archiv in Rom kann uns da sehr viel weiter helfen. Das wird ein wichtiger Beitrag sein, um die Millionen von Dokumenten aus anderen Archiven zu bereichern.“

Enge Zusammenarbeit mit den vatikanischen Archiven

Brown-Fleming betont, dass schon seit Jahren eine enge Zusammenarbeit mit anderen vatikanischen Archiven – insbesondere mit dem Apostolischen Vatikan-Archiv (ehemals Geheimarchiv) – im Gange ist. Mit den weiteren Forschungen im Archiv der Anima sollten Hudals „Nähe und Distanz zum Nationalsozialismus gut aufgearbeitet werden“. Das Hudal-Archiv war 2006 geöffnet worden. Wegen seines Engagements für Kriegsverbrecher soll der österreichische Bischof 1952 vom Vatikan gedrängt worden sein, als Rektor des Priesterkollegs zurückzutreten. Hudal war mit Eugenio Pacelli bekannt, dem späteren Papst Pius XII. (1939-1958), der ihn 1933 zum Bischof weihte.

(vatican news/kap)

Vertreter der USA, Deutschlands und Österreichs bei der Unterzeichnung in der Anima
Vertreter der USA, Deutschlands und Österreichs bei der Unterzeichnung in der Anima

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26. April 2022, 13:56