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Kardinal Kurt Koch Kardinal Kurt Koch 

Kardinal Koch sorgt sich um Dialog mit der Orthodoxie

Der Ukraine-Krieg sei auch für das Christentum eine „schreckliche Botschaft“, meint der Präsident des päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch. Er wirbt dafür, sich mit dem Verhältnis zwischen Kirche und Staat auseinanderzusetzen.

DOMRADIO.DE: Herr Kardinal, wenn Sie jetzt mal ein Zwischenfazit ziehen müssten: Wie ist es denn um die Einheit der Christen gegenwärtig bestellt?

Kurt Kardinal Koch (Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen): Das hängt davon ab, von welchen Christen man redet. Wir haben in unserem Päpstlichen Rat zwei Abteilungen, die Abteilung Ost und West. Das geht zurück auf die verschiedenen Kirchenspaltungen, zunächst einmal im fünften und elften Jahrhundert zwischen Ost und West und die Kirchenspaltungen im 16. Jahrhundert in der Westkirche.

Hier das Interview mit Kardinal Kurt Koch

Die beiden Dialoge sind sehr verschieden. Heute steht natürlich vor allem der Dialog mit der Orthodoxie im Vordergrund, der sich in einer sehr schwierigen Situation wegen des Krieges in der Ukraine befindet.

 

DOMRADIO.DE: Sie sprechen es an, viele Menschen schauen sehr besorgt in die Ukraine. Wir haben auf beiden Seiten Christen und auf beiden Seiten Kirchenführer, die die Christen auch in den Kampf schicken.

 

„Und heute sind es Christen, die gegen Christen kämpfen; ja sogar Orthodoxe, die gegen Orthodoxe kämpfen. Das ist eine schreckliche Botschaft für das ganze Christentum in die Welt hinaus.“

Koch: Ja, das ist eine besondere Tragik, weil gerade das russisch-orthodoxe Patriarchat immer gesagt hatte, wir fühlen uns verpflichtet, die Christen zu schützen, gegenüber den Verfolgungen der Christen müssen wir einstehen.

Und heute sind es Christen, die gegen Christen kämpfen; ja sogar Orthodoxe, die gegen Orthodoxe kämpfen. Das ist eine schreckliche Botschaft für das ganze Christentum in die Welt hinaus.

DOMRADIO.DE: Welche Chancen hat da eine christliche Diplomatie? Die Diplomatie, gerade in der katholischen Kirche hat ja eine jahrhundertelange Erfahrung.

Koch: Ja, die ist sehr wichtig. Vor allem, dass man den Konsens wiederfindet, dass wir im Dienste des Friedens stehen müssen. Also so, wie das Papst Franziskus gesagt hat, der christliche Gott ist ein Gott des Friedens und nicht ein Gott des Krieges. Und ich kann nicht im Namen dieses christlichen Gottes, Krieg befürworten und Krieg unterstützen. Das ist eine nicht-christliche Position.

DOMRADIO.DE: Viele Christen haben große Hoffnungen nach dem Treffen zwischen dem Patriarchen Kyrill und dem Papst 2016 gehabt. Es gibt den Dialog. Sie selber haben im Hintergrund noch mal kräftig die Fäden gezogen, dass es ein entsprechendes Videotelefonat gab. Kann man denn wirklich noch von Dialog sprechen in der gegenwärtigen Situation?

Koch: Man darf den Dialog nie abbrechen, denn nur so kann man überhaupt seine eigene Position ins Spiel bringen. Und das hat Papst Franziskus in diesem Video-Meeting sehr klar gesagt, dass er dankbar ist für diese Begegnung. Er hat weiter gesagt: Wissen Sie, wir sind doch nicht Kleriker des Staates, sondern wir sind Hirten des Volkes und haben deshalb keine andere Botschaft als diejenige, diesen Krieg zu beenden. Das war eine sehr klare Botschaft. Ob sie so beim Patriarchen angekommen ist, kann ich nicht beurteilen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie noch Hoffnung, dass dieser Dialog Früchte trägt?

Koch: Die Hoffnung gebe ich nie auf, dass es Früchte tragen wird. Aber ich denke, wir müssen endlich eine Frage in den Dialogen diskutieren, die wir immer an den Rand gestellt haben. Das ist die Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat. Hier haben wir eine ganz andere Konzeption. Im Westen haben wir lernen müssen durch die Entwicklungen hindurch und haben es auch gelernt, dass das adäquate Verhältnis zwischen Kirche und Staat, die Trennung von Kirche und Staat bei gleichzeitiger Partnerschaft von beiden ist.

Das ist eine Konzeption, die im Osten, in der Orthodoxie nicht bekannt ist. Man redet hier von der Symphonie zwischen Kirche und Staat. Und diese Konzeption steht sehr stark im Hintergrund. Ich denke, Direktor Oeldemann vom Ökumenischen Institut in Paderborn, hatte in einem Artikel in der KNA (Katholische Nachrichten-Agentur) das sehr deutlich gesagt, dass dieses Konzept mit den Entwicklungen jetzt im Ukraine-Krieg einige Fragezeichen bekommt.

DOMRADIO.DE: Da ist also noch viel Arbeit. Es ist ein Herzensanliegen von Ihnen, die Einheit der Christen. Wie sehen Sie das denn? Wird man nicht teilweise entmutigt, wenn man so lange unterwegs ist und dann doch immer merkt, es kommt eigentlich nicht richtig voran?

Koch: Als ich diese Aufgabe übernommen habe vor zehn Jahren habe ich mir einen besonderen Patron auserwählt, und das ist Mose. Denn Mose hat sein Volk überall, auch durch die Wüste geführt, und er hatte keine andere Aufgabe, als das Volk ins Gelobte Land zu führen. Er hat es selbst nicht mehr betreten können. Aber er hat deshalb nie resigniert. Und ich meine, das Gelobte Land, das uns vor Augen steht, ist die Einheit der Christen. Ich glaube nicht, dass ich das zu meinen Lebzeiten noch erleben werde. Aber deshalb darf man nicht resignieren. Es gibt keine Alternative. Die Einheit der Christen ist der Wille des Herrn. Und ihm haben wir gehorsam zu sein, diese Einheit, die zerbrochen ist, in der Geschichte wiederzufinden.

Diese Einheit können wir selber nicht machen. Es ist ja aufschlussreich, dass Jesus in seinem Hohepriesterlichen Gebet im 17. Kapitel des Johannesevangeliums die Einheit nicht fordert, sondern für sie betet. Und deshalb können wir nichts Besseres tun, als um diese Einheit zu beten und zu ringen im Bewusstsein, dass sie uns geschenkt werden muss. Aber mit aller Energie, die wir investieren können, alles zu tun und sich im evangelischen Sinn als unnütze Knechte zu verstehen.

 

„Ich habe den Eindruck, dass nicht mehr alle Christen wirklich die Einheit wollen.“

DOMRADIO.DE: Es gibt auch das Christuswort „Ihr sollt eins sein“. Sie selber haben in Ihrem Wappen stehen, dass man Christus in allem den Vorrang geben soll. Woran liegt es denn, dass die Christen da sozusagen, sich doch so zögerlich bewegen?

Koch: Ich habe den Eindruck, dass nicht mehr alle Christen wirklich die Einheit wollen oder sich etwas sehr Verschiedenes unter der Einheit vorstellen. Ich denke, es gibt verschiedene Konzeptionen von Einheit. Die katholische Kirche geht davon aus, dass wir die Einheit finden müssen im Glauben, in den Sakramenten und den Ämtern. Daneben gibt es ganz andere Vorstellungen. Nicht wenige der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen haben die Vorstellung, dass wir gegenseitig alle kirchlichen Realitäten, die es gibt, als Kirchen anerkennen. Die Summe aller dieser vorhandenen Kirchen ist die eine Kirche Jesu Christi.

Das sind sehr verschiedene Vorstellungen und deshalb müssen wir ganz neu darüber Rechenschaft ablegen: Was wollen wir eigentlich? Was ist eigentlich das Ziel? Denn wenn Sie auf dem Frankfurter Flughafen sind und nicht wissen, wohin Sie reisen wollen, müssen Sie sich nicht wundern, wenn Sie in Madrid landen und nicht in Rom, was ja eigentlich schade ist. Und genauso, denke ich, müssen wir uns wieder neu Rechenschaft darüber geben, was ist das Ziel. Wohin wollen wir gehen? Nur so können wir auf nächste Schritte planen.

DOMRADIO.DE: Was kann die katholische Kirche ganz speziell in Bezug auf die Einheit von ihrer Seite noch unternehmen? Für uns ist ja immer ganz wichtig auch die Wandlung. Wo können wir uns vielleicht auch wandeln, dass es noch zu einer stärkeren Annäherung kommen kann?

Koch: Die katholische Kirche muss sehr viel mehr noch lernen, was es heißt, eine Einheit in der Vielfalt zu leben. Und andere Kirchen, denke ich, müssen sich überlegen, was es heißt, in der Vielfalt, die sie haben, die Einheit zu suchen – also dieses permanente Gleichgewicht. Blaise Pascal hat in seinen Pensées-Reden einmal in etwa geschrieben: Einheit, die nicht von Vielheit abhängt, ist Diktatur. Vielheit, die nicht von Einheit abhängt, ist Anarchie. Wir müssen immer wieder den Weg zwischen Diktatur und Anarchie suchen und finden.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.

(domradio – mg)

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28. April 2022, 13:54