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Das Gericht des Staates der Vatikanstadt Das Gericht des Staates der Vatikanstadt  Leitartikel

Finanzskandal im Vatikan: Ein Prozess von nie dagewesenem Ausmaß

Der Prozess um ein Londoner Immobiliengeschäft stellt die vatikanische Justiz auf eine harte Probe: Noch nie war man jenseits des Tibers mit einem so komplexen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren und einer derart großen Zahl von Angeklagten konfrontiert.

Andrea Tornielli - Vatikanstadt

Die mit dem Kauf einer Londoner Immobilie begonnenen vatikanischen Ermittlungen und der anschließende Prozess, der sich noch in der Anfangsphase befindet, sind mit keinem der Prozesse vergleichbar, die in den letzten Jahrzehnten jenseits des Tibers stattgefunden haben. Und das sieht man nicht nur an der großen Zahl der angeklagten Personen, der Menge der Zeugenaussagen und des verwendeten computergestützten Materials, sondern auch an der Schwere der mutmaßlichen Straftaten.

Alles begann mit der internen Untersuchung, die Franziskus vor fast drei Jahren genehmigt hat. Der Papst hat ja immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass mögliche Unregelmäßigkeiten vom vatikanischen Kontrollsystem gemeldet werden müssten und dies auch für etwaige anschließende Anzeigen gelte. Man kann also sagen, dass der Beginn des Prozesses ein Kräftemessen war, der das Justizsystem des Staates der Vatikanstadt auf eine harte Probe gestellt hat.

Recht auf Verteidigung und ein ordentliches Verfahren

In den bisherigen Anhörungen hat das Vatikan-Gericht sein Bestreben, die Wahrung des Rechts auf Verteidigung und auf ein ordentliches Verfahren zu gewährleisten, deutlich gemacht. Ein Grundsatz, der vom Vatikan mit dem Gesetz vom 11. Juli 2013 festgeschrieben wurde, das wenige Monate nach Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus verkündet wurde und das heute Teil der vatikanischen Gesetzgebung ist.

Um ein faires Verfahren und damit auch das Recht auf Verteidigung zu gewährleisten, hat das Gericht die Verfahrensakten an den „Promotor der vatikanischen Justiz“ – also die Staatsanwaltschaft – zurückgegeben, damit diese die fehlenden Vernehmungen der Angeklagten nachholen kann. Das Gericht hat den Staatsanwalt auch aufgefordert, alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente zu hinterlegen, wie z. B. Audio- und Videoaufzeichnungen der Vernehmung von Angeklagten und Zeugen.

Alle Beweismittel in die Prozessunterlagen eingefügt

Wie das Büro des Vatikan-Staatsanwalts verlauten ließ, habe man - der Anordnung des Gerichts vom 6. Oktober entsprechend - alle Audio- und Videoaufzeichnungen der Befragungen inzwischen vollständig hinterlegt. Alle Dokumente, die als Beweismittel dienen, seien also in den Prozessunterlagen zu finden. Zu den Auslassungen an einigen Stellen der Vernehmungsprotokolle erklärte der Staatsanwalt, dass sie „Aussagen betreffen, die für dieses Verfahren nicht relevant sind“ und vertraulich seien, weil sie „Gegenstand autonomer Ermittlungsaktivitäten in anderen Verfahren“ gewesen seien.

Wie der Gerichtspräsident in einer der Anhörungen erklärte, wartet das Gericht nun darauf, dass die Staatsanwaltschaft die Positionen einiger Angeklagter definiert, entweder durch Archivierung oder durch Beantragung eines neuen Verfahrens. Dieser Verfahrensteil soll bis Mitte Januar 2022 abgeschlossen sein. Erst dann – und nachdem alle Entscheidungen über die anderen von den Verteidigern formulierten Ausnahmen, über die der Gerichtshof noch nicht entschieden hat, getroffen wurden – kann man in die Prozessphase eintreten, in der die enorme Menge an Akten und Dokumenten geprüft wird, aus denen sich die Anklageschrift zusammensetzt.

(vaticannews)

 

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21. Dezember 2021, 13:07