Hans-Gert Pöttering am Donnerstag in Rom Hans-Gert Pöttering am Donnerstag in Rom 

Früherer Präsident des EU-Parlaments zu Gesprächen im Vatikan

Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, hat in diesen Tagen Gespräche im Vatikan geführt. Dabei rief er seine Gesprächspartner dazu auf, nicht zuzulassen, dass die US-Bischöfe Präsident Joe Biden eventuell die Kommunion verweigern.

Der deutsche CDU-Politiker traf sich mit dem vatikanischen „Außenminister“, Erzbischof Richard Gallagher, und mit dem Präsidenten des päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch. Auch das Grab von Kardinal Jean-Louis Tauran, dem verstorbenen Präsidenten des päpstlichen Dialograts, suchte er auf. Er habe Tauran „sehr, sehr geschätzt“, so Pöttering an diesem Donnerstag in einem Interview mit Radio Vatikan.

„Was meine Anliegen angeht, kann man sie vielleicht so kennzeichnen: Ich habe in den Gesprächen deutlich gemacht, dass ich kein Verständnis habe für die amerikanische Bischofskonferenz, wenn sie darüber diskutiert, ob man Präsident Joe Biden, der Katholik ist, die Kommunion verweigern soll. Ich würde es für eine Anmaßung der US-Bischofskonferenz halten, wenn man dem Präsidenten die Kommunion verweigern würde!“

Die Kommunion sei „Ausdruck des katholischen Glaubens und der Nähe zum Christentum“, so der katholische Politiker.

Zum Nachhören: Ein Gespräch mit dem früheren Präsidenten des EU-Parlaments, Hans-Gert Pöttering

„Sonst wird nie wieder ein Katholik US-Präsident“

„Und wenn man als Grund, warum man möglicherweise die Kommunion verweigern will, angibt, er sei ja in der Frage der Abtreibung nicht eindeutig, so möchte ich darauf sagen, dass nach meinem Kenntnisstand Präsident Biden gegen die Abtreibung ist – aber er kann nicht alleine diese Position durchsetzen. Er ist Mitglied einer Partei, die ganz offensichtlich mehrheits- und meinungsmäßig eine andere Position hat. Er ist Teil einer institutionellen ‚balance of power‘ – das heißt, er kann das gar nicht alleine durchsetzen.“

Wenn man von Biden erwarten würde, „hundertprozentig die Politik des Vatikans oder der katholischen Kirche“ zu seinem Anliegen zu machen, dann werde seiner - Pötterings - Einschätzung nach nie wieder ein Katholik Hausherr im Weißen Haus. „Denn die Katholiken reichen gar nicht aus, um jemanden zum Präsidenten zu wählen. Ich hoffe, dass es dem Vatikan – auch dem Heiligen Vater – gelingt, durch Dialog mit der US-Bischofskonferenz dort zu einer pragmatischen Lösung zu kommen und damit gegenüber den Gläubigen der katholischen Kirche zum Ausdruck zu bringen: Der amerikanische Präsident ist Teil der Gemeinschaft der Katholiken, in den USA und weltweit.“

US-Präsident Biden
US-Präsident Biden

Dem Synodalen Weg eine Chance geben

Auch das Thema China sprach Pöttering, der von 2007 bis 2009 Präsident des Europäischen Parlaments war, im Vatikan an. Aus seiner Sicht habe die katholische Kirche in der Volksrepublik China eine Zukunft; doch solle man mit den „Machthabern in Peking aus einer Position der Entschlossenheit heraus“ verhandeln.

Drittes Anliegen des Politikers bei seinem Vatikan-Besuch: die Bitte, dem Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland eine Chance zu geben.

„Hier würde ich mir wünschen, dass der Vatikan es ermöglicht, dass die katholische Kirche in Deutschland so viel Offenheit gegenüber den verschiedenen Themen zum Ausdruck bringen kann, wie es mit den Prinzipien der katholischen Kirche vereinbar ist – und hier aber auch neue Wege zu gehen! Das heißt, ich möchte den synodalen Weg, ohne dass ich jetzt mit den Einzelheiten zu sehr vertraut bin, doch unterstützen im Sinne der Offenheit, im Sinne der stärkeren Einbindung von Frauen.“ Da hoffe er „auf mehr Offenheit vonseiten des Vatikans“, so Pöttering.

Robert Schuman, einer der Väter der europäischen Einigung
Robert Schuman, einer der Väter der europäischen Einigung

Warum Politiker eigentlich keine Heiligen sind

Zufrieden zeigte sich der 75-jährige Niedersachse mit dem Seligsprechungsprozess für Robert Schuman. Zwar sei er in der Regel nicht für die Seligsprechung von Politikern, „weil Politiker normalerweise keine heiligmäßigen Menschen sind“ (aber das treffe ja auch auf viele Repräsentanten der Kirche zu). Doch Schuman stelle für ihn in dieser Hinsicht eine „Ausnahme“ dar. Das sei ein Mann gewesen, „der aus seiner tiefen religiösen, katholischen Überzeugung Politik gestaltet hat“.

„Er hat dem Frieden gedient, der Versöhnung gedient in Europa. Und wir dürfen niemals vergessen, gerade auch als Deutsche, was es bedeutet, fünf Jahre nach diesem furchtbaren Zweiten Weltkrieg mit den Verbrechen, mit dem Holocaust – dass da auf einmal ein Signal aus Frankreich kommt! Schuman ist in Frankreich dafür auch angefeindet worden, von der extremen Rechten wie von der extremen Linken… Deswegen würde ich mir wünschen, dass es mit den Prinzipien der katholischen Kirche vereinbar ist, bald Robert Schuman selig zu sprechen.“

(vatican news – sk)
 

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15. Juli 2021, 15:10