Kardinal Seán Patrick O’ Malley Kardinal Seán Patrick O’ Malley 

Vatikan zu Missbrauch: Sünden und Verbrechen nicht geheim halten

Kardinal Seán Patrick O’ Malley von Boston hat bei einer internationalen Online-Konferenz zum Thema Missbrauch betont, die Kirche habe eine moralische wie rechtliche Verpflichtung, allen Menschen Schutz und Fürsorge zu bieten.

In einigen Fällen sei jedoch das Vertrauen „von denen verraten worden, die die heilige Verantwortung tragen, für ihre Seelen zu sorgen", sagte O’ Malley. Sexuellen Missbrauch innerhalb der Kiche verurteilte er erneut scharf: „In allen Fällen war der Verrat, den sexueller Missbrauch darstellt, eine schreckliche und verheerende Verletzung der Menschenwürde". Der Präsident der Päpstlichen Kinderschutzkommission, äußerte sich am Donnerstag bei der internationalen Online-Konferenz zum Thema Missbrauch und Kinderschutz, welche die Päpstliche Kinderschutzkommission mit namhaften Partnern, darunter der Harvard University, organisierte.

Missbrauch melden, Wunden heilen

Kardinal O‘Malley bekräftigte, die Kirche gehe ihrer Verpflichtung zur Ausrottung des klerikalen sexuellen Missbrauchs weiter nach. In diesem Zusammenhang mahnte er, wachsam zu sein und alle Missbrauchsüberlebenden sowie ihre Angehörigen auf dem Weg zur Heilung zu unterstützen. Ausdrücklich rief der Kardinal auch dazu auf, „die Sünden und Verbrechen des sexuellen Missbrauchs nicht geheim zu halten und mit Scham zu besetzen".

„Sünden und Verbrechen des sexuellen Missbrauchs nicht geheimhalten und mit Scham besetzen“

Er dankte explizit allen, die Missbrauchsfälle melden und darüber berichten: „Ihrem Mut ist es zu verdanken, dass der Schutz von Kindern, Jugendlichen und schutzbedürftigen Erwachsenen sowie Opferhilfeprogramme zu zentralen Bestandteilen in allen Facetten unseres Lebens werden. Aber wie das Programm dieses Symposiums deutlich macht, gibt es noch viel zu tun."

Neue Formen des Missbrauchs über Internet

An der Online-Konferenz nahm auch Königin Silvia von Schweden, Gründerin der World Childhood Foundation, teil. Sie erinnerte daran, dass noch vor 20 Jahren, als sie mit ihrer Stiftung begann, sexueller Kindesmissbrauch kaum auf der öffentlichen Agenda stand: „Es war ein Problem, über das niemand sprechen wollte.. und niemand wollte seine Opfer sehen.“ Wenngleich inzwischen große Schritte zur Bewusstseinsbildung und Prävention gemacht wurden, hätten zugleich „Technologie und Konnektivität“ neue Formen des „Online-Missbrauchs“ geschaffen. Die Pandemie habe dieses Problem noch verschlimmert.

Menschenrechtsaktivist, Arzt und  Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege traf Papst Franziskus bei einer Generalaudienz 2019
Menschenrechtsaktivist, Arzt und Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege traf Papst Franziskus bei einer Generalaudienz 2019

Die Eröffnungsrede der dreitägigen Online-Konferenz hielt Menschenrechtsaktivist und Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege. Er konzentrierte sich darin auf die Rolle der religiösen Gemeinschaft, um den Schutz von Kindern zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass Überlebende alle Mittel erhalten, die sie brauchen, um sich eine Zukunft aufzubauen. Er habe sich mit muslimischen, christlichen und jüdischen Missbrauchs-Überlebenden treffen können. „Als Mitglieder der Glaubensgemeinschaft haben wir eine wichtige Rolle zu spielen und eine Verantwortung, sicherzustellen, dass Überlebende keine Scham oder Stigmatisierung für den Missbrauch empfinden, den sie erlitten haben", sagte er.

„Als Mitglieder der Glaubensgemeinschaft haben wir eine wichtige Rolle zu spielen und eine Verantwortung“

„Anstatt ausgegrenzt zu werden, sollten sich diese Überlebenden unterstützt und respektiert fühlen. Anstatt sich machtlos zu fühlen, sollten sie die Macht haben, Dinge zu verändern. Anstatt zum Schweigen gebracht zu werden, sollten sie die Möglichkeit haben, ihr Schweigen zu brechen und zu sprechen", lautete der Appell des Friedensnobelpreisträgers.

Vergewaltigung: eine Kriegswaffe in vielen Teilen der Welt

Der kongolesische Arzt berichtete auch von seinen persönlichen Erfahrungen in der vom Krieg zerrissenen Demokratischen Republik Kongo, wo Vergewaltigung weithin als Kriegswaffe eingesetzt wurde. Dies sei leider auch in vielen anderen Teilen der Welt noch so. In der kongolesischen Stadt Panzi seien die meisten seiner Patientinnen von Kämpfern vergewaltigt worden: „Die meisten von ihnen waren junge Mädchen, aber es gab auch ältere Frauen und viele Kinder, einige von ihnen erst wenige Monate alt."

„Ich habe erlebt, wie wichtig Glaube, Spiritualität und Hoffnung im Kontext der verheerendsten Gewalt auf der Welt sind“

Der Schmerz und das Grauen, das er und seine Mitarbeiter erlebten, seien so groß gewesen, dass nur die Gebete und der Glaube aller Beteiligten es ihnen ermöglichten, zu überleben und weiterzumachen, so Mukwege: „Ich habe erlebt, wie wichtig Glaube, Spiritualität und Hoffnung im Kontext der verheerendsten Gewalt auf der Welt sind". Er und sein Team hätten auch erkannt, dass körperliche Heilung nicht ausreichte, um den Überlebenden zu helfen, sich von ihren Wunden zu erholen.

Vier Säulen unterstützen die Heilung

„Wir haben ein Vier-Säulen-Modell entwickelt, das medizinische Behandlung mit psychosozialer Unterstützung und Zugang zu rechtlichen Dienstleistungen und Aktivitäten kombiniert." Auf lokaler Ebene werde mit religiösen Führern und Dorfvorstehern zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass sie die Aspekte der Gleichberechtigung der Geschlechter und die Rechte von Frauen und Kindern verstehen. Dies sei zentral für die Aufklärung in den Gemeinden, um Stigmatisierungen abzuschaffen und den Kreislauf der Gewalt auf nationaler Ebene zu durchbrechen. Auf internationaler Ebene setzt der Menschenrechtler sich dafür ein, dass es eine Übergangsjustiz gibt, wie sie die Vereinten Nationen empfehlen, damit die Täter vergangener und gegenwärtiger Verbrechen vor Gericht gestellt werden können.

Die Konferenz - Anmelden und Mitmachen

Das dreitägige Online-Symposium unter der Leitung des Human Flourishing Programms an der Harvard University steht unter dem Motto: „Faith and Flourishing: Strategies for Preventing and Healing Child Sexual Abuse" (Glaube und Aufblühen: Strategien zur Vorbeugung und Heilung bei Kindesmissbrauch). Die internationale Konferenz richtet sich an Experten aus Politik und Gesundheitswesen, Priester, Ordensleute und Klerus, Kinderschutzbeauftragte und Anwälte sowie verschiedene Glaubensführer.

Auf der Internetseite der Konferenz kommen Überlebende sexuellem Kindesmissbrauchs zu Wort; ebenso sind viele Redebeiträge verfügbar, etwa zu zum Thema „Herausforderungen und Möglichkeiten zur Verhinderung von sexuellem Kindesmissbrauch", „Herausforderungen im Zusammenhang mit digitaler Sicherheit und der Pandemie" oder zur „Bedeutung von Glaubensführern bei der Verhinderung und Heilung von sexuellem Kindesmissbrauch." Alle Präsentationen können von der Öffentlichkeit eingesehen werden, die auch eingeladen ist, sich nach der Registrierung an der Diskussion zu beteiligen.

(vatican news – sst) 

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09. April 2021, 13:59