Wortlaut: Die Predigt bei der Abendmahlsmesse

Wir dokumentieren hier in einer Arbeitsübersetzung von Vatican News die Predigt, die Kardinal Giovanni Battista Re am Gründonnerstagabend im Petersdom gehalten hat.

„Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung“ (Joh 13,1).

Diese feierlichen Worte des Evangelisten Johannes, die wir gerade gehört haben, leiten den Bericht über die Fußwaschung der Jünger durch unseren Herrn Jesus Christus ein und erinnern an die Gabe seiner selbst, die Jesus uns in der Stunde des Abschieds gemacht hat. Zugleich führen sie in die große Rede ein, die er am Vorabend seiner Selbsthingabe an den Vater zu unserem Heil gehalten hat.

Diese Eucharistiefeier, die so reich ist an Gefühlen und Gedanken, lässt uns den Abend wieder erleben, an dem Christus, umgeben von den Aposteln im Abendmahlssaal, die Eucharistie und das Priestertum eingesetzt und uns das Gebot der geschwisterlichen Liebe aufgetragen hat.

„Er liebte sie bis zur Vollendung“: diese bewegende Aussage bedeutet, dass er sie bis zu seinem Tod am Kreuz am Tag darauf – dem Karfreitag – geliebt hat. Aber sie zeigt auch eine Liebe bis zum Äußersten, das heißt, bis zum höchsten, unübertrefflichen Grad der Fähigkeit zu lieben.

Der Abend des Gründonnerstag erinnert uns also daran, wie sehr wir geliebt worden sind; er sagt uns, dass der Sohn Gottes in seiner Zuneigung zu uns nicht etwas, sondern sich selbst – seinen Leib und sein Blut – hingegeben hat, also die Gesamtheit seiner Person; dass er für unsere Erlösung den schändlichsten Tod auf sich genommen hat, indem er sich selbst als Opfer darbrachte: „Niemand entreißt mir das Leben, sondern ich gebe es von mir aus hin“ (Joh 10,18).

Die Existenz der Eucharistie kann nur damit erklärt werden, dass Christus uns geliebt hat; dass er jedem von uns für alle Jahrhunderte, bis zum Ende der Welt, nahe sein wollte. Nur ein Gott konnte sich ein so großes Geschenk ausdenken, und nur eine grenzenlose Macht und Liebe konnten es möglich machen.

Die Kirche hat das Sakrament der Eucharistie immer als das kostbarste Geschenk betrachtet, durch das sie bereichert worden ist. Es ist das Geschenk, durch das Christus mit uns geht als Licht, Kraft und Speise, als Beistand in allen Tagen unserer Geschichte.

Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt und bestätigt die Eucharistiefeier als den „Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (Sacrosanctum Concilium, 10); sie ist „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (Lumen Gentium, 11).

Mit den Begriffen „Quelle und Höhepunkt“ wollte das Zweite Vatikanische Konzil zum Ausdruck bringen, dass im Leben und in der Sendung der Kirche alles von der Eucharistie kommt und alles zur Eucharistie hinführt.

Die Eucharistie ist Mittelpunkt und Herz des Lebens der Kirche. Sie muss auch Mittelpunkt und Herz des Lebens eines jeden Christen sein. Wer an die Eucharistie glaubt, fühlt sich im Leben nie allein. Er weiß, dass es im Halbdunkel und in der Stille aller Kirchen Einen gibt, der seinen Namen und seine Geschichte kennt; Einen, der ihn liebt, der ihn erwartet und ihm bereitwillig zuhört. Und vor dem Tabernakel kann jeder loswerden, was ihm auf dem Herzen liegt; hier kann er Trost, Kraft und Herzensfrieden finden.

Die Eucharistie ist eine Realität, die nicht nur geglaubt, sondern auch gelebt werden muss. Die Liebe Christi zu uns verpflichtet uns dazu, dass auch wir Zeugnis geben von dieser gegenseitigen Liebe. Die Eucharistie ist ein Aufruf zur Offenheit gegenüber den anderen, zur geschwisterlichen Liebe, zur Fähigkeit zu vergeben und jenen zu Hilfe zu kommen, die in Not sind; sie ist eine Einladung zur Solidarität; dazu, einander zu unterstützen, niemanden im Stich zu lassen. Sie ist ein Aufruf zum aktiven Einsatz für die Armen, die Leidenden, die Ausgegrenzten; sie ist ein Licht, das uns im Antlitz unsere Brüder und Schwestern das Antlitz Christi erkennen lässt; besonders in den Leidenden und Bedürftigen.

Das zweite Geheimnis, dessen Gedächtnis wir heute Abend feiern, ist die Einsetzung des katholischen Priestertums. Christus, der wahre Priester, hat zu den Aposteln gesagt: „Tut dies – das Sakrament der Eucharistie – zu meinem Gedächtnis.“ Und drei Tage später, am Abend des Ostersonntags, hat er zu den Aposteln auch gesagt: „Empfangt den Heiligen Geist. Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,23). Auf diese Weise hat Christus den Aposteln die priesterliche Vollmacht übertragen, damit die Eucharistie und das Sakrament der Vergebung in der Kirche immer wieder erneuert werden; er hat der Menschheit ein unvergleichliches Geschenk gemacht.

In den vergangenen Jahren war es an Gründonnerstagen altbewährte Tradition, nach der Messe in Coena Domini die Anbetung der Eucharistie durch verschiedene Formen der Anbetung und Momente von großer religiöser Dichte bis in die Nacht hinein zu verlängern. Die dramatische Situation, die durch Covid 19 entstanden ist, und die Ansteckungsgefahr lassen dies in diesem – wie auch schon im vergangenen – Jahr leider nicht zu. Wenn wir aber nach Hause gehen, sollten wir weiterbeten, das Herz und die Gedanken voller Dankbarkeit Jesus Christus gegenüber, der in den Gestalten von Brot und Wein als unser Weggefährte in unserer Mitte gegenwärtig bleiben wollte.

Aus Ihm, der körperliches Leid und Einsamkeit an Leib und Seele erfahren hat, wollen wir die Kraft schöpfen, die wir jetzt mehr denn je brauchen, um uns den großen Herausforderungen dieser Pandemie zu stellen, die jeden Tag auf der Welt Tausende von Opfern fordert. Wir haben auf universelle Weise erlebt, wie ein kleines Virus die ganze Welt in die Knie zwingen kann. Um diesem Drama ein Ende zu setzen, müssen wir auf alle menschlichen Mittel zurückgreifen, die uns die Wissenschaft zur Verfügung stellt, aber wir müssen auch noch einen Schritt weitergehen: Wir müssen einmütig darum beten, dass die Hand Gottes uns zu Hilfe kommt und dieser tragischen Situation ein Ende macht, die sich in besorgniserregender Weise auf die Bereiche Gesundheit, Arbeit, Wirtschaft und Bildung, ja auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auswirkt. Wie Christus selbst uns gelehrt hat, ist es notwendig, hinauszugehen und an die Tür Gottes, des allmächtigen Vaters, zu klopfen (vgl. Mt. 7,7-8).

Eine letzte Überlegung. Der Abend, an dem wir den höchsten Ausdruck von Liebe und Freundschaft erleben, ist auch der Abend des Verrats. Am selben Tisch im Abendmahlssaal standen sich die Liebe Gottes und der Verrat des Menschen gegenüber. Der heilige Paulus unterstreicht dies in der zweiten Lesung der Messe mit den Worten: „in der Nacht, da er verraten wurde“.

In der Geschichte der grenzenlosen Liebe Christi, der uns „bis zum Ende“ geliebt hat, liegt auch die Bitterkeit der Untreue und des Verrats durch den Menschen.

Der Gründonnerstag ist daher auch eine Einladung, uns unserer Sünden bewusst zu werden; er ist ein Aufruf, unser Leben in Ordnung zu bringen und den Weg der Reue und der Erneuerung einzuschlagen, um von Gott Vergebung zu erlangen.

In der Eucharistie ist Gott uns so nahe gekommen, dass wir uns nie verlassen fühlen müssen, weil wir immer von ihm gesucht, geliebt und eingeladen werden, durch Reue und das Sakrament der Versöhnung die Freude seiner Vergebung zu erlangen und eine geistliche Erneuerung zu beginnen – mit einem Herzen, das offen ist für Gott und für alle unsere Brüder und Schwestern.

(vaticannews - übersetzung: silvia kritzenberger)

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01. April 2021, 19:49