Radio Vatikan in den 30-er Jahren: Die „Papstfinger“ (sic, auf Deutsch, denn es waren die deutschen Techniker von Telefunken, die um 1936 „Taufpate“ standen!) genannte Antenne in den Vatikanischen Gärten dominiert die Skyline Radio Vatikan in den 30-er Jahren: Die „Papstfinger“ (sic, auf Deutsch, denn es waren die deutschen Techniker von Telefunken, die um 1936 „Taufpate“ standen!) genannte Antenne in den Vatikanischen Gärten dominiert die Skyline 

Radioakademie: 90 Jahre Radio Vatikan (Teil 4)

Stellen Diktaturen und Regime, die die freie Informationsweitergabe behindern, tatsächlich „die große Chance für Radio Vatikan“ dar, wie unser langjähriger Redaktionsleiter Eberhard von Gemmingen zu sagen pflegt? Aus der heutigen Sicht eines Europäers mag das übertrieben klingen...

Doch wenn man sich die Rezeptiosgeschichte von Radio Vatikan in den verschiedenen Ländern ansieht und noch dazu mit Kollegen aus anderen Abteilungen spricht, so ergibt sich schnell ein stimmiges Bild zu dieser Aussage.

Nehmen wir beispielsweise die tschechische Redaktion. Der Gründungsimpuls für diese kleine, osteuropäische Redaktion kam vom damaligen Erzbischof von Prag, Josef Beran, der selbst durch zwei Regime, das nationalsozialistische wie das tschechoslowakische, verfolgt wurde und dessen Leben allein Stoff für eine Radioakademie geben würde. Im Februar 1947 besuchte der neue Erzbischof das erste Mal Radio Vatikan. Beeindruckt von dem, was er vorfand, und eingedenk der wachsenden Spannungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche, bat er Papst Pius XII. darum, auch einem Programm in tschechischer und slowakischer Sprache regelmäßig Sendezeit einräumen zu lassen. Bereits zu Weihnachten desselben Jahres konnten beide Programme ihren Sendebetrieb aufnehmen, genau zwei Monate bevor die Kommunisten in der Tschechoslowakei die Macht übernahmen. Von 1948 bis 1989 sollte sie unter kommunistischer Herrschaft stehen. 

Die Folge: Sämtliche Medien wurden gleichgeschaltet, die Mechanismen der Zensur begannen zu greifen, und die katholische Kirche in ihrer Universalität wurde durch das Regime als Staatsfeind Nummer Eins betrachtet. Wir haben mit unserer Kollegin Johana Bronkova von der Tschechischen Abteilung gesprochen und sie gefragt, was die Aufgaben der Redaktion in diesen Jahren waren.

„Über den Äther den Kampf um die Seele der Nation ausgefochten“

Johana Bronkova: „Die Historikerin Stáňa Vodičková vom Institut für Studien totalitärer Regime sagte kürzlich in einem Interview, dass die Redaktion ,über den Äther den Kampf um die Seele der Nation ausgefochten hat'. Ich denke, dass dies keine Übertreibung ist. Die Jesuitenpatres, die die Programme erstellten, berichteten zusammen mit den Klerikern und Intellektuellen, die - ob gezwungenermaßen oder freiwillig - ins Exil gingen, nicht nur Geschehnisse aus der freien Welt, sondern sie beobachteten auch die Situation der Verfolgten, gaben die Worte des Papstes und die Lehre der Kirche wieder und evangelisierten auf diese Weise.“

Radio Vatikan: Kannst du mir ein bisschen genauer erläutern, was in den Programmen berichtet wurde?

Johana Bronkova: „Wenn man in unserem Archiv stöbert, ist man erstaunt, wie viele Informationen die Redaktion trotz aller Hindernisse und knapper Mittel der damaligen Zeit sammeln konnte. Es handelt sich um wahre Chroniken, die sowohl die Situation des Landes, einschließlich der durch die damalige Propaganda geschaffenen Verzerrungen, als auch die wichtigsten Ereignisse im Weltmaßstab widerspiegeln. Vor allem aber fühlt man auf jeder Seite ein enormes Engagement dafür, Hoffnung, Mut und den Glauben an die Wahrheit zu übertragen, die nicht den Interpretationen des Regimes unterworfen ist, denn sie hat einen Namen und der ist Christus.“

„Es waren tatsächlich die Direktoren des Radios, die Jesuiten, die einen gewissen Schutzschild schufen“

Radio Vatikan: Diese Art von hochengagiertem Journalismus gefiel dem Regime offensichtlich nicht...

Johana Bronkova: „Natürlich nicht! Die Sendungen wurden gestört, wir wissen von Versuchen, Agenten in der Redaktion einzusetzen oder von diplomatischen Bemühungen, die redaktionelle Linie zu ändern. Es waren tatsächlich die Direktoren des Radios, die Jesuiten, die einen gewissen Schutzschild schufen, der der Redaktion eine weitgehende Redefreiheit garantierte. Und so können wir sagen, dass dank dieser Art der Führung des Papstradios unser Archiv sehr wertvoll ist und einen wichtigen Beitrag für die Historiker bietet, die über diese Zeit forschen.“

Radio Vatikan: Du hast mir auch von besonderen Zeugnissen erzählt, die euch im Lauf der Zeit erreicht haben…

Johana Bronkova: „Ja, der Jesuitenpater Josef Koláček, der in unserem Programm seit 1970 gearbeitet hatte und im vergangenen Jahr im Alter von 90 Jahren verstorben ist, hat mir beispielsweise von einem Jungen aus einer völlig atheistischen Familien erzählt, der durch Zufall an die Übertragungen von Radio Vatikan geraten ist. Er hat begonnen, das Programm regelmäßig zu hören, und nach einiger Zeit hat er den katholischen Glauben angenommen. Pater Koláček ist ihm viel später einmal begegnet – da war er Priester geworden!“

Radio Vatikan: Viele wissen das vielleicht nicht, aber die Rosenkranzübertragung von Radio Vatikan um 21 Uhr hat ja ihren Ursprung in den Gefängnissen des kommunistischen Regimes…

Johana Bronkova: „Genau. Das lateinische Gebet des Rosenkranzes um 9 Uhr abends aus dem Palazzo Pio kommt daher, dass die Ordensleute und Priester, die in den kommunistischen Kerkern inhaftiert waren, diese Uhrzeit für das gemeinsame Gebet des Rosenkranzes bestimmt haben. Als Geste der Solidarität mit allen politischen Gefangenen haben die Jesuiten unseres Programms diese Tradition eingeführt, die bis heute besteht.

Rosenkranz
Rosenkranz

Viele Redakteure von Radio Vatikan waren namentlich bekannt

Und das letzte Zeugnis, das ich bei dieser Gelegenheit erzählen will, stammt von unserer Kollegin Romilda Ferrauto. Romilda arbeitete lange im französischsprachigen Programm, zuletzt leitete sie es auch. Während der ersten Reise von Papst Johannes Paul II. nach Prag 1990 wurde ein Treffen mit ehemaligen katholischen Dissidenten organisiert, an dem auch sie teilnahm. Zuerst habe sie nicht viel gesprochen, weil die meisten Beiträge auf Englisch waren, erzählte sie mir. Aber dann habe sie doch einmal den Mund aufgemacht und sofort hatte ein Teilnehmer ausgerufen: Aber sie sind ja Französin! Und dieser ehemalige Dissident habe sie auch sofort mit ihrem Namen angesprochen und viele Namen anderer Kollegen genannt, hat mir Romilda nach all den Jahren immer noch gerührt berichtet. Weil die tschechische Sendung oft durch die Kommunisten gestört wurde, haben die Menschen auch die Übertragungen in anderen Sprachen gehört, denn für sie war Radio Vatikan nicht nur die Stimme des Papstes, sondern auch der Freiheit und der Hoffnung…“

Die Stimme des Papstes, der Freiheit und der Hoffnung

Die Tschechoslowakei stand von 1948 bis 1989 unter kommunistischer Herrschaft. Die Erfahrungen dieser Kollegin können wohl stellvertretend für praktisch alle Länder des ehemaligen Ostblocks gesehen werden. Ähnliche Zeugnisse finden sich zuhauf, wenn man durch die Gänge des Radios geht.

Eine gewisse Sonderstellung kommt vielleicht noch Albanien zu. Immerhin war dies das Land, das sich selbst 1967 stolz und offiziell zum ersten atheistischer Staat der Welt erklärt hatte. Während dieser Zeit im Radio zu arbeiten bedeutete, sein eigenes Leben zu riskieren, denn nichts blieb den Geheimdiensten verborgen, erklärte uns unsere Kollegin der albanischen Abteilung, Katerina Nushi.

„Als ich 1987-88 zum Radio kam, gab es in der Redaktion den Priester Zef Shestani, der bereits in seinen 80ern war. Er war der Gründer der albanischen Sprachsektion, die am 3. Oktober 1951 erstmals auf Sendung ging. Außerdem gab es den Journalisten Andrea Shuli, der 75 Jahre alt war, und der jüngste Mitarbeiter war 65 Jahre alt: Gjon Gjomarkaj stammte aus dem Haus der Prinzen von Nordalbanien. Jeder von ihnen hatte seine eigene, sehr schmerzhafte Geschichte und war wie durch ein Wunder dem Tod entkommen, nachdem das kommunistische Regime im Land der Adler, Albanien, endgültig errichtet worden war. Ob es ein erschossener Bruder war, oder Familienmitglieder in Zwangsarbeitslagern, wir erlebten Drama über Drama.“

„Wir erlebten Drama über Drama“

Was sie persönlich besonders berührt habe, war die Liebe, die jeder ihrer Kollegen nach wie vor zur Heimat im Herzen trug, gepaart mit der Hoffnung, dass sie - eines Tages -ihre Heimat frei sehen könnten. „Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft hatte Monsignore Shestani nie verlassen und er sagte immer, wenn er zum Radio kam: Ich weiß nicht, ob ich Albanien einmal noch frei sehen kann. Weil er herzkrank war, war seine Gesundheit ernsthaft gefährdet.“

Der Bischof Gjergj Vola ist einer der zahlreichen Märtyrer der albanischen Kirche
Der Bischof Gjergj Vola ist einer der zahlreichen Märtyrer der albanischen Kirche

Das albanische Programm, so erzählt Katarina, wurde jeweils in den frühen Morgenstunden wiederholt. Sie habe von vielen Menschen gehört, dass sie um nachtschlafende Zeit aufgestanden seien und die Sendung gehört hätten - heimlich, da auch dafür mit harten Repressalien zu rechnen war. Messen oder Gottesdienste zu feiern, war unmöglich, Gläubige und Priester waren in den Untergrund verbannt und riskierten für die Eucharistie ihr Leben. Ähnlich ging es den anderen Religionen im ersten atheistischen Staat der Welt.

Die albanische Redaktion von Radio Vatikan 1991
Die albanische Redaktion von Radio Vatikan 1991

Doch bald, nachdem Katarina in der Redaktion angekommen war, geschah ab 1989 Weltbewegendes. Der Eiserne Vorhang fiel, und der ehemalige Ostblock befreite sich nach und nach von der Herrschaft der Sowjetunion, die bis 1991 vollständig auseinanderbrach. Doch auch heute noch, wenn man mit Menschen aus dieser Region spricht, merkt man die Zuneigung, die diese Radio Vatikan wegen des Dienstes entgegenbringen, mit dem ihnen während der Zeit der Diktatur das Wort des Papstes und der freien Welt nach Hause getragen wurde.

Das Radio hat sich seine Internationalität bis heute bewahrt

Weitere Zeugnisse, in denen es auch über das Wirken von Radio Vatikan in der Jetztzeit geht, können Sie in unserer Abendsendung hören. Sollten Sie eine der vier Folgen unserer Radioakademie verpasst haben oder sie einfach in Ruhe nochmals nachhören wollen, dann können Sie eine E-Mail an cd@radiovatikan.de schicken. Gegen eine Spende zur Deckung der Unkosten und für die Radioarbeit senden wir ihnen die Serie gerne gesammelt auf CD zu.

(vatican news - cs)

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28. Februar 2021, 10:38