Teilnehmerinnen am Ostergottesdienst des Papstes in Rom, April 2018 Teilnehmerinnen am Ostergottesdienst des Papstes in Rom, April 2018 

Vatikan: „Nicht über, sondern mit den Frauen sprechen“

Verheiratet, zwei Kinder – und seit 2017 die Nummer drei im Vatikan-Dikasterium für Laien, Familie und Leben: Linda Ghisoni hat es weit gebracht in der Männerdomäne Vatikan. Zum Welttag der Frau am Sonntag haben wir mit der Philosophin, Theologin und Kirchenrechtlerin gesprochen.

„Die Kirche ist nicht nur eine Struktur, ein Ort für den Gottesdienst, eine von einer Priesterhierarchie getragene Institution. Sie ist vor allem ein Volk – ein Volk von Männern und Frauen, die alle ohne Unterschied in der Taufe zum neuen Leben des Evangeliums wiedergeboren werden. Söhne und Töchter Gottes, Brüder und Schwestern Jesu Christi. Und wir wissen, dass die Frauen einen sehr großen Teil der katholischen Gläubigen stellen; sie sind ein lebendiger Teil der Kirche. In den Pfarreien und den karitativen Einrichtungen der Kirche sind sie unersetzlich, aber ich halte noch einen anderen Aspekt für sehr wichtig: die Weitergabe des Glaubens an die Kinder… Die Kirche ist also nicht auf die kirchliche Hierarchie reduziert! Sie wäre nicht Kirche, wenn Frauen nicht aktiv an ihr beteiligt wären.“

Vatican News: Was hat Franziskus bisher in seinem Pontifikat für die Frauen getan?

„Papst Franziskus knüpft an das Erbe seiner unmittelbaren Vorgänger an, also an Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Beide Päpste haben konkrete Schritte nach vorn gesetzt; man denke nur an einige Diskriminierungen, die mit dem 1983 von Johannes Paul II. in Kraft gesetzten Kodex des Kanonischen Rechts überwunden wurden. Seitdem können zum Beispiel erstmals nicht nur Männer, sondern auch Frauen als Richter eingesetzt werden. Bis dahin undenkbar!

„Eine eigene Frauen-Synode würde natürlich auch einige wohlmeinende Menschen verärgern, sogar in der Kirche“

Franziskus hat sehr oft bekräftigt, wie wichtig es ist, Frauen ins Leben der Kirche einzubeziehen. Und er hat auch hier und da dafür gesorgt, dass Frauen in Entscheidungspositionen gelangten – aber ohne jemals eine Politik der Frauenquote zu fördern. Er selbst sagt: ‚ Eine Frau zum Sprechen einzuladen, bedeutet nicht, sich in den Modus eines kirchlichen Feminismus zu begeben‘. Die Frau ist für diesen Papst das Bild der Kirche, welche Frau, Braut, Mutter ist. Es geht ihm nicht darum, der Frau in der Kirche mehr Funktionen zu geben, sondern darum, die Kirche in weiblichen Kategorien zu denken. Das ist eine Herausforderung, die aus meiner Sicht sehr ernstgenommen werden sollte.“

Zum Nachhören

Vatican News: Was sagen Sie zur Möglichkeit einer Frauensynode, und welchen Nutzen könnte sie Ihrer Meinung nach haben?

„Ich persönlich würde mir sehr wünschen, dass wir uns nicht ausschließlich den Frauen als eigenständige Angelegenheit widmen. Ich hoffe, dass es natürlicher wird, Frauen in verschiedenen kirchlichen Kontexten zu haben, so dass dieses Thema nicht länger ein separates Thema auf der Tagesordnung der Kirche sein sollte, wie es in der Gesellschaft, in der wir leben, der Fall ist. Ich bin mir jedoch bewusst, dass es nach wie vor wichtig ist, alle Menschen für das Zusammenleben von Männern und Frauen in der Kirche wie auch in der Gesellschaft zu schulen und ihnen die zu gewährleistenden Rechte und den Schutz bewusst zu machen.

Eine Synode, die den Frauen gewidmet ist, könnte es ermöglichen, Themen mit einer universellen Perspektive zu behandeln, ohne sich ausschließlich auf eine eurozentrische Vision zu beschränken… Sie würde natürlich auch einige wohlmeinende Menschen verärgern, sogar in der Kirche… Doch es wäre an der Zeit, den Frauen zuzuhören. Und nicht nur über sie zu sprechen, sondern mit ihnen!“

(vatican news – sk)
 

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06. März 2020, 19:59