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Zum Tag des Judentums: Dialog zwischen den abrahamitischen Religionen

Am 17. Januar begehen verschiedene Länder, darunter auch Österreich, den Tag des Judentums. Wie es in einem liturgischen Direktorium heißt, soll dieser Tag „zum bußfertigen Gedenken an die jahrhundertelange Geschichte der Vorurteile und Feindseligkeiten zwischen Christen und Juden und zur Entwicklung und Vertiefung des religiösen christlich-jüdischen Gesprächs“ dienen.

Ein Gastbeitrag von P. Norbert Hofmann, Sekretär der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum des Heiligen Stuhls

Heute, am 17. Januar begehen die Bischofskonferenzen in Österreich, Italien, Polen und den Niederlanden den so genannten „Tag des Judentums“, an dem der jüdischen Wurzeln des Christentums gedacht und durch gemeinsame Initiativen zwischen Christen und Juden der Dialog gefördert werden soll. In diesem Kontext wird Papst Franziskus am kommenden 20. Januar 2020 eine Delegation von Juden des „Simon-Wiesenthal-Center“ empfangen, das sich für gegenseitige Toleranz und wachsendem Respekt zwischen den Religionen einsetzt und alle Formen von Rassismus und Antisemitismus bekämpft. Den größeren Kontext stellt allerdings der 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau dar, der am 27. Januar 2020 an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Tagungen und Begegnungen begangen wird.

Hier ein Gespräch mit P. Hofmann zum Nachhören

Wie heutzutage allgemein anerkannt wird, ist eine wichtige Voraussetzung für den Frieden in der Welt der Frieden zwischen den einzelnen Religionen. In früheren Zeiten, als sich die verschiedenen Religionen und christlichen Konfessionen noch bekämpft hatten, war Religion ein Teil des Problems - heute aber sollten die Religionen einen Teil zur Lösung des Problems darstellen. Auf diesem Hintergrund wird der interreligiöse Dialog in unseren Zeiten immer wichtiger, immer dringlicher. Daher fördert auch Papst Franziskus alle Initiativen, die mit der Intensivierung des interreligiösen Dialogs zu tun haben.

So empfing er erst am letzten Mittwoch eine Delegation aus Juden, Christen und Moslems und machte ihnen Mut, kreativ zu sein, was die Umsetzung gemeinsamer Werte betrifft. Es handelte sich um die so genannte „Abrahamic Faith Initiative“, die sich zu ihrer ersten Tagung am 15.-16. Januar 2020 an der Päpstlichen Universität Gregoriana getroffen hatte; organisiert wurde sie von der amerikanischen Botschaft am Heiligen Stuhl, Anlass war der Besuch des amerikanischen Botschafters für „Religious Freedom“. Die Vertreter aller drei abrahamitischer Religionen bekundeten bei dieser Gelegenheit, für Gerechtigkeit und Frieden zusammenarbeiten zu wollen, warnten davor, Religion politisch zu instrumentalisieren und erteilten jeder Form von Gewalt zur Durchsetzung eigener Interessen eine Absage.

„In theologischer Hinsicht stehen sich Judentum und Christentum besonders nahe“

Natürlich haben diese drei monotheistischen Religionen ein gemeinsames ethisches Fundament, es ist aber offenkundig, dass sich in theologischer Hinsicht das Judentum und das Christentum besonders nahe stehen und sich daher leicht tun, gemeinsame Werte zu benennen. Schon in der Konzilserklärung Nostra aetate (Nr. 4) wird darauf verwiesen, dass Juden und Christen aufgrund ihrer miteinander verwobenen Ursprungsgeschichte ein gemeinsames Erbe haben: „Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist.“ 

Das Christentum hat unzweifelhaft jüdische Wurzeln, die gemeinsame geistige Grundlage sowohl für das heutige Judentum, als auch für das zeitgenössische Christentum bildet das Judentum zur Zeit Jesu. Dieser wurde als Jude geboren, lebte in den jüdischen Traditionen seiner Epoche und ist als Jude am Kreuz gestorben. Seine Mutter und seine engsten Weggefährten, denen er als Apostel an seiner Sendung Anteil gab, waren Juden und entstammten demselben Umfeld, dem Judentum Galiläas in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. 

„Gemeinsamkeiten können für gelungene Zusammenarbeit fruchtbar gemacht werden“

Aufgrund des gleichen Mutterbodens von Judentum und Christentum ergeben sich vielfältige Gemeinsamkeiten, die im christlich-jüdischen Dialog ausgelotet und für eine gelungene Zusammenarbeit fruchtbar gemacht werden können. Für Christen ist der Dialog mit den Juden keine nette Freizeitbeschäftigung, um einander besser kennenzulernen und zu verstehen, sondern es handelt sich dabei um die eigene Identitätsvergewisserung. Erst wenn die Christen zu ihren eigenen Wurzeln zurückblicken – und die sind jüdisch -, dann können sie selbst besser ihre Herkunft und Zukunft ergründen und sich ins rechte Verhältnis zum Judentum setzen. 

Papst Franziskus hat des Öfteren betont, dass ein Christ von seinem Wesen her kein Antisemit sein kann, weil eben das Christentum jüdische Wurzeln hat. Würde er sich antisemitisch betätigen, würde er selber den Ast absägen, auf dem er sitzt, würde sich seiner ureigenen Identität entledigen, sich gleichsam entwurzeln und in einem undefinierten Raum schweben.

P. Norbert Hofmann

Sekretär der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum des Heiligen Stuhls

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17. Januar 2020, 12:35