Japan im 17. Jahrhundert: Die Dokumente-Sammlung, die der Japan-Missionar Mario Marega anlegte, belegt eine Zeit der grausamen Christenverfolgung Japan im 17. Jahrhundert: Die Dokumente-Sammlung, die der Japan-Missionar Mario Marega anlegte, belegt eine Zeit der grausamen Christenverfolgung 

Vatikan/Japan: Kultur als Brücke zum Frieden

Ein Gemeinschaftsprojekt der Vatikanischen Bibliothek und des Japanischen Instituts für Geisteswissenschaften dokumentiert die Christenverfolgung im Land der aufgehenden Sonne. Dank der Digitalisierung der Marega-Papiere, die über zwei Jahrhunderte lang in Vergessenheit geraten waren, können nun Zeugnisse eingesehen werden, die ein besseres Verständnis der Geschichte des Christentums in Japan vom 17. bis 19. Jahrhundert ermöglichen.

Silvia Kritzenberger und Cesare Pasini – Vatikanstadt

Die Geschichte der Marega-Sammlung beginnt Ende des 16. Jahrhunderts. Damals tobte in Japan eine grausame Christenverfolgung, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts andauern sollte. Dokumentiert wird diese Zeit durch Papiere, die ein Missionar in Japan, der Salesianer Mario Marega (1902-1978), in den 1930er Jahren zusammenstellte und die dann auch nach ihm benannt wurden.

1953 flossen die „Marega-Papiere“ in die Vatikanische Bibliothek ein, wo sie jedoch schon bald wieder in Vergessenheit gerieten. Erst im März 2011 wurden die 21 Pakete mit den wertvollen Dokumenten „wiederentdeckt“ und wissenschaftlich überprüft. Zwei Jahre später, im November 2013, beschloss man, eine Zusammenarbeit zwischen der Vatikanischen Bibliothek und japanischen Kulturinstituten anzukurbeln, in deren Rahmen die Dokumente digitalisiert, studiert und katalogisiert werden sollten.

Das Leid der im Untergrund lebenden Christen

Die Zeugnisse, die dabei ans Tageslicht kamen, belegen das Leid, das die im Untergrund lebenden Christen während der zweieinhalb Jahrhunderte dauernden Verfolgung erdulden mussten. Da es ihnen nicht möglich war, Gegenstände oder Dokumente aufzubewahren, die sich auf ihren Glauben bezogen, entwickelte sich im Lauf der Zeit ein reiche Tradition der mündlichen Überlieferung.

Der Brief Pater Diegos...

Aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel – und diese Ausnahme ist ein Dokument aus jener Zeit, das in japanischer Sprache verfasst wurde und in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt wird: Der Brief, den Pater Diego, Oberer des Franziskaner-Ordens, an verschiedene christliche Gemeinschaften in Japan adressiert hat. Das Schreiben hat nicht nur einen explizit christlichen Inhalt, es weist auch einen Stempel mit der Figur eines Kreuzes auf. Es blieb während der gesamten Zeit der Verfolgung in Japan im Besitz einer christlichen Familie aus Sendai, also von 1628 bis 1886 – dem Jahr, in dem sie es an Mons. Pierre-Marie Osouf (1829-1906), den Apostolischen Vikar in Nordjapan, schickte.

Was aber hat Pater Diego veranlasst, in Zeiten der Verfolgung das Risiko einzugehen, ein schriftliches Dokument zu verfassen, das ihn eindeutig als Christen auswies?

Der direkte Hintergrund war ein Zwist zwischen Ordensfamilien: Da es damals in Japan keinen Bischof gab, spendeten die Franziskanerpater den verfolgten Christen das Sakrament der Firmung und stützten sich dabei auf die zu diesem Zweck erhaltenen päpstlichen Vollmachten. Die Jesuiten vertraten aber die Auffassung, dass die Franziskaner nicht befugt seien, dieses Sakrament zu spenden und warnten die Christen in diesen Gebieten, die dadurch zusehend verunsichert wurden. Pater Diego beschloss also, die gefährliche Reise zu den betroffenen Christen zu wagen und sie zu beruhigen.

„Seid vereint, und eure Einheit sei das Zeichen, das euch als Jünger Jesu ausweist“

1628 schrieb er dann den besagten Brief auf Japanisch, der noch heute in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt wird. Darin fordert er die christlichen Gemeinschaften, die in den Zeiten der Verfolgung von Spaltung bedroht waren auf, sich auf die Eintracht zu besinnen. Obwohl er in den ersten Zeilen einen deutlich polemischen Ton bei der Verteidigung seiner Ordensfamilie gegen die Jesuiten anschlägt, kommt doch sein aufrichtiger Wunsch zum Ausdruck, dass die Gemeinschaft von gegenseitigem Respekt getragen sein möge und alle Christen bereit seien, eine echte Einheit aufzubauen: „Als Priester haben wir alle dieselbe Würde,“ versichert er der Gemeinde. „Um euch das Evangelium zu lehren, setzen wir alle, ohne Unterschied, unser Leben auf Spiel, verrichten Arbeiten aller Art. Wir sind nicht von so weit gekommen, weil wir zu Hause nicht zu essen hatten, und wir sind auch nicht gekommen, um uns hier zu amüsieren. Wir können jederzeit entdeckt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden,“ gibt der Missionar zu bedenken und ermahnt zu Toleranz und Großmut: „Denkt nicht mehr schlecht von den Priestern der Gesellschaft Jesu oder denen des heiligen Franziskus: Sie sind alle Jünger Jesu Christi!“

Was die üblichen Streitigkeiten anging, ermahnt er das Volk, daran zu denken, dass dies eine List des Teufels sei, um das Gute zu verhindern. „Hört vielmehr auf das, was Gott euch sagt: Seid vereint, und eure Einheit sei das Zeichen, das euch als Jünger Jesu ausweist,“ so sein Rat.

Eine Brücke zwischen Ost und West schlagen

In diesem letzten Satz klingt die Einladung Jesu an die Jünger nach, die uns das Evangelium nach Johannes überliefert: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ Der Wunsch Pater Diegos war es also, dass nicht nur die Ordensgemeinschaften der Missionare in Harmonie miteinander lebten, sondern auch eine Brücke zwischen Ost und West geschlagen werde, die dem gegenseitigen Verständnis zwischen den Missionaren aus dem Westen und den Glaubensgemeinschaften des Ostens förderlich sei.

Den Marega-Dokumenten haben wir es zu verdanken, dass uns heute ein breiteres und besser dokumentiertes Wissen über das Christentum in Japan und die Geschichte Japans vom 17. bis 19. Jahrhundert zur Verfügung steht. Eine Geschichte, in der es die Kulturdiplomatie ermöglicht hat, Beziehungen aufzubauen und auch heikle Themen mit dem gebotenen Taktgefühl anzugehen. Die Marega-Dokumente, und ganz besonders der Brief von Pater Diego de San Francisco zeigen uns, dass die Kultur auch dort, wo die Geschichte Wunden geschlagen hat, Verständnis und Akzeptanz, Harmonie und Respekt fördern kann. Die Kultur kann jene Brücke schlagen, die zum Frieden führt.

(L`Osservatore Romano)

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25. Oktober 2019, 09:50