Bei der Heiligsprechung der Schweizerin Marguerite Bays am 13. Oktober 2019 im Vatikan Bei der Heiligsprechung der Schweizerin Marguerite Bays am 13. Oktober 2019 im Vatikan 

Heilige und Selige „machen“: Einblicke in die Arbeit einer Vatikanbehörde

Rund zwei- bis dreitausend offene Verfahren zur Heilig- oder Seligsprechung liegen jeweils zur Erledigung an der zuständigen vatikanischen Behörde. Einen Einblick in die Arbeit der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse gewährt im Gespräch mit uns der dort beschäftigte französische Priester Rémi Bazin.

Jedes Verfahren zur Selig- oder Heiligsprechung durchläuft zunächst eine erste Stufe in dem Bistum, in dem der oder die Kandidatin verstorben ist. „Wenn wir eine Dokumentation erhalten, dann beginnt die Überprüfungsarbeit“, sagt Bazin in unserem Interview vor dem Hochfest Allerheiligen: „Enthält die Dokumentation wirklich das, was sie enthalten soll? Wir überprüfen die juristische Gültigkeit der Beweise. Ist das alles zulässig, und reicht das aus, was an Zeugenaussagen und Dokumentation vorhanden ist? Oft verlangen wir Ergänzungen.“

Nach dieser Arbeit der Überprüfung durch die Sachbearbeiter an der Kongregation gehe das Dossier an weitere Stellen, namentlich an Kommissionen aus Historikern und Theologen, erklärte Bazin. Schließlich lande die Causa beim Kreis der Kardinäle und Bischöfe, die Mitglieder der Kongregation sind, „denen also der Papst die Zuständigkeit verliehen hat, die Verfahren zur Selig-und Heiligsprechung zu überprüfen“.

Jedes Verfahren liegt in den Händen eines ,Anwalts'

Jede dieser Causen hat einen regulär beauftragten Anwalt, der das Verfahren begleitet, den sogenannten Postulator. Es komme häufig vor, dass Anwälte den Stand der Dinge nachfragen. „Nicht nur Postulatoren!“, erzählt Bazin. „Dann gibt es auch Leute, die uns schreiben. Wir beantworten alle Briefe, schließlich sind das wichtige Verfahren für die Betreffenden. Dann erteilen wir Auskunft, an welchem Punkt die Causa ist und laden dazu ein, weiterhin für das Anliegen zu beten, vor allem dann, wenn das Wunder fehlt.“ Denn zum Abschluss eines jeden Verfahrens zur Selig- oder Heiligsprechung braucht es – ausgenommen bei der Seligsprechung von Märtyrern - ein Wunder, das der oder die Dienerin Gottes nach dem Tod bewirkt haben muss. „Das Wunder ist die Zeit Gottes, wie Papst Franziskus sagt, der Finger Gottes“, erklärt Bazin. „Die Bedeutung des Wunders liegt darin, dass es das Urteil der Kirche bestätigt.“

„Es gibt tatsächlich Verfahren, die wir privilegieren“

Wie lange es nach dem Tod des oder der Dienerin Gottes bis zur Seligsprechung dauert, ist höchst unterschiedlich. Tauchen Zweifel am heiligmäßigen Leben auf, kommt das Verfahren zum Stillstand. Andere kommen nach Jahrzehnten zu einem glücklichen Ende. Und wieder andere gehen schnell. „Ja, es gibt tatsächlich Verfahren, die wir privilegieren“, bekennt der französische Priester. „Besonders solche aus Ländern, in denen es noch keine Heiligen gibt, in einzelnen afrikanischen Ländern etwa. Es ist wichtig, dass alle Gläubigen ein Modell von Heiligkeit haben. Das heißt aber nicht, dass die Kriterien für solche Heiligsprechungen anders wären, da gibt es keine Ausnahmeregelung.“

Heilige und Selige als ältere Geschwister

Im Allgemeinen seien an der Kongregation „zwischen 2.000 und 3.000 offene Verfahren anhängig“, so der Priester. Das sind viele – dennoch will Bazin nicht von „Inflation“ sprechen. „Nein, wir gehen allen Verfahren nach, die bei uns eingereicht werden. Wenn es viele Verfahren gibt, dann deshalb, weil es eben eine große Nachfrage nach Heiligen gibt. Aus ganz unterschiedlichen Ländern und auch zunehmend aus allen Lebensständen.“ Das sei auch ganz im Sinn der katholischen Kirche, damit jeder und jede Getaufte „sich wiederfinden kann in diesem Beispiel. Heilige und Selige sind eine Ermutigung, den persönlichen Weg der Heiligkeit zu gehen. Sie sind zugleich Vorbilder und Fürsprecher. Diese Dimension ist wichtig. Wir gehören alle zur selben Familie, sie sind unsere älteren Geschwister, die uns auf dem Weg vorangegangen sind, die uns ermutigen und uns anziehen. Je mehr Vorbilder es gibt, desto mehr kann man sich an dem einen oder der anderen inspirieren.“

Natürlich gehe es nicht um „reine Nachahmung“, sagt Rémi Bazin. Schließlich seien alle einzigartig, daran habe Papst Franziskus in seiner Apostolischen Exhortation Gaudete et Exsultate über die allgemeine Berufung zur Heiligkeit erinnert. „Es handelt sich nicht darum, die Heiligen zu kopieren, sondern sich von ihnen stimulieren zu lassen und das zu entwickeln, was Gott angelegt hat in jedem von uns, sodass die Gestalt von Christus in uns wachsen kann. Und das volle Maß von Christus in uns ist die Barmherzigkeit.“

(vatican news – gs)

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31. Oktober 2019, 11:06