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Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin 

Parolin: „Der Papst bittet Assad um konkrete Initiativen für die Menschen“

Der Krieg und die Bomben gegen wehrlose Zivilisten gehen weiter: Dutzende von Gesundheitseinrichtungen in Idlib in Syrien sind in jüngster Zeit zerstört worden. In dieser Situation lässt Papst Franziskus Kardinal Peter Turkson einen Brief an den syrischen Präsidenten Assad überbringen.

Andrea Tornielli - Vatikanstadt

Es ist eine lange Liste mit Anliegen und konkreten Forderungen, welche Papst Franziskus in einem Schreiben an den syrischen Präsidenten Baschar Hafez al-Assad richtet: Schutz des zivilen Lebens, Beendigung der humanitären Katastrophe in der Region Idlib, konkrete Initiativen für die sichere Rückkehr von Vertriebenen, Freilassung von Häftlingen und Zugang von Familien zu Informationen über ihre Angehörigen, humanitäre Bedingungen für politische Häftlinge. Außerdem ruft der Papst erneut zur Wiederaufnahme des Dialogs und der Verhandlungen unter Beteiligung der internationalen Gemeinschaft auf.

Der Brief des Papstes trägt das Datum des 28. Juni und wurde an diesem Montag von Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson, dem Präfekten des Dikasteriums für den Dienst an der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung, überreicht.

Der Kardinal, Überbringer des auf Englisch verfassten Schreibens, wurde von Franziskanerpater Nicola Riccardi, O.F.M., Unterstaatssekretär des Dikasteriums, und von Kardinal Mario Zenari, dem apostolischen Nuntius in Syrien, begleitet. Vatican News hat zu Inhalt und Zweck dieses Schreibens den Verantwortlichen für die Politik und Diplomatie des Vatikan, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, interviewt.

Vatican News: Warum hat Papst Franziskus sich entschlossen, Präsident Assad einen Brief zu schreiben?

„Auslöser dieser neuen Initiative ist die Besorgnis von Papst Franziskus und dem Heiligen Stuhl über die humanitäre Notlage in Syrien, insbesondere in der Provinz Idlib. Mehr als 3 Millionen Menschen leben in dem Gebiet, von denen 1,3 Millionen intern vertrieben werden, gezwungen durch den langen Konflikt in Syrien, Zuflucht in dem Gebiet zu suchen, das noch im vergangenen Jahr für entmilitarisiert erklärt worden war.

Die jüngste Militäroffensive verschlimmert die ohnehin schon extremen Lebensbedingungen in den Lagern und zwang viele von ihnen erneut zur Flucht. Der Papst verfolgt mit Besorgnis und großer Trauer das dramatische Schicksal der Zivilbevölkerung, insbesondere der Kinder, die an den blutigen Kämpfen beteiligt sind.
Leider geht der Krieg weiter, er hat nicht aufgehört, die Bombardierungen dauern an, verschiedene Gesundheitseinrichtungen wurden in diesem Gebiet zerstört, während viele andere ihre Aktivitäten ganz oder teilweise einstellen mussten".

Vatican News: Um was bittet der Papst den Präsidenten in dem nun überbrachten Brief?

„Papst Franziskus erneuert seinen Appell für den Schutz des zivilen Lebens und die Erhaltung der wichtigsten Infrastrukturen wie Schulen, Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen. Was dort geschieht, ist wirklich unmenschlich und unakzeptabel. Der Papst bittet den Präsidenten, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um diese humanitäre Katastrophe zu stoppen und die wehrlose Bevölkerung, insbesondere die Schwächsten, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht zu schützen".

Vatican News: Was sie sagen scheint zu betonen, dass die Absichten des Papstes nicht „politisch“ sind. Ist das so?

„Ja, so ist es. Die Sorge ist humanitär, wie bereits gesagt. Der Papst betet weiterhin, dass Syrien nach diesen langen Kriegsjahren ein Klima der Geschwisterlichkeit zurückgewinnt und dass die Versöhnung Vorrang hat vor Spaltung und Hass.

In seinem Brief verwendet der Papst dreimal das Wort „Versöhnung": Das ist sein Ziel, zum Wohle dieses Landes und seiner wehrlosen Bevölkerung. Der Papst ermutigt Präsident Baschar al-Assad, in diesem sehr dringenden Versöhnungsprozess deutliche Zeichen zu setzen und gibt konkrete Beispiele: Er nennt etwa die Bedingungen für die sichere Rückkehr von Vertriebenen und Binnenvertriebenen sowie für all jene, die in das Land zurückkehren wollen, nachdem sie gezwungen wurden, es zu verlassen. Im Brief wird auch die Freilassung von Häftlingen und der Zugang von Familien zu Informationen über ihre Angehörigen erwähnt.“

Vatican News: Ein weiteres schwieriges Thema sind die politischen Gefangenen, werden die vom Papst erwähnt?

„Ja, Papst Franziskus ist besorgt über die Situation der politischen Gefangenen, denen - wie er sagt - menschenwürdige Behandlung nicht verwehrt werden könne. Im März 2018 veröffentlichte die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission zur Arabischen Republik Syrien einen Bericht zu diesem Thema, in dem von Zehntausenden von Menschen die Rede war, die willkürlich festgehalten wurden. Manchmal in inoffiziellen Gefängnissen und an unbekannten Orten, würden sie ohne Rechtsbeistand oder Kontakt mit ihren Familien verschiedenen Formen der Folter ausgesetzt sein. Der Bericht stellt fest, dass viele von ihnen leider im Gefängnis sterben, während andere summarisch hingerichtet werden.“

Vatican News: Was ist der Zweck dieser erneuten Initiative von Papst Franziskus?

„Der Heilige Stuhl hat immer auf der Notwendigkeit einer tragfähigen politischen Lösung bestanden, um den Konflikt zu beenden und parteiische Interessen überwinden zu können. Und dies muss mit den Instrumenten der Diplomatie, des Dialogs, der Verhandlungen und mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft geschehen.
Wieder einmal haben wir lernen müssen, dass Krieg zu immer mehr Krieg führt und dass Gewalt nur Gewalt hervor bringt, wie der Papst schon oft gesagt hat, und wie er auch in diesem Brief wiederholt. Leider sind wir besorgt über die Pattsituation im Verhandlungsprozess, insbesondere in Genf, bei der Suche nach einer solchen politischen Lösung der Krise.

Deshalb ermutigt der Papst Präsident Assad in seinem Schreiben, guten Willen zu zeigen und auf tragfähige Lösungen hinzuarbeiten, indem er einen Konflikt beendet, der zu lange gedauert hat und der zum Verlust vieler unschuldiger Menschenleben geführt hat.“

(vatican news - ord)

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22. Juli 2019, 11:09