Kardinal Giuseppe Versaldi, Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen Kardinal Giuseppe Versaldi, Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen 

Vatikandokument zu Gender: „Ja zum Dialog, Nein zu Ideologien“

Es geht dem Vatikan in seinem jüngsten Gender-Dokument vor allem um Dialog: Das betont der Präfekt der Bildungskongregation, Kardinal Giuseppe Versaldi, im Gespräch mit Radio Vatikan. Am Montag hatte der Vatikan das Dokument veröffentlicht, das bislang noch nicht in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Im engeren Sinn geht es darum, wie sich katholische Bildungseinrichtungen zur aktuellen Gender-Diskussion verhalten können – in einem weiteren Schritt stellt es jedoch auch insgesamt eine Positionierung des Vatikans zur Genderfrage dar.

Anlass zur Erstellung des Dokuments seien die vielfältigen Anfragen zur Gender-Problematik gewesen, die die Bildungskongregation durch die einzelnen nationalen Bischofskonferenzen, aber auch durch die weltweit verstreuten katholischen Bildungseinrichtungen erreicht hätten, erläutert Versaldi. Dabei sei der Ruf nach einem Dokument laut geworden, das „nicht so sehr doktrinär in Hinsicht auf die Inhalte sein sollte, die schon Teil des Lehramts der Kirche sind, sondern vor allem methodologischer Art", so der italienische Kardinal:

„Es sollte also denjenigen, die schon in den Bildungseinrichtungen tätig sind, eine Möglichkeit zum Dialog geben, um die beiden [mit der Gender-Debatte zusammenhängenden] Extreme zu vermeiden. Diese Extreme sind einerseits, zuzulassen, dass diese immer weiter vordringende Ideologie, die sich als wissenschaftlicher Fortschritt tarnt, auch unsere Institutionen durchzieht, oder, auf der anderen Seite, sich in einer Verteidigungshaltung zu verschanzen, die diejenigen ausschließt, die anders denken, obwohl doch unsere Schulen, vor allem diejenigen höherer Stufen, offen für den Dialog sind.“

Dialog in drei Schritten

Dabei lege er Wert auf einen Dialog, der aus drei Schritten bestehe, zählt der Kardinal auf: „Nämlich erstens die Argumente der anderen anzuhören, dann die eigenen Überzeugungen mit rationalen Argumenten zu begründen und drittens Lösungen vorzuschlagen für die Probleme, die es gibt. Wir legen großen Wert auf den zweiten Schritt, denn oft basieren diese Ideologien, vor allem deren extremste Ausprägung, die jedweden Unterschied zwischen Mann und Frau leugnet, auf Slogans, ohne sich auf wissenschaftliche Beweise oder eine rationale Begründung stützen zu können. Deshalb laden wir gerade im Namen der Vernunft und der Wissenschaftlichkeit dazu ein, sich auf der Grundlage der Erkenntnisse der experimentellen Forschung in Austausch zu begeben, um die eigenen Meinungen zu vertreten.“

„Natur und Kultur schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich“

Wissenschaft und Forschung leisteten dabei einen wichtigen Beitrag, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Natur und Kultur vertieft zu beleuchten. Denn diese schlössen sich keineswegs gegenseitig aus, sondern ergänzten sich vielmehr, auch wenn dies nicht ausnahmslos anerkannt werde. Mit dieser Bemerkung richtet der Kardinal einen kritischen Blick auf die eigene Institution:

„Auch wir als Kirche müssen diese Beziehung immer wieder aufs Neue vertiefen und dabei vielleicht einige allzu festgefahrenen Positionen im Blick auf die Natur korrigieren, die die kulturellen Aspekte völlig außer Acht lassen. Das heißt, wir sind gerne bereit, in diese Auseinandersetzung einzutreten, aber natürlich unter Beibeihaltung der Vision der christlichen Anthropologie, die allerdings nicht durch Glaubenssätze, sondern durch rationale Argumente begründet wird.“

„Es kommt weder dem Staat noch der Kirche zu, über die Erziehung der Kinder zu bestimmen“

Wie wichtig der Dialoggedanke den Verfassern des Dokuments ist, wird bereits im Untertitel deutlich: „Für einen Weg des Dialogs bei der Genderfrage im Bereich der Ausbildung“, könnte man diesen etwas sperrigen Satz in etwa übersetzen. Das betont auch der Präfekt der für das Dokument verantwortlich zeichnenden Kongregation:

„Dialog, verstanden in dieser dreifachen Ausprägung: also zunächst die Argumente der anderen anzuhören, denn wenn wir uns nicht verstehen, dann erlischt auch der Dialog von Anfang an. Dann braucht es die Anstrengung beider Seiten, die eigenen Überzeugungen auf wissenschaftliche und rationelle Weise zu begründen, und schließlich drittens eine Auseinandersetzung, die loyal und lösungsorientiert ist. Hier pochen wir auf den Pluralismus im Bereich der Erziehung, denn wir erinnern daran, dass es weder dem Staat noch der Kirche zusteht, über die Ausbildung der Kinder zu bestimmen, sondern das kommt erst den Eltern und später, bei Erreichen der Volljährigkeit, den Kindern selbst zu.

Das heißt, nicht wir sind es, die die Schüler für unsere katholischen Schulen aussuchen, sondern es sind die Familien und die Schüler selbst, die uns auswählen - auch deswegen, weil wir anders als die anderen sind. Der Pluralismus ist die Basis der Demokratie, das heißt, wir respektieren die Meinung der anderen, auch wenn am Ende des Dialogs jeder bei seiner eigenen Position bleibt. Dennoch, der gegenseitige Respekt bedingt auch Toleranz, die wir im Namen des Pluralismus, der Demokratie und des modernen Staates einfordern.“

(vatican news - cs)
 

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12. Juni 2019, 13:36