07351_14042017 ok.jpg

Kreuzweg im Kolosseum: Das Werk eines Franziskaners von 1750

Jedes Jahr am Karfreitag leiten die Päpste seit Paul VI. einen abendlichen Kreuzweg am Kolosseum. In dem Amphitheater selbst hatte 1750 ein damals weithin berühmter Franziskanermissionar eine Via Crucis angelegt, die lange Zeit der religiöse Bezugspunkt schlechthin für die Römer am Karfreitag war.
Zum Nachhören

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Leonardo di Porto Maurizio lebte in dem heute noch bestehenden Franziskanerkloster San Bonaventura auf dem Palatin, gleichsam oberhalb des Kolosseums. Wir haben dieses verwinkelte, stille, spektakulär gelegene Kloster auf den Spuren des Franziskanerheiligen besucht, mit Bruder Jürgen Neitzert, der für seinen Orden in der Generalleitung in Rom tätig ist.

„Leonardo di Porto Maurizio lebte im 18. Jahrhundert, er starb 1751. Hier im Kloster war sein Stammsitz, hier lebte er. Er verehrte den Kreuzweg sehr, das war eine franziskanische Frömmigkeitsübung aus dem Heiligen Land, die dann über Spanien langsam hier nach Italien kam. Er weihte in seinem Leben bestimmt etwa 700 Kreuzwege ein, erst in Franziskanerkirchen.“

Sich körperlich auf die Spuren von Jesus auf seinem Kreuzweg zu machen, war als Andachtsform dem einfachen Volk zugänglich. Deshalb lag die Via Crucis den Franziskanern sehr am Herzen, so auch Leonardo. Als berühmter Prediger seiner Zeit hatte er einen direkten Draht zum Papst. Er überzeugte Benedikt XIV., dass es sinnvoll wäre, möglichst viele Kirchen mit einer Via Crucis auszustatten.

„Daraufhin schrieb der Papst in einem Breve, dass alle Kirchen der Welt Kreuzwege errichten könnten. Heute gibt es ja in fast allen Kirchen den Kreuzweg, was einer der Verdienste von Leonardo di Porto Maurizio ist.“

Auch auf dem Weg zum eigenen Kloster richtete der Ordensmann - naheliegender Weise – eine solche Via Crucis ein. Der Weg mit den 14 Stationen, der auf die Kirche des Klosters zuführt, ist heute der einzige Abschnitt des Palatins, der ohne Eintrittskarte zugänglich ist. In dem Kirchlein San Bonaventura zeigt ein modernes Glasfenster den Franziskanerheiligen zusammen mit dem Kolosseum. Denn auf Bitten des Papstes richtete Leonardo di Porto Maurizio im Heiligen Jahr 1750 den Kreuzweg auch im dem antiken Amphitheater ein. „Sie gingen davon aus, dass im Kolosseum während der Christenverfolgung Christen gemartert worden waren", erklärt Bruder Jürgen. „Das ist wahrscheinlich nicht der Fall, war aber damals fester Glaube.“

Das Kolosseum galt als Märtyrerstätte

Leonardo di Porto Maurizio schrieb in einem Brief sogar von 444.000 christlichen Märtyrern, die die Römer im Kolosseum zu Tode gequält haben sollen. Das mächtige Amphitheater, der größte Bau, den die alten Römer überhaupt hinterlassen haben, galt seit der Gegenreformation gleichsam als heilige Stätte, als Reliquiar. Dennoch scheute man sich nicht, das Kolosseum weiterhin als Steinbruch zu nutzen. Die Einrichtung des Kreuzwegs 1750 brachte in diesem Punkt eine Wende, erzählt Bruder Jürgen.

„Das rettete das Kolosseum, denn eigentlich war man damals dabei, es abzubauen, um daraus Paläste zu bauen. Viele Paläste wurden mit Steinen des Kolosseums errichtet, unter anderem Palazzo Venezia und Palazzo della Cancelleria sowie die Stufen vom Vatikan. Das Kolosseum war durch Erdbeben schon leicht zerstört, teilweise eingestürzt. Es gab eine Zufahrt, durch die man hineinkam, um die Steine abzuholen. Leonardo di Porto Maurizio errichtete dann den Kreuzweg darin, um der Christen, die dort dem damaligen Glauben zufolge gemartert wurden, zu gedenken. Papst Benedikt XIV. mauerte daraufhin das Kolosseum zu und erklärte es zur Kirche. Er verbot, weiterhin Steine wegzunehmen. Das rettete das Kolosseum, wofür Rom eigentlich dankbar sein könnte.“

Eine von 14 Stationen ist heute zurück im Kolosseum

Die 14 Bildstöcke aus weißem Marmor standen ellipsenförmig um die ehemalige Arena des Kolosseums angeordnet und zeigten die Szenen des Leidens Christi. 120 Jahre lang gingen die Gläubigen der Ewigen Stadt diesen Kreuzweg im Kolosseum. Als Rom 1870 zur Hauptstadt Italiens wurde, war damit vorerst Schluss. Die neuen Stadtherren ließen den Kreuzweg abmontieren, nur noch das Römische sollte zur Geltung kommen. Doch vor zwei Jahren besannen sich die Verantwortlichen eines Besseren: eine der Kreuzwegstationen von Leonardo di Porto Maurizio ist wieder zurück im Kolosseum.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

17. April 2019, 08:36