Papst Pius XII. Papst Pius XII. 

Geheimarchiv: Ein objektiver Blick auf Pius XII. wird nun möglich

Die Archivöffnung zum Pontifikat Pius XII. wird es ermöglichen, zu einem objektiven Blick auf den Pacelli-Papst zu finden, denn seine Figur war oft oberflächlicher Kritik ausgesetzt. So bewertet der Präfekt des vatikanischen Geheimarchivs, Bischof Sergio Pagano, die Entscheidung des Papstes, die Bestände im Archiv bis 1958 für die Forschung freizugeben.

Während der Audienz für die Mitarbeiter des vatikanischen Geheimarchivs ließ der Papst die Bombe platzen: ab 2. März 2020 werden die Vatikandokumente aus dem gesamten Pontifikat Pius XII. zugänglich sein, nicht nur jene, die im Geheimarchiv lagern, sondern auch jene in allen anderen vatikanischen Archiven. 

Zum Nachhören

Ausgewiesene Forscher können somit eine ungeheure Menge an Dokumenten sichten, die zwischen 2. März 1939 und 9. Oktober 1958 im Vatikan anfielen. Forscher hatten die Nachricht von der Freigabe seit mehreren Jahren erwartet. Die Ankündigung kommt nun genau zum 80. Jahrestag der Wahl des Pontifex, der von 1917–1925 als Apostolischer Nuntius in München stationiert gewesen war.

Von langer Hand vorbereitet

Der Präfekt des vatikanischen Geheimarchivs, Bischof Sergio Pagano, hat in einem langen Artikel für den Osservatore Romano die technischen Einzelheiten der Archivöffnung beschrieben. „Die wichtige Initiative von Papst Franziskus“, so schreibt Pagano, „wurde während eines langen Zeitraumes vorbereitet, in dem die Archivare des Geheimarchivs und ihre Kollegen aus anderen vatikanischen Archiven eine geduldige Arbeit der Neuordnung, Erfassung und Katalogisierung der zahlreichen Quellen und Dokumente vorgenommen haben."

Der Präfekt erinnert daran, dass bereits 2004 Papst Johannes Paul II. die Dokumente über Kriegsgefangenen (1939-1947) zu Forschungszwecken freigegeben hatte. 2006 ordnete dann Benedikt XVI. die Archivöffnung für das Pontifikat von Pius XI. (1922-1939) an. Seither, so Pagano, „arbeitete man an der fortlaufenden Bereitstellung des Dokumentenbestandes zu Pius XII., den zahlreiche Forscher immer nachdrücklicher einzusehen wünschten.“ Der Arbeitsumfang war „sicherlich äußerst hoch“ und sei heute noch nicht an einem Ende angekommen, so der Präfekt.

Alle Archive freigegeben, nicht nur Geheimarchiv

Der Entscheidung des Papstes folgend werden nun die Archive bis zum Todeszeitpunkt Pacellis geöffnet, nicht nur das Geheimarchiv, sondern auch „das historische Archiv der Sektion für die Beziehungen mit den Staaten des Staatssekretariats, das historische Archiv der Glaubenskongregation, das historische Archiv der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, das historische Archiv der Ostkirchenkongregation, das Archiv der Bauhütte von Sankt Peter und, mit jeweils eigenen Zugangsmodalitäten, auch andere historische Archive von Kongregationen, Dikasterien, Ämtern und Gerichten, mit Genehmigung durch deren Leiter,“ erläutert Pagano. Jedes dieser Archive hat ein eigenes Regelwerk, auch das Reservierungssystem und die Katalogisierung sind jeweils unterschiedlich geregelt.

Abertausende von Dokumenten werden nun zugänglich

Mit Blick auf die Bestände, die nun allein im vatikanischen Geheimarchiv frei zugänglich sein werden, zählt Bischof Pagano etwa 151.000 Einheiten aus dem vatikanischen Staatssekretariat auf, von denen jede aus Dutzenden Blättern besteht. Von diesen Beständen wurde genaue inhaltliche Beschreibungen angefertigt, die sowohl digital als auch in Papierform zugänglich sind; allein diese Beschreibungen füllen 68 Bände. Darüber hinaus gibt es die so genannten „getrennten Umschläge“ („Buste separate“), in denen das Staatssekretariat die Dokumentation in Bezug auf einzelne Ereignisse oder Themen zusammengefasst hatte, „insgesamt 538 Umschläge, zu denen eine genaue inhaltliche Beschreibung vorliegen wird.“ Aus derselben Quelle stammen „weitere 76 Einheiten, die nun als „Schreiben Pius XII.“ („Carte Pio XII“) bezeichnet werden“, erläutert Pagano weiter, „die Handschriften Eugenio Pacellis vor und während des Pontifikats beinhalten, darunter auch maschinengeschriebene Versionen vieler seiner Ansprachen, einige mit handschriftlichen Korrekturen.“ Ebenfalls zugänglich sein werden die Dokumente der Päpstlichen Auslandsvertretungen, mit entsprechenden Inhaltsverzeichnissen, die auch online verfügbar sein werden.

Das Pontifikat Pius' XII. ohne Vorurteile erforschen

Eine umfangreiche Arbeit, die von den Mitarbeitern der Archive in jahrelanger Kleinarbeit ausgeführt wurde, würdigt der Präfekt auch den Fleiß seiner Archivare und Bibliothekare.

„In diesem traurigen, nein, fürchterlichen Szenario vor, aber auch während und nach diesem letzten Krieg, sticht gerade die Figur von Pius XII. hervor, die in Hinblick auf einige Aspekte seines Pontifikates allzu oberflächlich bewertet und kritisiert wurde,“ schreibt Pagano. Der Präfekt zeigte sich überzeugt, dass die Forschung den Pacelli-Papst bald „ohne Vorurteile und dank der neuen Dokumente in all seiner realistischen Reichweite und seinem Reichtum“ einordnen könne.

Das vatikanische Geheimarchiv gilt als eines der bedeutendsten und bestgeordneten Archive der Welt. Es steht bereits seit 1881 der wissenschaftlichen Forschung offen. Die Recherche, so erläutert es die Einrichtung selbst auf ihrer Internetseite, ist kostenfrei und zugänglich für qualifizierte Forscher und Forscherinnen. Erforderlich ist ein Masterabschluss oder ein gleichwertiges Universitätszeugnis, für Priester das Lizenziat oder das Doktorat. Die Anfrage ist an den Präfekten zu richten. Sie muss den Forschungsgegenstand umreißen, beizulegen ist das Empfehlungsschreiben einer Forschungseinrichtung „oder einer Person, die sich auf dem Feld der historischen Forschung bewährt hat (Universitätsprofessor)“. 

(vatican news/or)

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04. März 2019, 12:00